Vom Chaoten zum HSV-Flitzer: So wurde Owen Ansah zum schnellsten Deutschen

Vom Chaoten zum HSV-Flitzer: So wurde Owen Ansah zum schnellsten Deutschen

In Braunschweig lief HSV-Leichtathlet Owen Ansah als erster Deutscher die 100 Meter unter zehn Sekunden. Seitdem steht der Hamburger im Fokus. Als Sprint-Hoffnung für Olympia, aber auch als Angriffsziel von Rassisten im Netz. Ein Farmsener auf dem Weg nach Paris. Das ist seine Geschichte.

Das ist nun der Lohn. „Er wird wieder etwas härter trainieren dürfen“, kündigt Sebastian Bayer an, der fürs Wochenende alle Startanfragen seines Schützlings abgesagt hat. Der neue deutsche 100-Meter-Rekordhalter soll Anfang August seine Höchstform erreichen. Dafür wird auf Sportfestprämien verzichtet, auch wenn der Marktwert Ansahs seit Samstag rasant gestiegen ist. 

Ansah hat auf den Rekord „mein ganzes Leben hintrainiert“

9,99. Die Zahl steht groß auf einem gerahmten Foto, das der HSV ihm überreicht hat. Ansah im Sprint mit der Raute auf der Brust. 10,00 hätte nicht darüber gepasst. Und nicht für so viel Furore gesorgt. Der schnellste Deutsche aller Zeiten. „Ich hätte nicht gedacht, dass sich so viele Menschen für Leichtathletik interessieren“, staunt der 23-Jährige. 

Owen Ansah nach seinem Rekordlauf in Braunschweig
imago/Beautiful Sports

Owen Ansah nach seinem Rekordlauf in Braunschweig

9,99. Eine Zahl wie ein Blitz. Und das Ticket nach Paris. Ansah wird einer von 56 sein, die bei den Olympischen Spielen darum streiten, wer der schnellste Mensch der Welt ist.

„Darauf habe ich mein ganzes Leben hintrainiert“, sagt Ansah, der in Farmsen aufgewachsen ist und in Wellingsbüttel zur Schule ging, wo ein Sportlehrer auf ihn aufmerksam wurde. 2018 schloss er sich der HSV-Leichtathletik an, die damals mehr Leistungssport anstrebte. „Wir konnten unseren Talenten nicht mehr die Möglichkeit geben, sich hier weiterzuentwickeln“, erklärt Anne Gnauk: „Das wollten wir ändern.“

2019 hätte Trainer Bayer die Zusammenarbeit mit Ansah fast beendet

Seit 2019 trainiert Bayer den Sprinter. „Tendenziell war er eher der Chaot, gefühlt einen halben Meter kleiner, schmächtig und mit sehr vielen Flausen im Kopf“, erinnert sich der Weitsprung-Europameister von 2012: „Hätte er 2019 so weitergemacht, hätte ich ihn 2020 nicht mehr trainiert.“

Trainiert habe er damals nach Lust und Laune, sagt Ansah. Und Lust hatte der damals 18-Jährige eben nicht immer. Ein Tapetenwechsel stand an. 2021 zog Ansah aus dem Hamburger Elternhaus nach Mannheim, dem Wohnort des Trainers. „Ich bin in Mannheim professioneller geworden“, betont Ansah: „Dort kann ich voll und ganz beim Sport sein.“

In Hamburg war er wieder Anfang der Woche, um mit der Verwandtschaft zu feiern. Seinem Vater hing er dabei die Goldmedaille für den Deutschen Meister um. Auch er war ein Sprinter, der 1988 nach Deutschland kam. „Es ehrt mich, dass ich meine Familie glücklich machen kann“, sagt der Sohn.

Ansah über Rassismus: „Geht ins eine Ohr rein und aus dem anderen raus“

Zur Realität 2024 gehört auch, dass ein schneller Deutscher nicht alle Deutschen glücklich macht. In Sozialen Medien wurde Hass ausgeschüttet wegen der Hautfarbe Ansahs und der Herkunft der Eltern aus Ghana. „Das geht ins eine Ohr rein und aus dem anderen Ohr raus“, kommentiert Ansah die Anfeindungen. 

Bis 2025 läuft er für den HSV, eine Vertragsverlängerung ist absehbar. „Hier bin ich groß geworden, der Verein hat mich auch durch meine Verletzung getragen.“ Gerade im Vorjahr, als ein Schambeinödem ihn lange zum Zuschauen zwang. 

Trainer Bayer hofft bei Ansah auf das Olympia-Halbfinale

Wie weit kann es in Paris gehen? „Wenn alles super läuft, habe ich drei Runden: Vorlauf, Halbfinale, Finale.“ Sein Trainer ist skeptischer. „Die Zeit reicht normal nicht fürs Finale“, sagt Bayer: „Alles übers Halbfinale hinaus wäre das Sahnehäubchen.“

2021 reichten 9,99 Sekunden für den Endlauf. Ansah wäre der erste Deutsche in einem olympischen 100-Meter-Halbfinale seit Christian Haas 1984. Der erste Deutsche im Endlauf seit Klaus-Dieter Kurrat 1976. Die letzte Medaille gewann 1960 Olympiasieger Armin Hary. 

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„Ich will zeigen, was ich drauf habe“, sagt Ansah. „Wenn ich meine gute Laune behalte, kommt alles von allein.”

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