Body Count in Hamburg: Auf grimmige Nachbarschaft

Body Count in Hamburg: Auf grimmige Nachbarschaft

Body Count, das ist seit mehr als 30 Jahren der mit Schwung ausgestreckte Mittelfinger gegen das System, Ice-T bleibt auch mit 66 Jahren die geballte Faust des Propheten der schlechten Laune – und wird dafür von seinen Fans geliebt.

„There Goes the Neighborhood“… Die Blicke der Anwohner sind mit skeptisch noch wohlwollend umschrieben, als die Fan-Meute vom Bahnhof Wilhelmsburg zur Inselpark Arena zieht. Die Durchschnittsgröße: XL. Das Durchschnittsgewicht: schwer. Das Durchschnittsalter: Gen X. Die Durchschnitts-T-Shirt-Farbe: schwarz. Die Durchschnittsanzahl Tattoos: ’ne Menge.

Das Publikum bei Body Count am Freitagabend ist dunkelbunt gemischt, durstig und auf Krawall gebürstet. Also nicht, dass es Ärger geben würde – es geht eher um die zu Ice-T passende Grundattitüde. Und die ist nun einmal grimmig, egal, wie sehr man sich freut, ihn mal wieder live zu sehen.

Body Count in Hamburg: „Friede auf Erden“ als Kriegserklärung

Der Mann ist schließlich ein Original Gangster, der mindestens musikalisch grad mal gar keinen Spaß versteht und bei dem sogar die Hippie-Forderung „Peace on Earth!“ eher nach einer Kriegserklärung klingt.

66 Jahre alt und kein bisschen leise: Ice-T beim Konzert seiner Band Body Count in der Inselpark Arena.
Arist von Harpe

66 Jahre alt und kein bisschen leise: Ice-T beim Konzert seiner Band Body Count in der Inselpark Arena.

Obwohl, so ganz kann man als Amerikaner auch nicht aus der Entertainmenthaut heraus. Also wird zwischen Wutklumpen wie „Manslaughter“ und „Bowels of the Devil“ die T-Shirt-Kanone gezückt und unter angemessen vielen „Fuck“, „Shit“ und „Motherfucker“ ein bisschen Merchandise in die Menge gefeuert – bei Preisen von 45 Euro für ein T-Shirt ein begehrtes Schnäppchen.

Erziehungstipps von „Onkel Ice-T“ sind übrigens auch eher… handfest. Sein Tipp für einen besonders jungen Fan in der ersten Reihe (der nicht nur auf die Bühne, sondern sogar auf die Schultern von Sean E Sean darf): „Wenn Dir jemand dumm kommt, schau ihm direkt in die Augen und sag: ‚Talk Shit, Get Shot‘.“ Montessori-Pädagogik mal anders.

Body Count in Hamburg: Wer braucht „The Purge“, wenn er „Cop Killer“ haben kann?

Wann übrigens das vor gut drei Jahren erstmals angekündigte und für die Tour namensgebende Album „Merciless“ auf den Markt kommt, lässt Ice-T auch in Hamburg unbeantwortet, einer Handvoll neuer Songs zum Trotz, die mit wohlwollender Skepsis aufgenommen werden. Wer braucht schon „The Purge“ oder „Merciless“, wenn er „Body Count’s in the House“ oder „Cop Killer“ haben kann?

Nostalgietränen verdrücken muss trotzdem niemand – schließlich ist der Maestro auch noch mit Mitte 60 so überdurchschnittlich unterwegs, dass man sich keine Sorgen um den Fortbestand von Body Count machen muss. Seine Männlichkeitsriten („Ich will, dass ihr männlich mitgrölt, nicht so ein Girly-Shit“) wirken zwar mehr als nur ein bisschen aus der Zeit gefallen, aber sein Konzept der „virtuellen Zugabe“ („Ich bin 66, wenn mein schwarzer Arsch von der Bühne geht, kommt er garantiert nicht wieder“) könnte Schule machen: Alle gemeinsam tun für ein paar Sekunden so, als hätte die Band die Bühne verlassen und dann geht’s weiter. Und zwar nicht irgendwie, sondern mit „Born Dead“ und „This Is Why We Ride“.

Body Count in Hamburg: Schweiß tropft, in Luft liegt ein gerade erst legalisierter Duft

Und dann wäre es eigentlich auch gut gewesen: In der zum Schneiden dicken Luft liegt nach anderthalb Stunden ein gerade erst legalisierter Duft, der Schweiß tropft selbst Mosh-Muffeln von der Stirn, trotz gut geölter Kehlen brechen die Stimmen verschiedener besonders enthusiastischer Mitsänger.

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Für die aufmüpfigen Kinder der 90er-Jahre also ein alles andere als durchschnittlicher Abend – auch wenn man sich fragt, warum man ausgerechnet mit dem Rausschmeißer „Comfortably Numb“ vom sagenumwobenen neuen Album so sehr das Tempo rausnehmen muss. Aber irgendwas ist ja immer.

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