Schule greift durch: Handy-Verbot an Hamburger Gymnasium – „völlig neue Atmosphäre“

Schule greift durch: Handy-Verbot an Hamburger Gymnasium – „völlig neue Atmosphäre“

Es ist ein Thema, das polarisiert: Smartphones für Kinder und Jugendliche. Streit gibt es um das richtige Einstiegsalter, um die Nutzungsdauer, den Zugang zum Internet und Social Media. Setze ich mein Kind der Gefahr von Cybermobbing aus? Oder der einer sexuellen Belästigung? Das fragen sich viele Eltern. Und auch an Schulen ist das Thema omnipräsent. Weil es immer wieder Ärger und Konflikte um die Handynutzung gab, greift ein Hamburger Gymnasium nun durch: Die Geräte sind Tabu, Ausreden gibt’s nicht, nicht mal ausgeschaltet im Ranzen ist ein Handy noch erlaubt. Das Ergebnis überrascht alle Beteiligten, die Rede ist von „einer völlig neuen Atmosphäre“, das Verhalten der Schüler ändere sich deutlich.

Seit Beginn des neuen Schuljahres müssen alle Kinder der Jahrgänge 5 bis 9 am Christianeum (Othmarschen) in der ersten Unterrichtsstunde ihre Smartphones abgeben. Die Geräte werden im Schrank eingeschlossen und erst am Ende des Schultages wieder ausgehändigt. Auch für die höheren Jahrgänge gilt: Das Handy bleibt aus. Ausnahmeregelungen gibt es nur für Freistunden. Und auch dann ist die Nutzung für die Oberstufen-Schüler nur in bestimmten Räumen erlaubt.

Christianeum in Hamburg: Keine Smartphones mehr an der Schule

Beschlossen wurde die Maßnahme an der hochangesehenen Schule kurz vor den Sommerferien von der Schulkonferenz. Heißt: Es war keine Entscheidung von oben. Alle wollten es: die Schulleitung, die Lehrer, die Eltern und sogar die Schüler selbst. Die Abstimmung ist laut Elternrat einstimmig gefallen. Und obwohl es im wohlhabenden Hamburger Westen eine meinungsstarke Elternschaft gibt, gab es bisher nicht einen einzigen Widerspruch.

Schulleiter Stefan Prigge ist begeistert: „Es herrscht eine völlig andere Atmosphäre an der Schule. Es wird viel mehr miteinander geredet. Die Schüler spielen wieder miteinander, was wir auch daran merken, dass plötzlich ständig Bälle angefordert werden.“

Ein Schild am Christianeum erinnert an die smartphonefreie Zone.
Florian Quandt

Ein Schild am Christianeum erinnert an die smartphonefreie Zone.

Zwar galt auch vor der neuen Regelung am humanistischen Christianeum, dass die Smartphones während der Schulzeit ausgeschaltet sein sollten. Doch daran hat sich ein Großteil der Schüler nicht gehalten. Während der Pausen-Aufsicht waren die Lehrer permanent mit Kontrollen und Maßregelungen beschäftigt, was den Stress- und Konfliktlevel für alle stark erhöhte.

Hamburger Schulen entscheiden selbst über Handynutzung

Außerdem gab es immer wieder Fälle von Cybermobbing. Von heimlichen Foto- oder Videoaufnahmen der Lehrer während des Unterrichts. Von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung. Von Schummeleien bei Klassenarbeiten.

„Jede Schule kämpft damit“, sagt Direktor Prigge. Doch kaum eine greift durch. Anders als in Bayern, wo das Smartphone-Verbot an Schulen gesetzlich geregelt ist, gibt es in Hamburg keine einheitliche Vorgabe seitens der Schulbehörde. „Hamburgs Schulen sind seit 2006 ,selbstverantwortete Schulen‘, entscheiden in vielen Angelegenheiten selbständig“, so ein Behördensprecher. Folge: Ein bunter Flickenteppich und viele Eltern, die nicht verstehen können, warum es an der Schule des einen Kindes so ist und bei dem anderen anders.

Stefan Prigge verweist auf Studien, nach denen smartphonefreie Schulen nicht nur das Miteinander der Schüler verbessern, sondern auch die schulischen Leistungen. In den Niederlanden gilt daher inzwischen ein landesweites Handy-Verbot an Schulen. Denn es zeigt sich, dass selbst ein ausgeschaltetes Gerät im Schulranzen für Ablenkung sorgt – besonders bei Mädchen, die im Schnitt 80 Nachrichten am Tag erhalten und das Gefühl haben, etwas zu verpassen und oft nur darauf lauern, es so schnell wie möglich wieder anschalten zu können.

Eltern hoffen, dass sich das Handy-Verhalten auch aufs Privatleben auswirkt

Natürlich gibt es auch jetzt noch Schüler, die schummeln, indem sie morgens sagen, sie hätten das Handy nicht dabei und es später dennoch rausholen. Doch laut Prigge kommt das nur noch selten vor. „Kinder testen ihre Grenzen. Das ist ganz normal. Sie müssen den Umgang mit Regeln erst lernen.“

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Andrea Platen vom Elternrat, Mutter von fünf Kindern, hofft wie viele andere Eltern, dass das in der Schule gelebte Handy-Verhalten auch auf das Privatleben auswirkt. Erste Anzeichen kann sie schon erkennen. „Mein 17-jähriger Sohn macht mit seinen Freunden jetzt Digital-Detox-Challenges.“ Wer am längsten vom Smartphone wegbleibt, gewinnt.

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