AfD-Erfolge bei Wahlen im Osten: Jetzt wird Undenkbares gedacht

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Derzeit überbietet sich die Politik mit Vorschlägen, was geschehen muss, damit weniger Menschen hierher flüchten können. Dabei entscheidet sich auch eine Frage mit Blick auf den Bundestagswahlkampf. Alle anderen Parteien haben beschlossen, dass sie die AfD rechts liegen lassen. Allerdings fällt der Preis verflixt hoch aus. Um die Rechte auszugrenzen, muss das ebenfalls übel beleumdete BSW einbezogen werden. Man kann die AfD ignorieren. Man kann so tun, als gäbe es sie nicht. Man sollte aber nicht vergessen, wie stark sie inzwischen in ostdeutschen Landen verwurzelt ist. Ein paar Lehren aus Thüringen und Sachsen sollten gezogen werden. Drei Lehren aus dem Erfolg der AfD Lehre Nummer eins: Eine hohe Wahlbeteiligung – jeweils 73,5 Prozent – schadet der AfD nicht, im Gegenteil. Inzwischen hat sie ein verlässliches Wählermilieu, das ihr auch erhalten bleiben dürfte, wenn ihr die Sonne mal weniger lacht. Der frische Zulauf kam von den Nichtwählern: Bei den 18- bis 30-Jährigen liegt sie vorn, also wählen sie nicht nur die Alten und Abgehängten. Lehre Nummer zwei: Je weiter von den Städten entfernt, desto stärker ist die AfD. Was für die FDP der Apotheker war, ist für die AfD der Handwerker – das professionelle Leitbild. Die Protestpartei ist zu einer Milieupartei geworden. Lehre Nummer drei: Die AfD ist nicht mehr nur die Ausgründung rechts von der CDU . Ihre erst einmal auf Dauer gestellte Existenz als nationalkonservative bis rechtsextreme Partei macht sie zum Impulsgeber für die anderen Parteien. Viel muss zusammenkommen, damit weniger Geflüchtete hierherkommen Diese anderen Parteien haben den Schuss nun endlich gehört und machen sich überstürzt daran, das Versäumte nachzuholen – eine neue Gesetzgebung für Asyl und Einwanderung. Wie man die Ampel kennt, wird die Prozedur nicht ohne Selbstzerrüttung verlaufen. Wie man CDU und CSU kennt, dient der Prozess auch dazu, über den nächsten Kanzlerkandidaten zu befinden. Alle Nicht-Parteien-Menschen haben den entschiedenen Vorteil, dass sie die Sache ohne Nebenabsichten bedenken können. Sie ist ja komplex genug, sodass eigentlich nur der aufgeregte Markus Söder meint, eine eindimensionale Änderung des Asylgesetzes diene zur Wiedererlangung staatlicher Kontrolle über die Immigration. Ähnlich illusionäre Vorstellungen hegt die Innenministerin, die Messer nur noch bis zu einer bestimmten Größe im öffentlichen Raum erlauben möchte. Auch mit kurzen Klingen lassen sich Gurgeln durchtrennen. Viel muss zusammenkommen, damit weniger Geflüchtete hierherkommen. Es beginnt mit dem Eingeständnis: Wir schaffen das nicht, weil die Stabilität der Demokratie ernsthaft bedroht ist, wenn der Rechtsruck aus Ostdeutschland auf die Bundestagswahl durchschlägt. Deshalb ist es besser, wenn sich nicht wieder 351.915 Geflüchtete nach Deutschland durchschlagen wie im vorigen Jahr. Merz, Wöder und Scholz sollten ihre Politik besser erklären Diese Wir-wollen-euch-nicht-Haltung macht das dänische Modell aus, das plötzlich bei uns hoch im Kurs steht, jedenfalls bei CDU und CSU. Eine nicht unbedeutende Folge besteht allerdings in der Preisgabe des liberalen Grundgedankens, auf den die Nachkriegsrepublik mit Recht stolz war. In den nächsten Tagen und Wochen wird Deutschland mit Vorschlägen bombardiert werden, woran die Asylpolitik krankt. Sinnvolles wird neben weniger Sinnvollem stehen. Grenzen zu kontrollieren, erfordert erheblich mehr Bundespolizisten. Die Abschaffung des Asyl-Paragrafen, die Markus Söder fordert, geht nicht ohne Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Attentate und Amokläufe lassen sich ohne größere Befugnisse für Polizei und Geheimdienst nicht präventiv verhindern. Abkommen mit Drittstaaten wie Libyen oder Tunesien oder der Türkei sind schmutzige Deals, egal ob man sie so nennt oder verlegen darum herumredet. Lesen Sie auch: Dänemarks Asylpolitik – Weltoffenheit gegen Wohlfahrts-Chauvinismus Es wäre schon angebracht, dass Regierung und Opposition ein paar Prinzipien klären, bevor sie einen Paradigmenwechsel vornehmen. Der bloße Hinweis, dass jetzt sein muss, was vorher nicht sein durfte, genügt nicht. Wenn Merz/Söder/Scholz ernsthaft begründen, warum sich die Verhältnisse geändert haben und das neue Regeln und Gesetze bedingt, unterscheiden sie sich eben auch von der Rabulistik der AfD und von deren schwarzen Fantasien von der “Remigration” der Ausländer. Für die Ampel galten bisher andere Prioritäten Die Wirkung, dass jetzt Undenkbares gedacht wird, erzielt die AfD durch ihre bloße Existenz. Sie ist unübersehbar da, auch wenn sie von den anderen Parteien ignoriert wird. Sie treibt in Wahrheit die Ampel samt CDU/CSU vor sich her. Und für die Verspätung tragen sie gemeinsam Verantwortung, denn 2015, als Angela Merkel ihren Wir-schaffen-das-Satz aussprach, regierten CDU/CSU und SPD . Und für die Ampel galten bisher andere Prioritäten, teils freiwillig, teils unfreiwillig: Pandemie, Ukraine , Energieversorgung, Klimapolitik. Spät besinnt sie sich darauf, dass Kontrollverlust zu Vertrauensverlust führt. Als Nebenwirkung stellt sich das Duell zwischen Markus Söder und Friedrich Merz ein. Geht das weiter so, kann sich 2025 durchaus wiederholen, was sich im Jahr 2021 schon mal ereignete: Die Union bleibt unter ihren Möglichkeiten, weil der Kandidat, der sich demokratisch durchsetzt, vom beleidigten Rivalen nur halbherzig unterstützt wird. Thüringen wird zum Zentrum des Interesses Aber bis es so weit kommt, wird erst einmal Thüringen im Zentrum des Interesses stehen. Dort konstituiert sich spätestens am 1. Oktober der Landtag. Der Altersvorsitz fällt einem AfD-Mitglied zu, auch ein Symbol. Danach wird der Landtagspräsident gewählt, der traditionell der stärksten Fraktion zusteht, also der AfD. Gilt die ungeschriebene Regel noch? Wählen die anderen Fraktionen den AfD-Kandidaten oder lassen sie ihn durchfallen? Und bekommt später Mario Voigt (CDU) wenigstens im dritten Wahlgang eine Mehrheit – und will er als Ministerpräsident eine Minderheitsregierung führen, wie Bodo Ramelow vor ihm? Unruhige Tage stehen Thüringen bevor. Viel Neuland will dort betreten sein. Friedrich Merz muss viel Geschick im Umgang mit seltsamen Koalitionen und Brandmauern beweisen, damit ihm seine Partei nicht aus dem Ruder läuft. Denn in Bayern lauert Markus Söder nur auf Fehler, die er ausbeuten kann.

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