Er hat noch mehr Frauen auf dem Gewissen: „Ein Mörder, wie er im Buche steht“

Er hat noch mehr Frauen auf dem Gewissen: „Ein Mörder, wie er im Buche steht“

Es wurde schon viel über Kurt-Werner Wichmann geschrieben, besser bekannt als der Göhrde-Mörder. Vor seinem Freitod in der Gefängniszelle 1993 und noch viel mehr danach. Denn erst 28 Jahre nach seinem Tod konnte die Polizei dem ehemaligen Friedhofsgärtner die Morde an zwei Paaren zuordnen, die 1989 in einem Waldgebiet bei Lüneburg (Staatsforst Göhrde) getötet wurden. Außerdem gilt es als erwiesen, dass Wichmann die damals 41-jährige Birgit Meier ermordet hat, ihre Leiche wurde 2017 unter der Garage seines Hauses ausgegraben. Doch die zuständigen Ermittler der Lüneburger Cold-Case-Einheit sind sich sicher: Der ehemalige Friedhofsgärtner hat noch mehr Menschen auf dem Gewissen. Liefern die zuletzt gegebenen Hinweise aus der Bevölkerung endlich handfeste Beweise, um Wichmann weitere Morde zuordnen zu können? Ein Wettlauf gegen die Zeit.

Thilo Speich (47) leitet das Sachgebiet Cold Case, in dem auch der Ermittlungskomplex Göhrde bearbeitet wird. Gemeinsam mit fünf Ermittlerinnen und Ermittlern ist das Team dem Dezernat 11 der Polizeidirektion Lüneburg angegliedert. Die sechs Fachleute kümmern sich um den Komplex der Göhrdemorde sowie um zwei weitere Großverfahren. „Wobei die Ermittlungen rund um Wichmann immer noch die meiste Zeit in Anspruch nehmen“, erzählt Speich. Nach der Auswertung von mehr als 3000 sogenannten Spurenakten und mehreren hundert Zeugenvernehmungen in den vergangenen sieben Jahren vermutet die Kripo Lüneburg, dass Wichmann für zehn bis zwölf weitere bis heute nicht final aufgeklärte Mordfälle verantwortlich sein könnte.

Kurt-Werner Wichmann, genannt die „blonde Bestie“ hatte größere Mordlust als bisher nachgewiesen.
hfr

Kurt-Werner Wichmann, genannt die „blonde Bestie“ hatte größere Mordlust als bisher nachgewiesen.

„Es gab und gibt immer wieder Hinweise, auch Spuren, die auf einen Zusammenhang hindeuten. Aber das Ziel ist es, am Ende ein beweiskräftiges Strafverfahren aufzubauen. Und dafür braucht es harte Fakten, im Idealfall DNA-Spuren, die derartige Vorwürfe beweisen und belegen lassen“, so Speich. Die gibt es bisher nicht.

Bis heute wird gegen einen Komplizen Wichmanns ermittelt

Doch noch sind die Ermittlungen rund um das sogenannte Personagramm Wichmann nicht abgeschlossen. Zwei Drittel aller Spuren-Akten seien ausgewertet: „Man kann sagen, das Ende der Ermittlungen gegen Kurt-Werner Wichmann ist absehbar“, erklärt Speich, der sich seit sieben Jahren mit dem Komplex des Göhrde-Mörders beschäftigt. Und dazu gehört auch ein weiterer Beschuldigter. Ein Mann, der seit 2017 im Verdacht steht, von Wichmanns grausamen Taten gewusst und ihm auch bei der Durchführung geholfen zu haben. Er wurde festgenommen, befragt und noch am gleichen Tag wieder entlassen. Es fehlen handfeste Beweise, so lange gelte die Unschuldsvermutung. Doch Beschuldigter bleibt er, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Bei Wichmann hat es 24 Jahre gedauert, bis ihm seine Mordlust nachgewiesen werden konnte.

Chef-Ermittler Thilo Speich (47)
hfr

Chef-Ermittler Thilo Speich (47)

Im Jahr 2017, 28 Jahre nach den Göhrde-Morden und dem Verschwinden von Birgit Meier, wird die Leiche der Frau unter Wichmanns Garage gefunden. Birgit Meier war die Schwester des damaligen Hamburger LKA-Chefs und späteren Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Sielaff, der immer überzeugt war, dass seine Schwester ermordet wurde. Birgit Meier wurde aufgrund der akribischen Ermittlungen ihres Bruders gefunden, der sich nach seiner Pensionierung mit anderen Kriminal-Experten zusammentat, um den Fall seiner Schwester aufzuklären – darunter der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel und Ex-LKA-Chef Reinhard Chedor. Dies gelang dem Team 28 Jahre nach der Tat.

Noch immer sind Püschel und Chedor dem Mörder Wichmann auf der Spur, sie gehen sogar von mehr als doppelt so vielen Taten Wichmanns aus, als die Polizei vermutet. Klaus Püschel: „Wir sind uns absolut sicher, dass Wichmann schon vor 1970 gemordet hat. Er ist ein Mörder, wie er im Buche steht.“

„Wir lassen nichts aus und nehmen jeden Hinweis ernst“

In den vergangenen drei, vier Monaten gab es etwa bis zu zehn Hinweise zu Delikten in Verbindung mit Wichmann, die in Lüneburg eingegangen sind. Es sind Frauen, denen plötzlich Erinnerungen einfallen, wenn sie von den Vorwürfen gegen Wichmann in den Medien lesen oder ein Foto sehen. Zeugen, denen plötzlich, nach Jahrzehnten, eine Szene in den Kopf schießt, die sie melden.

Speich: „Wir lassen nichts aus und nehmen Hinweise ehemaliger Opfer, die einem Angriff entkommen konnten oder Informationen von Opferhinterbliebenen sehr ernst. Das ist wichtig und war leider nicht immer so.“ Doch viele der Hinweise seien substanzlos und erübrigen sich mit Hilfe von Ausschlussverfahren. Bei der sogenannten Clearingstelle, einer Informationsverbindungsstelle zwischen den verschiedenen Dienststellen aus ganz Deutschland, werden nach wie vor Angaben oder mögliche Verbindungen zu Taten von Wichmann und seinem Komplizen aufgenommen und überprüft.

Dies könnte Sie auch interessieren: Serien-Killer „blonde Bestie“ – die wahre Geschichte hinter dem Serien-Killer

So führen mehrere Hinweise weg aus dem Lüneburger Raum hin zum Elbe-Weser-Dreieck, von Cuxhaven ganz im Norden bis nach Osterholz-Scharmbeck bei Bremerhaven – immer entlang der A27. In der Zeit zwischen 1977 und 1986 verschwinden dort nach Disco-Besuchen sieben junge Frauen, nur eine Leiche wird gefunden. Ein Täter wird nie ermittelt. Anfang der 2020er Jahre melden sich zwei Frauen, die erinnern, in ihrer Jugend Kurt-Werner Wichmann kennengelernt zu haben. Sie konnten dem Psychopathen Wichmann entkommen. Die Ermittler rollen die Fälle neu auf, räumen ein, dass Kurt-Werner Wichmann in den 1970er Jahren im Raum Wilhelmshaven und Cuxhaven häufig beruflich unterwegs war. Doch ein handfester Beweis zwischen den verschwundenen Frauen und dem Göhrde-Mörder kann nicht gefunden werden.

„Vielleicht stehen zwei, drei Fälle in Verbindung“

Speich: „Im Abgleich mit der Polizei Cuxhaven haben wir keine harten Fakten, wie etwa DNA-Spuren gefunden, die einen Zusammenhang mit den Disco-Morden belegen.“ Auch dass es eine Mord-Serie ist, lässt sich nicht nachweisen. „Vielleicht stehen zwei, drei Fälle untereinander in Verbindung“, so Speich, aber aufgrund der fehlenden Leichen ist auch das nicht sicher zu belegen. Die Ermittler gehen nach wie vor jeder Zeugenaussage nach, es sei auch nach so vielen Jahren wichtig, dass sich Zeugen bei der Polizei melden.

Die könnte sie auch interessieren: Sechs verschwundene Frauen – Polizei prüft Bezug zu den Göhrde-Morden

Ob oder wann Kurt-Werner Wichmann, der als Kind schon psychisch stark auffällig war, für weitere Morde verantwortlich gemacht werden kann, ist weiterhin offen – aber möglich. Weder die Polizei noch die private Ermittler-Gruppe glaubt daran, dass der ehemalige Friedhofsgärtner „nur“ fünf Menschen bestialisch umgebracht hat. „Ungeklärte Fälle sind besonders für die Opferhinterbliebenen lebensbelastend. Wir sind dran“, sagt Thilo Speich.

Er hat noch mehr Frauen auf dem Gewissen: „Ein Mörder, wie er im Buche steht“ wurde gefunden bei mopo.de

Please follow and like us:
Pin Share