Kommentar: St. Paulis Nein zu Investoren ist ein Traum für jeden Fan

Kommentar: St. Paulis Nein zu Investoren ist ein Traum für jeden Fan

Dinge anders machen als die anderen. Das hat Tradition beim FC St. Pauli, der im Haifischbecken Bundesliga nicht nur überleben, sondern auch viele Zweifler davon überzeugen will, dass ein anderer Fußball möglich ist. Die Gründung einer Genossenschaft ist bei diesem Ansinnen ein riesiger Schritt des Vereins. Ein Schachzug, der passgenauer nicht ausfallen könnte.

Rechte werden veräußert, Lizenzabteilungen ausgegliedert, Investoren umgarnt. Der Fußball wird bestimmt von der Suche nach Geldquellen. Woher die Kohle kommt, ist oft zweitrangig. Wer die 50+1-Regel geschickt umdribbelt, schafft es wie RB Leipzig bis in die Champions League, wer sich auf Geldgeber mit geringerem strategischem Geschick einlässt, der träumt kurz, stürzt ab und vergrault seine Fans: Man frage nach bei 1860 München (3. Liga) oder in Uerdingen (Regionalliga).

Auch St. Pauli hätte Geld von Red Bull nehmen können

St. Pauli hätte auch einst die Red-Bull-Kohle nehmen können. Vielleicht gäbe es dann inzwischen Pflichtspiele gegen Real Madrid am Millerntor (das dann den Namen der Brausemarke trüge), ganz sicher aber hätte der Verein andere Fans. Diese waren und sind stets das Faustpfand des FC St. Pauli gewesen und werden jetzt noch wichtiger. Für 850 Euro können sie sich einkaufen bei ihrem Herzensklub, können Miteigentümer des Stadions werden. Spötter mögen die Geldbeschaffungsmaßnahme abtun nach dem Motto: Da pumpt wieder ein Klub mit gutbezahlten Profifußballern Menschen an, die auf jeden Euro schauen müssen, um sich bald besser bezahlte Fußballer leisten zu können. Man darf ihnen entgegnen: Ja, genau. Das aber ist nicht verwerflich, sondern im Sinne der Fans, die St. Pauli lieber gewinnen als verlieren sehen.


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Der FC St. Pauli gibt als eingetragener Verein seinen Fans ohnehin die Möglichkeit der Mitbestimmung. Nun können die Anhänger das Stadion erwerben. Eine neue Stufe. Gerade aus ideeller Sicht. Dass jede Genossin und jeder Genosse eine Stimme hat – ganz gleich, ob sie oder er einen oder Dutzende Anteile erwirbt – ist Basisdemokratie at its best. Das ist nicht unkompliziert, aber charmanter, als sich mit Milliardären ins Bett zu legen, die sich nach dem Aufwachen doch nicht als die perfekten Partner erweisen. Der Blick zum HSV, wo es nach dem Einstieg von Kühne – nun ja – nicht gerade kontinuierlich in die europäische Spitze ging, dient als ein Beispiel von vielen.

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St. Paulis Genossenschaftsmodell wird niemanden reich werden lassen. Wer beitritt, weiß, dass es auf dem Finanzmarkt attraktivere Optionen zur Renditemaximierung gibt. St. Paulis Genossenschaftsmodell aber ist eines mit überschaubarem Risiko und dazu geeignet, den Verein finanziell besser aufzustellen. Mit dem Geld der Genossinnen und Genossen wird der Kiezklub nicht in die Champions League vordringen, er wird sich mutmaßlich aber auf einen Schlag entschulden und gesund wachsen können, um auch als kleiner Fisch mitzuschwimmen – auf eine andere Art als die anderen: Fans werden als Stadioneigentümer zu einem festen Bestandteil des Vereins. Viel mehr kann sich das Herz von Fußballtraditionalisten nicht wünschen.

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