Zertreten, abgefackelt oder beschmiert: „Hier ist jedes zweite Wahlplakat betroffen“

Zertreten, abgefackelt oder beschmiert: „Hier ist jedes zweite Wahlplakat betroffen“

Hitlerbärtchen oder Hasenohren aufmalen, diese Art der Plakatverschandelung hat wirklich einen Bart, so lange gibt es sie schon. Aber der Umfang, in dem jetzt vor der aktuellen Bezirks- und Europawahl Schilder in der ganzen Stadt demoliert, geklaut und beschmiert werden, das ist neu. In mehreren Fällen wurden Plakate von SPD und FDP sogar abgefackelt. Was steckt dahinter? Ist das jugendliche Zerstörungswut? Oder Zeichen einer massiven Politikverdrossenheit?

Daniel Valijani (42) ist maximal frustriert. Der FDP-Bezirksabgeordnete aus Wandsbek kandidiert erneut, stellt seine Plakate selbst auf, trägt ein Großteil der Kosten und investiert viel Zeit in sein politisches Amt, „und dann werden einem ständig Plakate geklaut, beschmiert und jetzt wurde sogar eins abgefackelt“, erzählt der Mann aus Sasel. In diesem Fall will er nun auch Anzeige erstatten. „Das war neben einem Fitnessstudio und dicht bei einer Pferdeweide, das ist doch sogar gefährlich, weil es übergreifen kann.“

Beschmierte Wahlplakate: alle Parteien betroffen

Valijani schätzt, dass von den rund 900 Plakaten, die er und eine weitere FPD-Kandidatin vor Ort aufgestellt haben, aktuell nur noch 250 stehen. „Ich bin froh, wenn dieser Wahlkampf vorbei ist, so frustrierend ist das.“ Er meint, eine Verrohung der Sitten in den demolierten Plakaten auszumachen, „die Hemmschwelle für Zerstörung und andere Gewalt sinkt.“ Und ihn frustriert, dass dabei jede Menge Klischees gepflegt werden und seine Plakate demoliert werden, weil jemand etwas gegen die FDP hat. „Nur weil ich in der FDP bin, bin ich nicht wohlhabend geboren. Ich bin im Plattenbau aufgewachsen und hab auch schon früh morgens in der Gebäudereinigung gearbeitet.“ Chancengleichheit für alle Kinder der Stadt ist ihm wichtig.


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Bei Touren durch die Stadt sind der MOPO an jeder Ecke zerstörte oder beschmierte Plakate aufgefallen – wo viele Menschen leicht zu Fuß hinkommen, da sind es am meisten. Beispielsweise in Ottensen in der Fußgängerzone oder in Seitenstraßen in Altona. Verschont wurde dabei keine Partei.

Die ganze Stadt ist übersät mit beschmierten und zerstörten Plakaten. Bei Sahra Wagenknecht hat jemand richtig Kraft aufgewendet.
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Die ganze Stadt ist übersät mit beschmierten und zerstörten Plakaten. Bei Sahra Wagenknecht hat jemand richtig Kraft aufgewendet.

Die Schmierereien sind teils völlig inhaltsleer, aber teils auch mit weitgehend politischen Botschaften versehen, wie „Lügner“ oder „Kriegstreiber“ oder „Cum-Ex?“. Teils sind es schlicht Diffamierungen des Aussehens von Kandidaten. Und: Wo gewütet wurde, da haben die Täter auch gleich in großer Zahl Plakate zerstört oder beschmiert.

Bei der FDP wurde ein Plakat abgefackelt.
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Bei der FDP wurde ein Plakat abgefackelt.

Gekämpft wird dabei zumeist mit dem Holzhammer (Hitlerbart), Florett gibt es selten. Eine Ausnahme: Mit viel Mühe hat jemand bei einem CDU-Plakat zu Fußgängern, Radfahrern und Autos aus dem Wort „Versöhnung“ den Buchstaben „s“ entfernt und passgenau in gleicher Schrift und Farbe durch ein „h“ ersetzt, so dass dort „Verhöhnung“ steht.

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„Die Zerstörung unserer Plakate hat ein Ausmaß angenommen, das hätte ich in meinen schlimmsten Träumen nicht erwartet“, sagt auch Roland Hoitz (44), Kandidat und parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Bezirk Mitte. „Etwa jedes zweite CDU-Plakat wird derzeit zerstört.“

Bei der SPD steht auf vielen Plakaten „Kriegstreiber“, bei anderen steht „Lügen“.
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Bei der SPD steht auf vielen Plakaten „Kriegstreiber“, bei anderen steht „Lügen“.

Ein Einzelfall blieb zum Glück eine Attacke auf den SPD-Politiker Olcay Aydik (26) aus Hamm. Unbekannte hatten ein Plakat zerstört und Rasierklingen so montiert, dass er sich beim Wegnehmen eines Plakates am Hammer Wochenmarkt böse an der Hand schnitt. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) postete auf Instagram ein angezündetes Plakat und schreibt dazu: „Wer Wahlkämpfer:innen körperlich angreift oder ihr Wahlkampfmaterial zerstört, stellt sich auf eine Stufe mit Menschen, die unser Staatssystem abschaffen wollen. Das geht gar nicht!“

Zertreten, abgefackelt oder beschmiert: „Hier ist jedes zweite Wahlplakat betroffen“ wurde gefunden bei mopo.de

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