Trump-Urteil: Eine Gefahr, die man nicht unterschätzen darf

Trump-Urteil: Eine Gefahr, die man nicht unterschätzen darf

Das Urteil gegen Donald Trump birgt große Gefahren. Denn er wird jetzt erst recht und ganz gezielt die Wut seiner Anhänger schüren. Das kann üble Folgen haben. Bastian Brauns berichtet aus New York “Krieg.” Nur dieses eine Wort verbreitete Tim Pool, kurz nachdem der Schuldspruch für Donald Trump gefallen war, über den Nachrichtendienst X. Der 38-jährige Amerikaner erlangte einst Berühmtheit als Berichterstatter der linken, sogenannten “Occupy Wall Street”-Proteste im Jahr 2011. Heute ist er ein extrem radikalisierter, rechter YouTube-Kommentator mit einem Millionenpublikum. Dieser Mann steht heute stellvertretend für eine Gefahr, die in Amerika schon seit Jahren schlummert. Bei dem tödlichen, rechtsradikalen Anschlag von Charlottesville im Jahr 2017 entlud sich diese rechte Wut zum erstem Mal in einem nicht gekannten Ausmaß. 2021 kam es dann zum Sturm auf das Kapitol, bei dem Tausende, teils bewaffnete Trump-Fans sich gewaltsam Zutritt zum amerikanischen Parlament verschafften, um den Übergang der Macht an Joe Biden , den Sieger einer legitimen, demokratischen Wahl, zu verhindern. Diese Gefahr lautet, so abwegig es klingen mag: Bürgerkrieg. Seit Jahren warnen Experten vor den zunehmend gewaltsamen Tendenzen in den USA , die in einem solchen Szenario enden könnten. Es wäre demnach kein Bürgerkrieg im Sinne der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Südstaaten im 19. Jahrhundert. Es könnte vielmehr zu vollkommen unübersichtlichen Scharmützeln kommen, von gewaltbereiten, gesellschaftlichen Gruppen, die gar nicht wirklich kontrollierbar sind. Trump spielt mit den Diktator-Bezügen Ein Hollywood-Film mit dem Titel “Civil War” griff dieses Thema zuletzt auf. Er wirkt erschreckend real, auch wenn Trump darin keine Rolle spielt. Wohl aber die Mechanismen des Machterhalts, deren sich auch Trump bedient. Der Präsident im Film will einfach nicht abtreten. Längst gibt es auch im Trump-Umfeld Pläne, wie man ihn mit Tricks auch länger als vier Jahre im Amt halten könnte, sollte er im November tatsächlich gewinnen. Trump kokettiert offen mit den Diktator-Bezügen, wenn er in Interviews behauptet, er würde zumindest am ersten Tag nach einer erneuten Machtübernahme ein bisschen Diktator sein. Donald Trump, seine Familie, seine engsten Mitstreiter und erst recht seine zahlreichen Trittbrettfahrer schüren den seit Langem schwelenden Hass ihrer Anhänger auf die demokratischen Institutionen dieses Landes seit Jahren. Der Prozess und das Urteil von New York ist nur der neueste Anlass, um die Systemfrage zu stellen. Trumps Sohn, Donald Trump Jr., schrieb gleich nach dem Urteil: “Die Linken sind gewillt, unsere Republik zu zerstören”. Es klingt wie ein erster Aufruf zur Revolution. Wen jemand die Republik zerstören will, dann ist im Zweifel jedes Mittel recht. So zumindest war die Lesart jener gewaltbereiten Menschen, die Donald Trumps Klagen über die gestohlene Wahl zum Anlass nahmen, um vermeintlich im besten Sinne für die Demokratie das Kapitol zu stürmen. Trump und seine Verbündeten lenken die Gefahr, die sie für die Demokratie darstellen, immer wieder um auf das andere Lager. So hat der Ex-Präsident seinen Anhängern nicht nur die Mär von der gestohlenen Wahl eingetrichtert, sondern auch die Überzeugung, dass die Strafprozesse gegen ihn eigentlich gar nicht ihm selber gelten, sondern den amerikanischen Bürgern. Er selbst stilisiert sich damit zum Heiland eines um seine Freiheit betrogenen Volkes. “Trump oder Tod” hatte ein Demonstrant vor dem Gericht in New York auf seine Fahne gedruckt. Der Mann berief sich dabei auf den amerikanischen Bürgerkrieg und sein Recht auf Widerstand. Trump vergleicht sich mit Mutter Teresa und Nawalny Wer den Kapitolsturm am 6. Januar 2021 erlebt hat, weiß, dass sich Menschen in diesem Land von solchen Worten zu Gewalttaten animieren lassen. Seit Tagen bezeichnete sich Donald Trump in seinen Spendenaufrufen bereits vorsorglich als “politischen Gefangenen”. Schon lange vergleicht er sich mit dem Bürgerrechtler Nelson Mandela, mit Mutter Teresa und sogar mit dem ermordeten russischen Oppositionellen Alexei Nawalny. In einer der letzten Botschaften seiner Kampagne hieß es sogar: “Gebt mir die Freiheit oder gebt mir den Tod.” Donald Trump gibt den Märtyrer – und es ist noch nicht mal Juni. Der 30. Mai geht in die Geschichte der modernen Demokratie ein. Für Donald Trump ist es kein ruhmreiches Kapitel. Der Republikaner behauptet, einen Volkswillen zu repräsentieren, den es so nicht gibt. Denn die USA sind zutiefst gespalten. Er tut zudem so, als sei sein Wille und der seiner “Make America Great Again”-Anhänger wichtiger als der Rechtsstaat. Damit offenbart der 77-Jährige einmal mehr ein absurdes und brandgefährliches Demokratieverständnis. Zur Erinnerung: Der Titel des Strafverfahrens von New York lautete offiziell: “The People of New York against Donald J. Trump”, im Grunde klagte also die Bevölkerung von New York, vertreten durch die Staatsanwaltschaft, Donald Trump an. Und auch das Urteil fiel am Ende durch zwölf Vertreter aus dem Volk – und nicht durch einen angeblich korrupten Richter, wie Trump nicht müde wurde zu behaupten. Trump säet gezielt Misstrauen in die Institutionen der amerikanischen Demokratie. Er ist darum schon lange eine Gefahr für sie. Seit dem Urteil gegen ihn umso mehr. Er und seine Anhänger werden jetzt keine Ruhe geben. Sie werden weiterhin die Grenzen des Anstands ausreizen und den Hass schüren. Bleibt zu hoffen, dass irgendjemand diese drohende, unbändige Wut rechtzeitig eindämmt. Trump, das weiß die Welt spätestens seit dem 6. Januar 2021, wird es nicht sein.

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