Insider packen aus: So manipuliert die Wettmafia Fußballspiele

Insider packen aus: So manipuliert die Wettmafia Fußballspiele

In den vergangenen Wochen ist durch die MOPO-Recherchen der Verdacht aufgekommen, dass im deutschen Fußball mindestens 17 Spiele zum Zweck des Wettbetrugs manipuliert wurden. Die Ergebnisse dieser Partien sollen schon vor dem Anpfiff festgestanden haben, um mit entsprechenden Sportwetten hohe Gewinne zu erzielen. Wie aber funktioniert das überhaupt? Wie kann man ein genaues Spielergebnis planmäßig herbeiführen? Und wie kommen Kriminelle mit Spielern, Trainern oder Schiedsrichtern in Kontakt? Die MOPO hat sich mit Insidern unterhalten und offizielle Dokumente eingesehen, die einen Einblick geben, wie eine solche Spielmanipulation im Fußball ganz konkret abläuft.

Fakt ist: Selbst in kriminellen Netzwerken gibt es keine genaue Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man ein Fußballspiel am besten manipuliert. Aber es gibt Methoden, Tricks und Techniken, die die Täter gezielt anwenden können, verrät ein Insider der MOPO. Er bleibt zu seinem Schutz anonym, denn er hat Kontakte zur Wettmafia und zur organisierten Kriminalität. Diese Spur führt meist nach Asien – dort ist Spielmanipulation ein immenses Problem. Erst vor wenigen Wochen wurden zahlreiche chinesische Spieler und Funktionäre lebenslang gesperrt.

Wettskandal: Insider erklärt, wie Spiele manipuliert werden

Doch auch in Deutschland funktioniert „Match Fixing“, also das vorsätzliche Manipulieren eines Spielergebnisses. Für eine erfolgreiche Manipulation, so heißt es aus kriminellen Kreisen, braucht es im Idealfall mindestens drei bis vier Komplizen auf so genannten „Schlüsselpositionen“. Dazu zählen natürlich in erster Linie Spieler innerhalb der Mannschaft, vor allem Torhüter, Innenverteidiger und Stürmer, weil sie neben dem Schiedsrichter den größten Einfluss auf den Ausgang eines Spiels haben. Doch auch Protagonisten aus der zweiten Reihe können eine solche „Schlüsselposition“ einnehmen.

So ließen sich auch Trainer oder Vereinspräsidenten einbinden, die ein Ergebnis mit taktischen oder finanziellen Vorgaben bewusst beeinflussen, erklärt der Insider. Genauso könne der Physiotherapeut absichtlich falsche Handgriffe ansetzen, um einen wichtigen Spieler zu verletzen, oder der Mannschaftskoch mit Nahrungszusätzen dafür sorgen, dass Akteure auf entscheidenden Positionen krank ausfallen. Kurios: In einem Fall bei einem Flutlichtspiel im Amateurbereich soll sich sogar ein Mittelsmann als Handwerker ausgegeben und mit Werkzeugkasten hinter dem Kassenhäuschen versteckt haben – um beim drohenden Scheitern der Manipulation höchstselbst die Stromleitung zu kappen und das Spiel zum Abbruch zu bringen.

Die statistisch häufigste Manipulation ist jedoch die „klassische“ Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern. Welche von ihnen von den Tätern ausgewählt werden, wird niemals dem Zufall überlassen, erzählt ein weiterer Insider aus Ermittlerkreisen. Schon lange vor dem Erstkontakt erstellen die Täter demnach genaue Profile ihrer „Zielpersonen“: Man beobachtet sie in ihrer Freizeit, an ihren vertrauten Orten, analysiert ihre Hobbys, ihre Interessen und sogar ihren Beziehungsstatus. Manchmal sollen die Betrüger dabei sogar mit einer Art Punktesystem arbeiten – je mehr Punkte ein Akteur bei den Beobachtungen sammelt, desto eher gilt er als manipulationswillig und kommt für die Tat infrage. Wer beispielsweise auf den Flirtversuch eines Zimmermädchens im Hotel anspringt, erhält mehr Punkte als ein Spieler, der seiner Ehefrau oft widerspricht.

Täter beobachten Fußballspieler teilweise monatelang

Der MOPO liegen Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen eines Hauptverdächtigen im internationalen Wettskandal 2009 vor. In den teilweise geschwärzten Dokumenten erklärt der Vernommene, er habe den manipulierten Spieler ganz gezielt vor einer Spielhalle in einer Großstadt in Bayern abgefangen. „Der war Zocker. Der hat Automaten gespielt, Karten gezockt, Fußballwetten hat der gespielt usw.“, beschreibt der später verurteilte Täter seine Zielperson. Dadurch habe er gewusst, dass der Spieler sehr wahrscheinlich „mitwetten“ werde, immerhin habe dieser ja „selbst Wetten [ge]spielt“.

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Die Kriminellen nähern sich Spielern oder Schiedsrichtern meist über Wochen, teilweise sogar über Monate hinweg an. Sie verhalten sich übermäßig freundlich, fast freundschaftlich, dringen tief in die Privatsphäre ein und leihen dem Protagonisten nicht selten Geld für private Automatenspiele oder Wetten. Die MOPO weiß von einem Fall, in dem ein Schiedsrichter mehrfach mit dem Präsidenten eines Amateurvereins feiern ging und anschließend bei ihm übernachtet hat – und zwar jeweils in der Nacht, bevor der Referee ein Spiel dieser Mannschaft gepfiffen hat. Außerdem erfuhr die MOPO von Amateurspielern eines weiteren Klubs, die nach verlorenen Spielen – als Entschädigung für entgangene Siegprämien – Sachgeschenke (Konzerttickets oder Leasing-Angebote für Autos) erhalten haben sollen.

Diese Freundlichkeiten und Gefälligkeitsdienste dauern meist nur so lange an, bis der Protagonist pleite ist oder hohe Schulden bei den Kriminellen gemacht hat. Dann nämlich steht er in der Schuld der Täter – und es entsteht ein Druckmittel. Der Ton werde nun rauer, berichtet der Insider aus dem kriminellen Netzwerk. Der Betroffene stehe vor zwei Möglichkeiten: Manipuliert er das nächste Spiel, versprechen ihm die Auftraggeber den Erlass all seiner Schulden. Tut er das nicht oder geht der Betrug schief, würde er erpresst werden. Das Umfeld werde mit einbezogen, mit einem Verrat beim Trainer oder einer anonymen Anzeige bei der Polizei werde gedroht. Dem Akteur wird demnach kaum eine andere Wahl gelassen, als einen Manipulationsversuch zu unternehmen. Und dann noch einen. Und noch einen. Und mit jeder Tat wird das Druckmittel stärker.

Wettmafia gibt „nur“ 98 Prozent Gewinnchance an

Auf dem Feld muss der Beteiligte dann eigentlich nur noch einen Auftrag ausführen, den er kurz vorher mitgeteilt bekommt. Das kann im Falle eines Spielers ein Eigentor oder ein verschuldeter Elfmeter, aber auch absichtlich vergebene Torchancen sein. Im Falle eines Schiedsrichters sind es meist bewusste Fehlentscheidungen zugunsten einer Mannschaft. Eine hundertprozentige Garantie, dass eine Manipulation aufgeht, haben die Kriminellen jedoch in den seltensten Fällen. Die MOPO weiß: Beim Verkauf von Spielergebnissen im Darknet werden häufig „nur“ 97- oder 98-prozentige Gewinnwahrscheinlichkeiten angegeben, obwohl die Spiele verschoben sind. Eine kleine Hintertür, oft als „Unpredictable Event“ oder „Shit Happens“-Klausel bezeichnet, findet sich nach MOPO-Informationen in fast allen Spielregeln, die die Wettbetrüger ihren Kunden beim Kauf eines verschobenen Ergebnisses übermitteln.

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Das größte Problem einer Manipulation aber bleibt: Wer drinsteckt, hat viele Gründe, die Tat geheimzuhalten. Nicht nur der Job und die finanzielle Existenz stehen auf dem Spiel, sondern auch eine Haftstrafe droht – oder sogar noch mehr. Angeblich, so heißt es aus dem Umfeld der Täter, sprechen manche Auftraggeber ihren manipulierten Protagonisten mitunter sogar Todesdrohungen aus, sollte eine Verschiebung misslingen und sie dadurch hohe Geldsummen verlieren. Spätestens an diesem Punkt wird klar: Hinter Spielmanipulationen und Wettbetrug steckt nicht selten schwere Kriminalität.

Insider packen aus: So manipuliert die Wettmafia Fußballspiele wurde gefunden bei mopo.de

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