Regenbogenflagge verboten: Schwuler Bürgermeister kündigt Rücktritt an

Regenbogenflagge verboten: Schwuler Bürgermeister kündigt Rücktritt an

Paukenschlag in Neubrandenburg: Kaum hat dort die Stadtvertretung am Mittwochabend entschieden, dass am Hauptbahnhof künftig nicht mehr die Regenbogenflagge gehisst werden darf, hat der Oberbürgermeister der mecklenburgischen Kreisstadt (64.000 Einwohner) Konsequenzen gezogen: Der parteilose Silvio Witt kündigte auf Facebook seinen Rücktritt zum 1. Mai 2025 an, ohne Gründe zu nennen. Aber für Insider ist klar, was dahintersteckt.

Immer wieder war Witt – er ist homosexuell – von Rechtsaußen attackiert worden. Michael Stieber, Fraktionschef der SPD von Neubrandenburg, sagte zum Rücktritt: „Das Ganze hat ja eine Vorgeschichte.“ Witt sei mehrfach „herabwürdigenden, beleidigenden und verleumdenden Angriffen“ ausgesetzt gewesen. „Insofern kann ich ihn verstehen, dass er sich und seine Familie schützen will.“ Es sei „leider nichts Neues in Deutschland, dass Kommunalpolitiker „aus Gründen des Selbstschutzes zurücktreten“, so Stieber.

Immer wieder war Silvio Witt von Rechtsaußen attackiert worden

Vor dem Neubrandenburger Hauptbahnhof: Regenbogenflaggen dürfen dort nicht mehr gehisst werden, entschieden die Stadtvertreter am Mittwoch. Zuvor waren die Flaggen immer wieder von Unbekannten durch Hakenkreuzflaggen ersetzt worden.
Stadt Neubrandenburg

Vor dem Neubrandenburger Hauptbahnhof: Regenbogenflaggen dürfen dort nicht mehr gehisst werden, entschieden die Stadtvertreter am Mittwoch. Zuvor waren die Flaggen immer wieder von Unbekannten durch Hakenkreuzflaggen ersetzt worden.

Mit der Regenbogen-Entscheidung der Stadtvertreter vom Mittwochabend war bei Witt wohl das Maß endgültig voll: Die Flagge, die als Zeichen für Toleranz und Vielfalt steht, wehte lange am Neubrandenburger Hauptbahnhof, wurde dann aber immer wieder von Unbekannten durch Hakenkreuz-Flaggen und andere Nazi-Symbole ersetzt. Daraufhin stellte der Stadtvertreter Tim Großmüller von der rechtspopulistischen Wählergemeinschaft „Stabile Bürger für Neubrandenburg“ den Antrag, die Regenbogenflagge nicht mehr am Hauptbahnhof zu hissen. Statt Rechtsextremismus zu bekämpfen, die Regenbogenflagge verbieten – eine zweifelhafte Lösung, die aber tatsächlich eine Mehrheit in der Stadtvertretung fand.

Die MOPO hat Oberbürgermeister Silvio Witt um eine Stellungnahme gebeten, was nun genau der Grund seines Rücktritts ist. Erfolgslos. Seine Pressesprecherin Anja Seugling sagte, er äußere sich nicht mehr dazu. In seinem Facebook-Posting bat Witt um Verständnis für seine Entscheidung und um die Wahrung seiner Privatsphäre sowie die seiner Familie und Freunde. „Oberbürgermeister zu sein, ist das intensivste und vielfältigste Amt, das es aus meiner Sicht gibt. Es war mir eine große Ehre, dieses Amt bisher ausüben zu dürfen. In der Stadt, die mir über alles ans Herz gewachsen ist und die ich unumwunden liebe“, so Witt.

„Fahnenflucht“, „Rücktritt überfällig“ – mit Häme reagieren AfD & Co. auf Silvio Witts Entscheidung

Oberbürgermeister Witt ist seit 2015 im Amt, damals hatte er sich als parteiloser Kandidat durchgesetzt. Er ist jetzt in seiner zweiten Amtszeit und wäre noch bis 2029 Stadtoberhaupt der „Vier-Tore-Stadt“ Neubrandenburg geblieben. Witt hat sich in der Vergangenheit stets für Diversität und Weltoffenheit stark gemacht. Entsprechend unbeliebt war und ist er bei Vertretern der politischen Rechten.


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Mit Häme und Verachtung reagierte Peter Fink, Fraktionschef der örtlichen AfD, auf Witts Entscheidung: „Der Rücktritt war überfällig. Aber die Art und Weise – auf Facebook – das ist sehr peinlich.“ Tim Großmüller von den besagten „Stabilen Bürgern“ äußerte sich folgendermaßen: „Dank unseres Engagements tritt der OB am 1. Mai zurück und begeht damit Fahnenflucht.“

Andere Parteien würdigten die Leistungen des scheidenden Oberbürgermeisters. Beispielsweise die CDU: „Erstmal gilt es, Silvio Witt ein großes Dankeschön zu sagen für sein Engagement, für seine Leidenschaft, für seine Offenheit gegenüber allen Menschen. Was dann kommt, werden wir sehen“, sagte Steven Giermann, Chef des CDU-Ortsverbands Neubrandenburg.

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Grüne Politiker reagierten bestürzt auf die Rücktrittsankündigung. Die Landtagstagsabgeordnete Jutta Wegner aus Neubrandenburg schreibt: „Silvio Witt hat der Stadt in den letzten Jahren ein freundliches Gesicht gegeben. Dafür kann man ihm nicht genug danken. Die zahlreichen Angriffe, die er in den letzten Jahren ertragen musste, bereiten mir Sorge. In der Stadtvertretung, aber auch in der Stadtgesellschaft sind Stimmen laut geworden, die für Spaltung und Hetze und nicht für einen fairen Umgang eintreten.“

Regenbogenflagge verboten: Schwuler Bürgermeister kündigt Rücktritt an wurde gefunden bei mopo.de

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