„Komplett hirnrissig“: Hamburger Festivalmacher äußert sich zu Genozid-Vorwürfen

„Komplett hirnrissig“: Hamburger Festivalmacher äußert sich zu Genozid-Vorwürfen

Eine Kontroverse um die angebliche Unterstützung eines Genozids hat das Line-Up des diesjährigen Booze Cruise Festivals mächtig durcheinandergewirbelt. Nachdem eine britische Punkband auf X (Twitter) den Vorwurf erhob, der Veranstalter unterstütze einen Völkermord an Kindern in Gaza, sprangen reihenweise Bands ab, darunter auch der Headliner. Der Super-GAU eines jeden Festivals. Der Fall steht beispielhaft dafür, wie schnell sich Behauptungen im digitalen Zeitalter verbreiten – und wie vergiftet das Meinungsklima rund um den Nahost-Konflikt inzwischen ist.

Als Stefan Jonas-Stephany eines Sonntags im April auf sein Handy schaute, wusste er, dass er sich inmitten eines Shitstorms befindet. „Ich hatte plötzlich viele neue Kommentare auf dem Instagramprofil unseres Festivals, durch die Bank hassvolles Gepöbel“, berichtet Jonas-Stephany der MOPO. Was war geschehen? Offenbar war die britische Punkband Tripsun darauf aufmerksam geworden, dass der Festivalmacher auf seinem privaten Profil dem Account des „Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft“ und dem „UNRWA Monitor“ folgt.

Hamburg: Festivalmacher äußert sich zu Genozid-Vorwürfen

Die Gesellschaft, deren Präsident der ehemalige Grünen-Politiker Volker Beck ist, setzt sich für die Solidarität mit Israel und die Völkerverständigung zwischen den beiden Staaten ein. Die Initiative „UNRWA Monitor“ befasst sich kritisch mit der Arbeit des Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge der Vereinten Nationen.

Festivalbetreiber Jonas-Stephany veröffentlichte eine Reihe von Instragram-Screenshots, die die Reaktionen von Nutzern zeigen – auch von der Band Tripsun.
hfr/Bearbeitung: MOPO

Festivalbetreiber Jonas-Stephany veröffentlichte eine Reihe von Instragram-Screenshots, die die Reaktionen von Nutzern zeigen – auch von der Band Tripsun.

In Bezug auf den Krieg in Israel und Gaza hatte Tripsun sich bereits in der Vergangenheit in den sozialen Medien entschieden pro-palästinensisch positioniert. In einem Post auf X warf die Band Jonas-Stephany vor, er sei „ein bestätigter Zionist, der den Genozid an mehr als 14.000 Kindern unterstützt“ („a confirmed zionist who supports the genocide of 14K+ children“). Die Gruppe forderte Bands, die auf dem Festival spielen, auf, sich zu distanzieren.

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„Die Vorwürfe sind komplett hirnrissig“, sagt Jonas-Stephany. „Ich bin gegen Antisemitismus, das macht mich auf gar keinen Fall zu einem Genozid-Befürworter.“ Er sei grundsätzlich gegen Krieg, wünsche sich zwei friedliche Staaten, die Hamas inhaftiert und den israelischen Präsidenten Benjamin Netanjahu aus dem Amt. Palästinenser sollten die Freiheit haben zu reisen, zu arbeiten und zu lieben, wen sie wollen.

15 Bands sagten ihre Teilnahme ab

Kurz nachdem die Anschuldigungen publik wurden, veröffentlichte der Festivalbetreiber ein Statement, in dem er seine Position darlegte. Doch das vermochte die Wogen nicht zu glätten. „Seitdem habe ich viele Hass-Botschaften, Fotos von toten Kindern und andere fiese Mails bekommen.“ Auch Morddrohungen habe er erhalten.


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Als Reaktion auf die Vorwürfe zogen rund 15 Bands ihre geplante Teilnahme vom Festival zurück. Auch der Headliner, Jeff Rosenstock aus den Vereinigten Staaten, sagte ab, wenige Wochen vor dem geplanten Start am 31. Mai. Eine Katastrophe. Man sei gerade dabei, ein neues Line-Up zusammenzustellen, sagt Jonas-Stephany. „Für uns steht fest, dass wir das Festival auf jeden Fall durchziehen.“

2024 soll zum letzten Mal auf der Elbe gefeiert werden

Nach zehn Jahren soll das Booze Cruise Festival 2024 zum letzten Mal veranstaltet werden, nämlich vom 31. Mai bis zum 2. Juni. Drei Schiffe fahren die Elbe rauf und runter, auf denen Dutzende Punk-, Hardcore- und Indie-Künstler ihre Songs zum Besten geben. Daneben wird in verschiedenen Locations an Land gefeiert, zum Beispiel im Molotow und dem Hafenklang.

Beim Booze Cruise Festival treten Punk-, Hardcore- und Indie-Musiker auf (Archivbild 2019).
Alexander Schliephake

Beim Booze Cruise Festival treten Punk-, Hardcore- und Indie-Musiker auf (Archivbild 2019).

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Was trotz des Shitstorms Mut macht: Viele Gruppen, vor allem aus Mitteleuropa, hätten sich solidarisch gezeigt, berichtet der Festivalbetreiber. „Besucherinnen und viele Bands halten nach wie vor zu uns und sind über die Vorwürfe genauso entsetzt wie wir selbst.“

„Komplett hirnrissig“: Hamburger Festivalmacher äußert sich zu Genozid-Vorwürfen wurde gefunden bei mopo.de

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