„Sehr enttäuschend“: Nationalspieler spricht über schmerzvolles Aus beim HSV

„Sehr enttäuschend“: Nationalspieler spricht über schmerzvolles Aus beim HSV

Der Fahrstuhl nach oben ist zurzeit besetzt, da hilft auch kein Rütteln. Steven Mensah lernt in diesen Monaten, was es heißt, geduldig sein zu müssen. Nachdem sich die Wege des HSV und seines Nachwuchstorhüters trennten, ist der 21-Jährige seit Sommer vereinslos. So geht es nicht wenigen Fußballern, bei Mensah ist die Angelegenheit aber speziell: Hätte er einen Verein, wäre er auch auf Anhieb wieder Nationaltorwart. In der MOPO spricht er nun erstmals ganz offen über die für ihn so belastende Situation und eine enttäuschende Trennung vom HSV.

Hin und wieder hämmert es in seinem Kopf, dagegen hilft kein Medikament der Welt. „Ein bisschen Kopfschmerzen habe ich mit der ganzen Sache schon“, sagt Mensah der MOPO, als er über seine Situation nachdenkt. „Körperlich geht es mir gut. Aber mental ist das alles nicht immer so leicht. Ich muss mich wirklich bemühen, Struktur in meine Tage zu bekommen.“ Tage, die sich verändert haben, seit Mensah den Volkspark verließ. Nun spürt er die Nachwehen eines Aufpralls, den er zwar kommen sah, der aber trotzdem noch schmerzt.

HSV-Keeper Steven Mensah wurde 2023 Nationalspieler

Dabei ging es lange Zeit nur bergauf für den Keeper, dessen Heimat der Hamburger Stadtteil Billstedt ist. 2012, im Alter von gerade mal neun Jahren, wechselte er von Vorwärts-Wacker zum HSV. Er durchlief alle Jugendteams, zumeist als Stammspieler, trainierte ab 2022 auch mit den Profis und wurde sogar Nationaltorwart. Seine Eltern stammen aus Togo, im Juni 2023 debütierte er für das westafrikanische Land – und etablierte sich als Nummer eins. Sogar Ex-Bayern-Star Sadio Mané und der Senegal verzweifelten beim 0:0 vor knapp einem Jahr an ihm. Ein großes Talent, dieser Mensah, so schwärmten sie beim HSV. Immer bergauf, das war der Weg. Bis sich der Wind im vergangenen Frühjahr drehte.

Steven Mensah beim Profi-Training des HSV
WITTERS

Steven Mensah beim Profi-Training des HSV

Die Enttäuschung ist Mensah noch immer anzumerken, wenn er über die Geschehnisse spricht, die zur Trennung führten. Im Laufe der Saison habe es kleinere Meinungsverschiedenheiten mit den Torwart-Trainern Sven Höh (verantwortlich für die Profis) und Tino Dehmelt (U21) gegeben. „Richtung Saison-Endphase wurde mir mitgeteilt, dass mir Hannes Hermann in der U21 vorgezogen werden würde.“ Mensah fiel aus allen Wolken: „Das kam für mich völlig überraschend, ich war bis dahin die klare Nummer eins.“

Nachdem der Keeper seinen Unmut über die Entscheidung kundtat, sei dann eines zum anderen gekommen: „Dass ich die Entscheidung nicht einfach so akzeptieren wollte, war mein sportliches Todesurteil. Aus meiner Sicht ist es leider so, dass du beim HSV deinen Mund nicht aufmachen darfst, wenn dir etwas nicht passt. Sonst war es das.“ Was Mensah rückblickend besonders schmerzt: „Ich war 13 Jahre lang im Verein. Da hätte ich mir schon einen etwas anderen Umgang gewünscht. Der Abgang vom HSV war sehr enttäuschend.“

Steven Mensah ist sehr enttäuscht vom HSV-Abgang

Aber es muss ja weitergehen. Für Mensah – mit der Referenz, Nationalkeeper zu sein – sollte das eigentlich kein Problem sein. Doch es wurde eines. „Mein damaliger Berater hat im Sommer viele Fehler gemacht“, stellt das Talent fest. „Das ist bitter, denn man hatte mich schon vorher vor ihm gewarnt.“ Kontakte in die Niederlande und nach Frankreich zerschlugen sich. Die Zeit rannte Mensah davon, da half auch der dann vollzogene Beraterwechsel nichts mehr.


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Und nun? Mensah wohnt bei seinen Eltern in Billstedt. Seine Familie und seine Freundin helfen ihm, auf andere Gedanken zu kommen. Zusammen mit seinem neuen Agenten hält er weiter Augen und Ohren offen. „Die meisten Türen sind bei den Vereinen natürlich zu“, weiß er. Immerhin: Trainieren kann er. Der VfB Lübeck öffnete seine Tore für Mensah, der sich bei dem Regionalligisten fit hält. „Dafür bin ich sehr dankbar. Zum einen hilft es mir sportlich. Aber es ist auch wichtig, den Kopf mal freizubekommen. Denn natürlich mache ich mir hin und wieder Sorgen. Manchmal tut die Situation weh.“

Am Donnerstagabend dürfte es besonders geschmerzt haben. Am Fernseher verfolgte Mensah den Auftritt Togos in der Afrika-Cup-Qualifikation in Algerien, sah, wie seine Kollegen 1:5 untergingen. Gern wäre er dabei gewesen, doch Nationaltrainer Daré Nibombé verzichtet auf ihn, solange er keinen Verein hat. „Er hat mir gesagt, dass das natürlich blöd für mich sei und er mich gern nominieren würde. Aber die Vorgaben des Verbandes seien nun mal so“, sagt die Nummer eins des Landes, dessen Trikot derzeit ein anderer trägt.

Mensah liebt es, für Togo im Nationalteam zu spielen

Das soll sich nach Möglichkeit bald wieder ändern. Mit leuchtenden Augen berichtet Mensah von seinen Erfahrungen mit dem Nationalteam. Den Fans, die jubelnd neben dem Bus herlaufen, wenn die Mannschaft vom Hotel zum Stadion fährt. Den Gesängen im Mannschaftskreis, wie es in Afrika Sitte ist. Und seinem ersten Pflichtspiel gegen Kap Verde. „Das war unglaublich“, sagt der Keeper. „Da waren knapp 20.000 Zuschauer, das kannte ich bis dahin ja gar nicht.“ Demut kommt in ihm hoch: „Für sein Land zu spielen und die Erwartungen von Millionen erfüllen zu wollen, ist ein sehr spezieller Druck. Du möchtest die Menschen ja nicht enttäuschen.“ Siebenmal lief Mensah für Togo auf, niemals verlor er. Es soll nur der Anfang gewesen sein.

Siebenmal lief Mensah für Togos Nationalteam auf – und ist ungeschlagen (drei Siege, vier Remis).
privat/hfr

Siebenmal lief Mensah für Togos Nationalteam auf – und ist ungeschlagen (drei Siege, vier Remis).

Aber erst mal braucht er einen neuen Klub. Kontakte gibt es, aber Mensah weiß, wie steinig der Weg von einem lockeren Gespräch hin zur Vertragsunterschrift sein kann. Zunächst würde er auch weiter in der Regionalliga spielen, wie zuletzt beim HSV. „Das wäre eine gute Chance, mich zu zeigen und auf mich aufmerksam zu machen.“ Doch das Budget vieler Klubs ist schmal.

Irgendwann demnächst klappt es, da ist er sich sicher. Die Fußball-Karriere ist und bleibt sein Lebensplan, „das ist definitiv so, keine Frage“. Und wann immer sein Smartphone klingelt, kribbelt es bei ihm. „Man hofft halt jeden Tag auf einen Anruf eines Vereins oder meines Beraters, dass die dann sagen: So, Stevie, dieser Verein möchte dich jetzt haben – los geht’s!“

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Es wäre eine Nachricht, die sich in Windeseile 5000 Kilometer weit nach Süden verbreiten würde, bis in die Route de Kegué nach Lomé. Dort residiert Togos Fußballverband – ​​​​​​​und wartet auf seine Nummer eins.

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