Wilhelm und Waltraut: Seit 70 Jahren verheiratet – wie schafft Ihr das?

Wilhelm und Waltraut: Seit 70 Jahren verheiratet – wie schafft Ihr das?

1954 in Hamburg, Kurt Sieveking ist Bürgermeister, die Werften dürfen endlich wieder große Schiffe bauen, die Stadt erlebt die Anfänge des Wirtschaftswunders – da tritt in der Flottbeker Kirche ein junges Paar vor den Altar: Waltraut und Wilhelm Schneider. 70 Jahre später feiern die beiden Hand in Hand die Gnadenhochzeit. Wie schafft man das, nach so vielen Jahrzehnten noch so lieb zu einander zu sein?

„Willi“ und „Walli“, so nennen sich die beiden gegenseitig. Sie ist 94 Jahre alt, er 98, sagt aber lieber: „Nächstes Jahr werde ich 100!“ Wo er seine Walli das erste Mal gesehen hat, das weiß Wilhelm Schneider noch genau: beim Tanztee auf dem Süllberg in Blankenese. „Da kann man von einer Balustrade runter auf die Tanzfläche gucken und da war sie, sie trug ein wunderschönes Kleid.“ Ungünstig: Wilhelm konnte nicht tanzen und die unbekannte Schöne war in Begleitung eines Herrn: „Als der mal kurz rausmusste, bin ich runter und hab sie angesprochen.“ Schnell musste er sein, der Rivale kam ja bald zurück, aber das Glück war auf Willis Seite: „Ich habe es geschafft: Wir haben uns verabredet.“ Waltraut lächelt, die wachen Augen blitzen: „Er war wirklich sehr hübsch.“ Außerdem, ergänzt der gelernte Tischler: „Wir haben uns angeguckt und da war gleich ein Kontakt.“

Hochzeit am 5. Juni 1954

Also war am 5. Juni 1954 Hochzeit, in kleinem Kreis, in Flottbek bei Wilhelms Familie. Das Hochzeitsfoto zeigt ein bildschönes Paar, Waltraut hübsch frisiert im schlichten Kostüm, Wilhelm stolz lächelnd im Anzug: „Man hatte damals nicht viel“, sagt die Braut 70 Jahre später. Aus einem Dorf bei Brunsbüttel stammt sie, hat in einer Drahtzieherei in Hamburg gearbeitet. „Mit 24 war ich schon eine alte Braut für damalige Verhältnisse.“

Hochzeit am 5. Juni 1954: Waltraut und Wilhelm Schneider mit ihren jeweiligen Vätern
Privat.

Hochzeit am 5. Juni 1954: Waltraut und Wilhelm Schneider mit ihren jeweiligen Vätern

Wilhelm war 28, hatte mehrere Jahre in einem Lager in Ägypten gelebt, als britischer Kriegsgefangener. „Gottseidank war er nicht bei den Russen“, sagt Waltraut: „Die Männer aus Russland kamen kaputt zurück.“ Ihr Wilhelm aber war immer nett und freundlich, „und lieb zu den Kindern“. 1956 zog das junge Paar mit dem ersten Sohn in eine Genossenschaftswohnung nach Fuhlsbüttel. Neubau, drei Zimmer, alles vom Feinsten, für 50 Mark Monatsmiete. Als Spätheimkehrer wurde Wilhelm bei der Wohnungsvergabe bevorzugt. Zwei Söhne und eine Tochter zogen sie hier auf, die Kinder teilten sich zwei Kinderzimmer, die Eltern schliefen im Wohnzimmer, ging alles. Nach 68 Jahren leben die beiden immer noch in denselben vier Wänden.

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Was nun das Geheimnis einer so langen Liebe ist? Die beiden überlegen. „Dass man tolerant ist und sich nach einem Streit auch wieder verträgt“, sagt Waltraut. Und Wilhelm: „Dass es uns miteinander nie langweilig wurde.“ Als die „Kinder“, heute 60, 65 und 70 Jahre alt, aus dem Haus waren, sahen „Willi und Walli“ sich die Welt an: „Praktisch war, dass wir überall Verwandtschaft haben, in Amerika, Australien, Spanien, Kroatien“, sagt Wilhelm. Und wenn es nicht in die Ferne ging, dann an die Nordsee, wo Wilhelm, der begnadete Heimwerker, der stetig wachsenden Familie (sechs Enkel! vier Urenkel!) eigenhändig ein Ferienhaus hinterm Deich gebaut hat. Ständig am Pusseln war er da. Dahin fahren sie immer noch mehrere Wochen im Sommer. „Es ist ein Segen, dass wir uns immer noch haben“, sagt Waltraut und sieht ihren Mann liebevoll an. Das Tanzen hat sie Willi später übrigens auch noch beigebracht.

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