Wie lange sie das Zepter beim HSV schwingen werden, ist noch nicht geklärt. Doch am Sonntag in Karlsruhe heißt es erst mal: Bühne frei für Merlin Polzin (34) und Loic Favé (31)! Der Interimstrainer und sein Assistent wollen nach Steffen Baumgarts Demission dafür sorgen, dass der zuletzt kriselnde HSV wieder sportlich positivere Schlagzeilen schreibt. Zwei gebürtige Hamburger Jungs sollen es richten und die Wende einleiten. Das klingt so romantisch, dass es fast schon zu schön wäre, um wahr zu sein.
Wer in den vergangenen Tagen im Volkspark vorbeischaute, der sah, wie ernst es ihnen ist. Polzin und Favé machten während der Trainingseinheiten ordentlich Dampf und wollen ihre Chance unbedingt nutzen. Wieder mal im Gleichschritt. Seite an Seite absolvieren sie derzeit auch den Lehrgang zur UEFA Pro Lizenz, den sie Mitte Dezember abgeschlossen haben sollen. Es scheint so, als hätten sich da zwei gesucht und gefunden.
Polzin und Favé: Ein HSV-Duo mit großen Ambitionen
Dabei stieß Favé, der eigentlich die U21 des Vereins trainiert und dazu NLZ-Teamleiter ist, erst Anfang des Jahres zum HSV. Polzin ist schon länger da und allein das verdeutlicht die große Wertschätzung, die er innerhalb des Vereins genießt. Im Sommer 2020 kam er als Assistent und Vertrauensmann von Chefcoach Daniel Thioune zum HSV, emanzipierte sich nach dessen Entlassung und arbeitete anschließend auch mit Tim Walter und zuletzt Baumgart vertrauensvoll zusammen. In anderen Vereinen wäre ein jahrelanger Assistent vermutlich schon aus Prinzip irgendwann auch entlassen worden.
IMAGO/Eibner
Kapitän Sebastian Schonlau und Interims-Coach Merlin Polzin beim Training
Matthias Herzberg sieht sich jedenfalls bestätigt. „Merlin war schon immer sehr zielstrebig und wusste, was er wollte“, sagte der Abteilungsleiter von Polzins Heimatklub Bramfelder SV der MOPO. „Aber er war dabei immer ein Teamplayer.“ Und das bereits, als der HSV-Interimscoach noch selbst kickte.
HSV-Trainer Polzin hinterließ beim Bramfelder SV Eindruck
„Ich habe ihn schon als Jugendspieler bei uns kennengelernt“, berichtet Herzberg. „Er war auch Kapitän – vorbildlich und auch meinungsstark, aber auf eine positive Art. Als Youngster in der Herren-Mannschaft hatte er ein hohes Ansehen bei den älteren Spielern, weil ihm Werte wichtig sind.“ Was Herzberg vor allem betont: „Er kam mit allen Altersgruppen im Team gut zurecht. Das ist eine Eigenschaft, die man auch als Trainer braucht.“
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Auch am Sonntag in Karlsruhe, wo es extrem hitzig zugehen dürfte. Polzin ist dann der eine Teil des Trainer-Teams, auf das es nun vorerst ankommt, Favé der andere. Er gilt in der Branche als großes Talent, hegt auch Ambitionen, irgendwann einmal auf hohem Niveau Cheftrainer zu sein. Dass er dazu fähig ist, glaubt auch ein langjähriger Wegbegleiter und enger Freund – Jasper Hölscher, Sportlicher Leiter der Fußballabteilung des ETV und somit Nachfolger Favés (war bis Sommer 2020 im Amt). „Ich traue ihm alles zu“, sagt Hölscher über seinen Kumpel.
ETV-Leiter Hölscher über Loic Favé: „Ich traue ihm alles zu“
Beide begannen beim ETV im Breitensport, schafften schnell den Sprung in die erste Reihe. Erst Favé, dann Hölscher. Favé förderte den Oberliga-Spieler, baute ihn als nächsten starken Mann in Eimsbüttel auf. Timo Schultz lockte Favé schließlich als Assistenten zum FC St. Pauli und später nach Basel, ehe der ehrgeizige Co-Trainer seine eigenen Wege ging. Im Januar dieses Jahres übernahm Favé beim HSV den Nachwuchs, im Sommer dann die U21. Immer mit engem Draht zu den Profis.
WITTERS
Loïc Favé ist seit Jahresbeginn Nachwuchsleiter beim HSV.
Ein wilder Ritt wie im Sauseschritt. Was aber kann Favé nun bei den HSV-Profis bewirken? „Er kann viel Einfluss haben in kürzester Zeit, weil er inhaltlich auf Toplevel arbeitet, die Spieler gut kennt und sie ihn“, ist sich Hölscher sicher. Favé sei „akribisch, perfektionistisch, hat einen unfassbaren Drive“. Seine größte Stärke sei der stetige Drang, sich weiterzuentwickeln, sein Auge fürs Detail. Schon in den ersten Einheiten in neuer Rolle schnappte sich Favé die Offensivabteilung, arbeitete separat nach dem Teamtraining an Abschlüssen. „Ihm gibt es viel, mit so guten Spielern zu arbeiten. Status spielt für ihn selbst keine Rolle“, sagt Hölscher, der beim ETV auch die U19 trainiert.
Mikelbrencis wurde auch dank U21-Trainer wieder stark
Wie gut Favé auch im Zusammenspiel mit den Spielern funktionieren kann, offenbarte er bereits in dieser HSV-Saison. Den zunächst unter Baumgart chancenlosen William Mikelbrencis peppte Favé durch Einsätze in der U21 wieder auf, bekam den französischen Junioren-Nationalspieler wieder auf Profi-Niveau und zu Einsatzzeit. Zuletzt zählte Mikelbrencis sogar zur Startelf beim 2:2 gegen Schalke 04.
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Doch nicht nur seine Akribie und sein fußballerisches Know-how lassen Favé bei den Spielern ankommen, auch sein Auftreten als Typ. „Loic ist bodenständig und demütig“, beschreibt Hölscher seinen Freund. „Er hat ein gutes Gefühl für Menschen und bekommt es hin, unterschiedliche Charaktere zu erreichen.“
„Verstehen sich sehr gut“: Starten Polzin und Favé durch?
Dass Favé seine Fähigkeiten als Mensch und als Trainer noch nicht in der ersten Reihe zeigen kann, findet Hölscher beinahe schade. „Vielleicht wäre er sogar mal dran gewesen“, scherzt der 26-Jährige, der aber auch an die Kombination Polzin/Favé glaubt. „Die beiden verstehen sich sehr gut“, weiß er.
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Das soll nun auch schon gegen den KSC zu sehen sein. Dann wird Polzin der Chef sein. „Ich gönne ihm das sehr“, sagt Wegbegleiter Herzberg und hofft, „dass er noch einen Schritt weiter macht und irgendwann Cheftrainer wird“. Vorerst für dieses eine Spiel, aber wer weiß schon, wie lange es dauert, bis Sportvorstand Stefan Kuntz den neuen Trainer gefunden hat. So lange bleiben Polzin und Favé in der ersten Reihe. Ein Hamburger Duo, das im Hier und Jetzt den HSV in die Erfolgsspur führen will – um dann irgendwann womöglich selbst dauerhaft als Chef durchzustarten.
Insider verraten: So ticken die beiden neuen HSV-Chefs Favé und Polzin wurde gefunden bei mopo.de