Anna Gallina: „Politik richtet sich nicht richtig an junge Leute“

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Die Justizsenatorin über die Wahlergebnisse in Hamburg und Europa.

„Wie ist die Lage?“, unser fast täglicher Podcast in Kooperation mit der Gute Leude Fabrik, spürt aktuellen Fragen nach. Hier kommen prominente Lenkerinnen und unbekannte Denker zu Wort. Die Auswahl von PR-Profi Lars Meier ist rein subjektiv, aber immer spannend und überraschend. Die heutige Folge mit der Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz der Grünen, Anna Gallina, wird präsentiert von „The Ray“, der neue Fitness-Club in der Alsterschwimmhalle. Den Podcast gibt es in voller Länge auf den üblichen Kanälen und um 12 Uhr bei ahoy radio.

Lars Meier: Liebe Anna, die Europa- und Bezirkswahlen sind gut eine Woche her. Wie schwer liegen dir die Ergebnisse im Magen?

Anna Gallina: Das Gefühl setzt auf zwei unterschiedlichen Ebenen an. Einmal ist es so, dass mir die Ergebnisse für autoritär-populistische Parteien in Deutschland bei der Europawahl sehr auf die Stimmung schlagen. Ich glaube, das muss auch so sein. Man darf sich nicht daran gewöhnen, dass sowas passiert. Zum anderen muss ich sagen, dass ich guter Dinge bin, wenn ich auf Hamburg blicke. Wir als Grüne sind in Altona, Eimsbüttel und Hamburg-Nord erneut stärkste Kraft geworden. Damit haben wir immerhin unser historisch zweitbestes Ergebnis eingefahren, auch wenn es Verluste gibt. Das steht auf der Haben-Seite und zeigt auch, es gibt den Wunsch, dass wir weiterhin verantwortungsvoll die Stadt mitgestalten.

In Ostdeutschland hat die AfD teilweise über 40 Prozent erzielt. Wie kann man diesen Prozess aufhalten?

Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, die einfach sehr viel Verunsicherung mit sich bringt. Gerade junge Leute haben Sorge um ihre eigenen Zukunfts- und Jobperspektiven, was ja eigentlich total konträr läuft, da wir ohne Ende Arbeits- und Fachkräfte brauchen. Offensichtlich ist da eine tiefe Verunsicherung und wir glauben, wir haben vor allem materiell kein Politikangebot in der Bundesrepublik, das für die Zukunft junger Leute gut ist und sie stärker in den Fokus nimmt. Jetzt haben wir eine Europawahl, in der auch in Deutschland mal die 16-Jährigen wählen konnten. Das heißt aber nicht, dass die Politik sowohl kommunikativ als auch inhaltlich die jungen Leute richtig adressiert und mit ihnen genug im Austausch ist. Das ist sicherlich für uns alle eine große Herausforderung. 

Wie beurteilst du die Gefahren für die Demokratie durch Deepfakes und Falschinformationen aus dem Netz?

Wir haben uns auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister mit Deepfakes beschäftigt, also mit manipulierten Fotos oder Videos. Hier stehen vor allem Frauen durch sexualisierte Inhalte sehr stark im Fokus. Wir müssen eine Möglichkeit schaffen, sich viel leichter dagegen wehren zu können und die Plattformen in die Pflicht nehmen. Auch als Politikerinnen und Politiker sind wir von diesem Problem betroffen. Zum Beispiel: Olaf Scholz verkündet etwas, was er nie verkündet hat. Da wird es deutlich, dass solche Themen auch auf Wahlkämpfe und Meinungsbildung einwirken. Ausländische Regierungen oder andere Länder wie Russland versuchen tatsächlich auch auf den Meinungsbildungsprozess Einfluss zu nehmen. Politisch, strategisch, als Parteienlandschaft und als Demokratinnen und Demokraten müssen wir ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, wie man solche Fakes kontert. Hier müssen wir aber auch sehr genau schauen, wie geht das eigentlich richtig und welches Narrativ bieten wir denn an? Die autoritären Populisten sagen ja, früher war alles besser und eigentlich müssen wir nur dahin zurück. Dieses Versprechen kann aber niemals eingelöst werden. Für uns ist die Herausforderung, den Leuten zu zeigen: Warum braucht es euch? Wo ist euer Platz in dieser Gesellschaft? Wir sehen euch und wo geht es jetzt gemeinsam hin?

Die ganze Folge gibt es hier zum Nachhören. In der Rubrik „Nice oder Scheiß“ ärgert sich Anna Gallina über die Aussagen von Sahra Wagenknecht zur Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland.

Folge 825 (Montag, 17.06.) mit Anna Gallina

„Wie ist die Lage?“, unser fast täglicher Podcast, spürt tagesaktuellen Fragen nach. Seit 2020 kommen prominente Lenker und unbekannte Denker knapp 15 Minuten zu Wort. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überraschend. Lars Meier, Chef der Kommunikationsagentur Gute Leude Fabrik, ruft fast täglich Barkeeper, Bäckerinnen, Bürgermeister oder andere Leude aus Hamburg an. Den ganzen Podcast gibt’s da, wo es Podcasts gibt.

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