Der Hamburger Kiez ist bekanntermaßen kein Ort, an dem man sich wohl und sicher fühlt. Vor allem Frauen nicht. Blicke, Sprüche, Gedränge, Gegrabsche. An diesem kalten Dienstagabend ist das in einem Club an der Reeperbahn ganz anders: Der deutsche Singer-Songwriter Mayberg trat in der ausverkauften „Großen Freiheit 36“ auf – und sorgte mit seiner Art und seinem Show-Konzept für eine friedliche, freundliche Stimmung. Der 24-Jährige ist das Gegenteil von toxischer Männlichkeit. Über ein Konzert, das Hoffnung macht.
Der Januar zeigt sich an diesem Tag von seiner hässlichen Seite. Die Sonne schafft es kaum durch die graue Wolkendecke, der Nieselregen sprüht einem ins Gesicht. Viele gehen mit Kapuze auf dem Kopf und schnellen Schrittes über die Reeperbahn. Bloß schnell rein.
Tourauftakt in Hamburg: Mayberg in der „Großen Freiheit“
Voll ist es in dem ausverkauften Club. Vor allem junge Leute sind hier, viele Frauen in den Zwanzigern. Der 24-jährige Singer-Songwriter startet an diesem Dienstag in Hamburg seine Tour.
Mayberg – bürgerlich Luis Raue – kommt um Punkt 20 Uhr auf die Bühne. Während der ersten Songs sieht man ausschließlich seine Silhouette: Viel Nebel und ein Meer aus warmen Lichtern umschließen ihn. Diese Wärme, sie zieht sich durch den gesamten Auftritt. Mayberg wirkt sympathisch, nahbar, ehrlich.
„Vielen, vielen Dank, dass ihr gekommen seid.“ Das sind abgedroschene Satzhülsen, die die allermeisten Künstler:innen immer und immer wieder dem Publikum zuwerfen. Doch Mayberg nimmt man diese Dankbarkeit ab, wenn er da mit seinen zerzausten Haaren und der Gitarre um die Schulter auf der Bühne steht und lächelt.
Maybergs Stärke liegt in den Texten
Die Lieder von Mayberg, sie erfinden das Rad wahrlich nicht neu. „Nur ein bisschen“, „Hilferuf“, „Anomalie“ und Co. sind solide Indie-Pop-Songs, teilweise mit Elektro-Einfluss. Ihre Stärke liegt meistens in den Texten, die es schaffen, die Gefühlswelten von jungen Menschen einzufangen. „Nett, dass du fragst / Doch ich komm‘ nur, wenn es sich lohnt“ singt Mayberg zum Beispiel mit seiner tiefen, gefühlvollen Stimme und bezeichnet dieses Eigeninteresse als den „neuen Stil meiner Generation“.
Doch dieser „Stil“, in der „Großen Freiheit 36“ ist er an diesem Abend nicht zu spüren. Das Publikum ist rücksichtsvoll, aufmerksam, freundlich zu einander.
Nachhaltiges Merchandise-Konzept
Für Mayberg spielt das Thema „Awareness“ eine große Rolle. Im Vorfeld bat er auf Instagram unter anderem darum, bei seinen Konzerten die „individuellen Grenzen anderer Menschen zu respektieren“, sein T-Shirt anzulassen, Hilfe zu holen, wenn andere Unterstützung brauchen. Eine Durchsage vor Beginn des Konzerts macht noch einmal auf dieses Konzept aufmerksam. Ruhe im Club, das Publikum hört aufmerksam zu.
Auf seiner Tour gibt Mayberg an jedem Abend einer Organisation die Plattform, einen Infostand bei der Garderobe aufzubauen. Am Dienstag verteilen Mitglieder von „Fridays for Future“ Flyer. Auch das Merch-Konzept soll besonders nachhaltig sein: Anstatt neue Hoodies oder T-Shirts zu verkaufen, kann jeder Fan ein eigenes Kleidungsstück mitbringen und dieses vor dem Konzert abgeben. Während der Show wird dann ein feststehendes Motiv mit einer Siebdruckmaschine darauf bedruckt.
„Begegnet euch auf Augenhöhe“
Es ist das Gegenteil von toxischer Männlichkeit, das Mayberg verkörpert. Gesunde Männlichkeit sozusagen. „Passt auf euch auf“, sagt der 24-Jährige und mahnt zu Ausgewogenheit in Beziehungen: „Begegnet euch auf Augenhöhe.“ Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch dass solche Sätze positiv in Erinnerung bleiben – es sagt viel über die aktuellen gesellschaftlichen Diskurse aus.
„Wenn ihr tanzen wollt, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür – aber bitte achtet auf den Raum, den ihr einnehmt“, kündigt Mayberg ein Elektro-Intermezzo an. Dieses spielen er und seine Band in der Mitte des Raums auf einer zweiten, kleinen Bühne.
Die „Große Freiheit“ hüpft
„Bandmusik“ und elektronische Musik – das seien zwei Herzen, die in seiner Brust schlagen, sagt Mayberg. Im vergangenen Jahr spielte er eine kleine Club-Tour, bei der er seine Songs ausschließlich in einem Elektronik-Gewand präsentierte. Die tanzbare Musik bringt die Fans auch an diesem Dienstagabend zum Hüpfen. Der Höhepunkt des Konzerts.
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„Ich hätte keinen schöneren Tourstart haben können“, sagt Mayberg. Nach eineinhalb Stunden verabschiedet er sich von der Bühne. Die gute Nachricht: Am heutigen Mittwoch tritt er um 19 Uhr nochmal in der „Großen Freiheit“ auf. Die schlechte Nachricht: Alle Karten sind schon weg.
Doch das macht auch Hoffnung. Hoffnung, dass in Zeiten von Lügen, Hass und Vorurteilen auch Freundlichkeit, Ehrlichkeit und Aufmerksamkeit noch gut ankommen. Ein Glück.
Mayberg in Hamburg: Das Gegenteil von toxischer Männlichkeit wurde gefunden bei mopo.de