Als die MOPO ein Schmerzensgeld in Rekordhöhe zahlen musste

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Am 29. Juli 1986 erschoss „St.-Pauli-Killer“ Werner Pinzner im Polizeipräsidium am Berliner Tor seine Frau Jutta, verletzte den Staatsanwalt Wolfgang Bistry tödlich und nahm sich dann selbst das Leben. Der Fall ist in die deutsche Kriminalgeschichte eingegangen. Ich machte damals routiniert meine Bilder und verstand erst viel später, welche Bedeutung die Todesschüsse für das Rotlichtmilieu, aber auch für uns Polizeireporter hatten.

Zusammen mit einem Kollegen der „Bild“ war ich vormittags an einem Unfallort in Rothenburgsort. Dort war ein Laster gegen eine Brücke gedonnert und umgestürzt. Plötzlich kam die Meldung aus dem Polizeifunk: „Achtung! Wer kann fahren? Schüsse im Polizeipräsidium!“ Beamte am Unfallort sprangen in ihre Streifenwagen und rasten zum Berliner Tor. Ich jagte mit meinem VW Golf GTI mit mehr als 80 km/h hinterher.

In wenigen Minuten war ich am Einsatzort. Der Rettungshubschrauber der Bundeswehr landete. Dann öffneten sich die Türen des Polizeihochhauses, und Feuerwehrsanitäter trugen den lebensgefährlich verletzten Staatsanwalt zum Notarztwagen. In diesem Moment entstand das Foto zu diesem Artikel. Der 40-jährige Wolfgang Bistry starb wenig später im Krankenhaus.

„St.-Pauli-Killer“ Pinzner Top-Thema in allen Medien

Plötzlich war der „St.-Pauli-Killer“ Werner Pinzner Top-Thema in allen deutschen Medien. Die Behörden verhängten erstmals seit der RAF-Zeit wieder eine Nachrichtensperre. Wir Hamburger Polizeireporter bekamen trotzdem erstmals tiefere Einblicke in das Rotlichtmilieu auf St. Pauli. Kiez-Größen wie „Beatle“ Vogeler oder „Ringo“ Klemm lehnten damals Kontakt mit den Medien ab. Doch aus ihrem Umfeld meldeten sich plötzlich dubiose Figuren, die Tipps auf angebliche Hintermänner der Schüsse gaben. Dafür verlangten sie oft größere Summen als „Info-Honorar“.

Die MOPO zahlte nicht, allerdings nicht unbedingt aus moralischen Gründen. Geld war bei uns schon immer knapp und meine Chefs sagten bei Geldforderungen von Informanten gern: „Ach Thomas, du bist doch ein so guter  Reporter, das kriegst du auch so raus.“ „Danke dafür …“, dachte ich mir. Manchmal hat es geklappt, oft aber auch  nicht.

Fall Werner Pinzner: Fake-News vom „Spiegel”

1987 dann  erschien im „Spiegel“ eine große Story über einen Hamburger Kaufmann, der mit Spielhallen zu Geld gekommen war. Er steckte angeblich hinter Auftragsmorden Pinzners im Rotlichtmilieu. Dumm für mich: Ich war auch an der Story dran gewesen, sie war mir aber zu dünn und ich teilte meinem Chefredakteur mit, dass ich sie nicht aufschreibe. Er war sauer und wollte mich zwingen, die Story doch noch für die MOPO als Schlagzeile aufzubereiten. Ich musste mich fügen und erreichte den im „Spiegel“ beschuldigten Unternehmer auf Mallorca.

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In meinem Artikel gab ich ihm großen Raum für ein klares Dementi des „Spiegel“-Berichts. Ich hoffte, wir wären so auf der sicheren Seite. Irrtum. Zwar wurde mein Artikel von der Pressekammer des Hamburger Landgerichts nicht beanstandet. Doch allein für die Schlagzeile mit Foto „Ist das der Hintermann der Pinzner-Schüsse?“ musste die MOPO 20.000 Mark Schmerzensgeld an den Mann zahlen. Der Chefredakteur hat mich nie wieder zu irgendetwas gezwungen …     

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