UN-Generalversammlung | Baerbock und China: Die Faust ist in der Tasche

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China hält Wladimir Putin den Rücken frei, während der Kremlchef weiter seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Deutschland versucht nun bei der UN-Generalversammlung, den Druck auf Peking zu erhöhen. Mit Erfolg? Aus New York berichtet Patrick Diekmann. Für sie ist es kein einfacher Start in die UN-Woche. Noch vor dem offiziellen Beginn der UN-Generaldebatte in New York trifft Außenministerin Annalena Baerbock ihren chinesischen Amtskollegen Wang Yi. China und Baerbock? Das passte bislang eigentlich nicht zusammen. Bei ihrem China-Besuch im April 2023 lieferte sich die Grünen-Politikerin einen Schlagabtausch mit Wangs Vorgänger Qin Gang. Wenige Monate später nannte Baerbock den chinesischen Präsidenten Xi Jinping einen “Diktator”. Baerbock gilt als Motor dafür, dass die Bundesregierung Deutschlands Abhängigkeit gegenüber der Volksrepublik verringert. Es kann also durchaus eisig werden, wenn Baerbock auf chinesische Funktionäre trifft. Glaubt man chinesischen Diplomaten, lobt man in Peking den Austausch mit Bundeskanzler Olaf Scholz oder mit Wirtschaftsminister Robert Habeck . Aber Baerbock würde keine Einladung mehr nach China bekommen, heißt in diplomatischen Kreisen. Das Tischtuch sei zerschnitten. Trotz allem fühen Baerbock und Wang auch in der UN-Woche direkte Gespräche miteinander. Über den Inhalt dringt nach außen wenig, es soll eher ein Austausch bekannter Positionen zwischen Deutschland und China gewesen sein. Doch eines liegt auf der Hand: Auch Baerbock begegnet der chinesischen Führung mit einer Strategie, die US-Regierung unter Joe Biden gegenüber China verfolgen: Eine Hand ist ausgestreckt, aber auch eine Faust ist in der Tasche. Xi hält Putin den Rücken frei Das bedeutet in erster Linie, dass der Westen China immer wieder Kooperationsangebote machen wird. Auch die Bundesregierung sieht natürlich das Problem, dass große globale Herausforderungen, wie die Bekämpfung der Klimakrise, nur mit China gelöst werden können. US-Präsident Biden rief etwa in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung am Dienstag China zu mehr Zusammenarbeit auf – die ausgestreckte Hand. Er kritisierte Peking allerdings auch scharf wegen der chinesischen Unterstützung für Putin, wegen unfairer Wirtschaftspraktiken, Spionage und aggressiver Expansionspolitik im Südchinesischen Meer – die Faust. Baerbock versucht in New York zumindest, den Gesprächsfaden nach China nicht abreißen zu lassen. Auch, wenn man sich in zentralen geopolitischen Fragen vor allem über eines einig ist: Dass man sich uneinig ist. Deutschland sieht vor allem die chinesische Rolle im Ukraine-Konflikt kritisch. Der chinesische Präsident Xi Jinping möchte, dass sein strategischer Partner Putin den Krieg gewinnt. Er liefert zwar noch keine Waffen direkt an die russische Armee, aber die Volksrepublik schickt einige “Dual Use”-Güter, die auch militärisch benutzt werden können. So soll der Motor einer russischen Angriffsdrohne in China produziert werden. Außerdem erhält Russland Waffen aus Nordkorea , die in einer so großen existenziellen Abhängigkeit von China sind, dass derartige Lieferungen ohne die Zustimmung Pekings unwahrscheinlich ist. China sucht nach Schadensbegrenzung Für China ist der Ukrainekrieg aber in jeder Hinsicht ein Ärgernis. Denn der Krieg zwingt Peking zu einem unangenehmen Balanceakt. Es gilt als wahrscheinlich, dass die chinesische Führung damit gerechnet hat, dass Russland den Krieg schnell gewinnen wird. Doch Putin hat sich seit zweieinhalb Jahren in diesem Konflikt verrannt und es könnte noch eine längere Zeit so weitergehen. Und China folgt derzeit vor allem der diplomatischen Strategie, für sich selbst – mit Blick auf Europa – politische Schadensbegrenzung betreiben zu wollen. Eines möchte Peking um jeden Preis verhindern: weitere westliche Sanktionen gegen China. Die eigene Wirtschaft befindet sich schon seit Ende der Corona-Pandemie in einer sehr angespannten Phase. Weitere Handelskonflikte mit dem Westen möchte die chinesische Führung verhindern. Doch mit Blick auf die Ukraine sind die chinesischen Vorstöße eher symbolisch. Zwar bewirbt Peking einen chinesisch-brasilianischen 6-Punkte-Plan für Frieden in der Ukraine, der Moskau und Kiew an den Verhandlungstisch bringen soll. Aber dieser Plan bekräftigt bewusst nicht die territoriale Souveränität der Ukraine in ihren Staatsgrenzen und die chinesische Führung ist sich darüber bewusst, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj diesen Plan nicht akzeptieren kann. Deswegen wirft der Westen Peking oft vor, nicht wirklich an Frieden interessiert zu sein. Und in der Tat: China verlieh seinen Plänen für Frieden bislang nicht wirklich politischen Nachdruck. Es schien so, als wolle Peking mit seinen Vorstößen lediglich vermitteln, dass China mit seinem Selbstverständnis als verantwortungsvolle Supermacht eben nicht nur an der Seitenlinie steht und zuschaut. Doch Xi übt keinen Druck auf Putin aus, er hält ihm den Rücken frei. Peking möchte gute Beziehungen nach Europa Deswegen erhöhen vor allem europäische Länder wie Deutschland wiederum den Druck auf China. Peking sieht die USA zwar als zentralen Gegner im Ringen um eine neue globale Ordnung. Aber Xi braucht Europa weiterhin als Absatzmarkt. Deswegen ist es auch für Deutschland durchaus ein Hebel, Peking zu vermitteln, dass der chinesische Ruf in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik extrem glitten hat, aufgrund der chinesischen Unterstützung für Putin. Diese Mahnungen zeigen bisher kaum Wirkung auf die chinesische Außenpolitik. Aber je länger der Ukrainekrieg dauert, desto mehr gerät auch Peking unter Druck. Der politische Schaden für Xi wird in Europa immer größer. Auch Deutschland möchte ihm zumindest die Tür offenhalten, sollte China Interesse daran entwickelt, Putin in die Schranken zu weisen. Denn für die chinesische Wirtschaft hat der Handel mit Europa Priorität und Peking möchte auf keinen Fall die Brücken zum Westen abbrennen, so wie Putin es getan hat. Strategisch möchte China bestenfalls möglichst viele europäische Staaten aus ihrem Bündnis mit den USA lösen. Deswegen kritisieren chinesische Politiker immer die USA, lassen dabei die amerikanischen Verbündeten in Europa allerdings aus. Peking möchte bestenfalls Freihandel mit Europa und etwa keine europäischen Zölle gegen chinesische Elektroautos. Auch deshalb ist die chinesische Führung an einem Dialog mit Deutschland interessiert, weil auch die deutsche Wirtschaft Autozölle kritisch sieht. Somit hat interessanterweise auch China eine Hand in Richtung Europa ausgestreckt und gleichzeitig – vor allem gegenüber den USA – eine Faust in der Tasche. Das Problem für die internationale Politik ist allerdings, dass die ausgestreckte Hand in Reden vorkommt und eher symbolisch ist. Der Westen wird einen Sieg Putins in der Ukraine nicht akzeptieren und China will Russland nicht verlieren lassen. Deswegen bewegt sich seit vielen Monaten politisch nicht viel – trotz zahlreicher Gespräche zwischen China und auch Deutschland. So ist es bisher auch in New York.

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