Der scheidende Wirtschaftsminister Robert Habeck liefert in seinem neuen Buch Einblicke in seine politischen und persönlichen Kämpfe. Was auf den 144 Seiten steht. Robert Habeck lässt sich beim Denken zuschauen. “Den Bach rauf. Eine Kursbestimmung”, heißt sein neues Buch, das der Grünen-Kanzlerkandidat keine sechs Wochen vor der Bundestagswahl veröffentlicht. Wer genau wissen will, wie die Grünen Familien entlasten, die Rente reformieren oder die ärztliche Versorgung sicherstellen wollen, schaut besser ins Wahlprogramm. Zwar wird Habeck bei seinem Kerngebiet, der Wirtschaftspolitik, konkreter, fächert Ideen auf zur Steigerung von Investitionen oder zum klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Doch vor allem soll es hier um die großen Linien gehen. Um die Demokratie, ihre Feinde, deren Mechanismen und mögliche Antworten. Und um Robert Habeck. In seinen Worten: “Für das Land beginnt eine neue Phase, für mich auch.” Egal, wie markerschütternd die politischen Ereignisse sind, meist geht es darum, wie Habeck sie erlebt hat. Die wichtigsten Aussagen von Habeck: Angriffskrieg gegen die Ukraine “Als ich mich am 23. Februar 2022 spätabends hinlegte, ging ich im Bewusstsein schlafen, dass Putins Truppen in den frühen Morgenstunden in die Ukraine einmarschieren würden. (…) Nachts wachte ich immer wieder auf, blickte aufs Handy, tauschte mit dem Bundeskanzler Nachrichten aus und sah dann in den frühen Morgenstunden das, was die Welt erschütterte: die Nachricht vom Angriff Putins.” Rückschläge und Beleidigungen “In den vergangenen Jahren habe ich viele politische Rückschläge erlebt. Kaum war ein Problem gelöst oder dabei, gelöst zu werden, schlug das nächste mit voller Wucht auf. Wie oft habe ich mir gedacht: Nicht das auch noch! Wie oft gewünscht, ich könnte die Augen schließen, bis zehn zählen, und dann wäre das Problem verschwunden, wissend, dass es nicht so sein wird.” Und weiter: “Ja, es gab auch die Frage: Soll ich aufhören mit der Politik? Warum ist es eigentlich mein Problem, warum mache ich es zu meinem, warum geht es mich etwas an? Ich könnte auch etwas anderes tun und es anderen überlassen. Irgendwer wird sich schon kümmern.” Aber: Es gehe ihn eben etwas an, so Habeck. “Ich habe aber auch Anfeindungen gespürt, Beleidigungen gehört und sogar perverse Morddrohungen erhalten. Menschen schreiben mir Dankesbriefe oder loben mich in den sozialen Medien, andere hassen mich aus tiefstem Herzen.” Kritik an Merkel Die Ruhe während der sechzehnjährigen Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) trüge, schreibt Habeck. Nötige Entscheidungen seien vertagt worden. “Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde verschleppt, der der Stromnetze genauso, Wasserstoffnetze wurden weder geplant noch gebaut, unverdrossen wurden weiter Gas- und teilweise Ölheizungen eingebaut, fossile Verbrennerautos als ewige Zukunft gesehen. Die Bahn ist statt sprichwörtlich pünktlich notorisch verspätet, Unterricht fällt aus, Kitaplätze sind rar.” Die Liste geht weiter. Ampel-Aus Die spektakuläre Unbeliebtheit der Ampelkoalition aus SPD , Grünen und FDP erklärt sich der scheidende Vizekanzler auch mit diesen Altlasten. “Wir haben angefangen, den über Jahre aufgebauten Berg an Problemen abzutragen. Dafür haben wir einen Preis bezahlt, einen politischen und einen persönlichen. Die Zustimmungswerte der Regierungsparteien sind stark gesunken; und ich habe Personenschützer um mich herum, selbst wenn ich jogge oder ins Kino gehe.” Bürokratie “Nach drei Jahren im Amt verstehe ich wirklich jeden, der über Bürokratie flucht. Ich selbst könnte oft genug in die Tischkante beißen, wenn ich sehe, wie kompliziert Dinge sind.” Doch Habeck äußert auch Selbstkritik in Bezug auf komplexe Gesetze. “Auch ich habe in Brüssel unglaublich komplizierten Vorschriften zur Klassifizierung von Wasserstoff zugestimmt (die ich jetzt versuche, teilweise wieder zurückzunehmen).” Populismus und Optimismus Habecks gesamter Wahlkampf beruht auf einer Annahme: “Dass mehr Menschen den Optimismus wollen, als im Pessimismus zu versinken.” Der selbst erklärte Bündniskanzler hofft darauf, dass es bei vielen Menschen in Deutschland eine Sehnsucht gibt nach Höflichkeit in der politischen Debatte, nach dem ehrlichen Versuch, große Probleme nicht nur zu beschreiben, sondern anzugehen. “Diese Kräfte freizusetzen, darum geht es.” Gedacht ist das als Gegenstrategie zum Populismus. “Es gibt eine ziemlich große Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland den Bach runtergeht, wenn auch die Politiker der demokratischen Mitte auf die Mittel des Populismus setzen, wenn sich der Pessimismus in der Gesellschaft durchsetzt. Denn das Negative und das Schlechtreden werden immer schnell überboten von der nächsten Katastrophe, der noch fieseren Beleidigung, der noch gemeineren Anfeindung.” Deshalb der Titel “Den Bach rauf”.
Habeck-Buch enthüllt: “Perverse Morddrohungen” und Kritik an Angela Merkel
