„Mist, was ist das denn?” Sind die Grünen nicht mehr cool, Frau Fegebank?

„Mist, was ist das denn?” Sind die Grünen nicht mehr cool, Frau Fegebank?

Die Wahlergebnisse für die erfolgsverwöhnten Hamburger Grünen: ernüchternd. Woran liegt’s? Die MOPO sprach mit Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank über die Bedeutung von Coolness in der Politik, über den Moment, als sie dachte „Mist, was ist das denn?” und über die neue Partei auf Hamburgs politischer Bühne.

Die Grünen wurden sowohl bei der EU-Wahl als auch in den Bezirken ganz schön abgestraft, wie sehr schmerzt das?

Katharina Fegebank: Klar, als ich den grünen Balken bei den deutschlandweiten Ergebnissen gesehen habe, habe ich gedacht: Mist, was ist das denn? Bei dem Europawahlergebnis im Bund sind wir meilenweit von unserem Anspruch, eine Volkspartei zu sein, entfernt. Andererseits: Wenn man ein, zwei Nächte drüber geschlafen hat und sich die Hamburger Ergebnisse nochmal anschaut, dann freut man sich auch.

Sie freuen sich?

Ja! Wir sind bei der Europawahl stärkste Kraft in Hamburg und haben das beste grüne Ergebnis aller Bundesländer eingefahren. Und bei den Bezirkswahlen haben wir zwar Prozente verloren, liegen aber immer noch in drei Bezirken auf Platz eins und im Schnitt bei 24 Prozent, das ist ein guter Wert.

2019 haben Sie teilweise deutlich über 30 Prozent in den Bezirken geholt.

Und da sind wir wieder bei den gemischten Gefühlen: 2019 haben wir gesehen, was für uns drin ist, wenn alles zusammenpasst. Damals waren alle genervt von der GroKo, die Klimabewegung hatte ihre Hochphase, die jungen Leute sagten zu ihren Eltern und Großeltern: Wählt diesmal bloß die Grünen! Der Zeitgeist war auf unserer Seite und wir konnten unser Potential voll heben. Unsere Perspektive muss sein, da wieder hinzukommen.

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Früher waren die Grünen ja bei den Erstwählern angesagt, nun haben sich viele junge Wähler sehr rechts positioniert. Was ist da passiert?

Durch meine Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, aber auch im privaten Umfeld war mir schon klar, dass sich da was verändert hat in den letzten Jahren. Die Erstwähler kommen aus harten Coronajahren, viele machen sich Sorgen um die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Vor fünf Jahren war der Klimawandel das überragende Thema, da wurde uns von den Jugendlichen viel zugetraut. Dieser Zukunftsoptimismus ist weg. Jetzt sorgen sich viele Menschen, wie sie ihren Alltag bezahlen sollen und haben Zukunftsängste. Diese Generation wird von einer Krise in die nächste gezerrt. Da müssen wir uns fragen: Wie finden wir darauf die richtigen Antworten, wo holen wir die Jugendlichen ab und mit welchen Worten können wir wieder Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln? Welches Angebot müssen wir machen, damit die Jugendlichen uns wieder zutrauen, das Ruder herumzureißen? Man muss aber auch sehen: Die jungen Leute haben breit gestreut gewählt, das ist ja keine homogene Gruppe.

Die Kleinpartei Volt hat bei den Bezirkswahlen sehr abgesahnt, wie sehen Sie diesen Neuzugang auf Hamburgs politischer Bühne?

Alle Achtung! Da kann man nur gratulieren, auch wenn uns der Erfolg von Volt ein paar Prozentpunkte gekostet hat. Die haben eine smarte und interessante Hingucker-Kampagne gefahren. Deren Erfolg zeigt aber auch: Die Themen, die ja auch unsere Themen sind, haben für Hamburgerinnen und Hamburger hohe Relevanz.

Sind die Grünen nicht mehr cool genug?

Die Frage ist ja eher: Muss man das sein? Cool und sexy? Ich denke, es geht um etwas anderes. Um eine breite Verankerung in der Gesellschaft, um die Vermittlung der Botschaft ‚Da ist eine Partei, die hat unsere Probleme erkannt und löst sie‘. Und dann kommt der Spagat: Einerseits wird erwartet, dass wir Veränderungen voranbringen, durchaus auch mit einer gewissen Radikalität, und andererseits müssen wir anschlussfähig sein für die Mitte der Gesellschaft.

Klingt fast unmöglich.

Es kann aber gelingen, wenn man den Menschen vermittelt, dass man Probleme erkennt und auch lösen kann. Und wenn man es gleichzeitig schafft, in diesen düsteren Zeiten wieder Hoffnung auszustrahlen. ‚Wir kriegen das hin‘, das muss die Botschaft sein. Das schafft Vertrauen und es motiviert positiv.

Das ist tatsächlich Ihre Überzeugung?

Ja. Es gibt die Sehnsucht nach einer politischen Kraft der Mitte, die sich um die Probleme kümmert und gleichzeitig eine Idee für die Zukunft hat – in der Stadt, auf dem Land, in Europa. Das haben wir bisher zu wenig gemacht.

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Was heißt das mit Blick auf die Bürgerschaftswahl?

Wir haben eine gute, stabile Basis in der Stadt. Wir sind die einzige Partei, die bei den aktuellen Europa-, Bezirks-, Bundestags- und Bürgerschaftswahlen immer über 20 Prozent in Hamburg geholt hat. Das ist ein Absprungbrett und ich nehme da viel Lust und Motivation wahr mit Blick auf die Bürgerschaftswahl. Und auch wenn wir jetzt einige Prozente verloren haben gehen wir nicht in Sack und Asche, sondern gucken was müssen wir besser machen müssen und dann: wieder voll angreifen. Das ist jetzt unsere Aufgabe.

„Mist, was ist das denn?” Sind die Grünen nicht mehr cool, Frau Fegebank? wurde gefunden bei mopo.de

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