Anrufer hetzen Promis die Polizei auf den Hals

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Sie melden eine Bombe, eine Messerstecherei, Entführung oder sogar einen Mord. Immer wieder gehen falsche Notrufe bei der Polizei ein. Die Beamten rücken teils mit Großaufgeboten aus. Für die Anrufer ein harmloser Spaß. Für die Opfer oft traumatisch. Wie gefährlich die „Swatting“ genannten Fake-Notrufe sein können, zeigt sich in den USA. Dort kamen bereits mehrere Opfer ums Leben. Auch in Hamburg kommt es immer wieder zu Fällen. Jüngst wurde Streaming-Star „MontanaBlack“ Opfer einer perfiden „Swatting“-Attacke. „Eine von vielen“, wie „Monte“ der MOPO verriet.

Insbesondere auf Live-Streamer haben es die Online-Mobber abgesehen. Sie sitzen vor dem Bildschirm und wollen dabei sein, wenn die Polizei die Wohnungen ihrer Opfer stürmt. Das Phänomen stammt aus den USA und leitet sich von den SWAT-Teams ab, schwer bewaffneten Spezialeinheiten der Polizei. Eine gemeinsame Recherche von „Kontraste“ und „Spiegel“ offenbart das System hinter den Angriffen. Dahinter steckt eine Gruppe namens „NWO“ (New World Order). Erstmals sprach ein Insider, der der Gruppe angehörte. Pro Woche habe er drei oder vier Swatting-Versuche begangen. Und das über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren. „Man hat Spaß daran, wenn die Leute sauer auf einen sind, aber man nicht schnappbar ist. Nicht fassbar“, sagte der Insider.

Anrufer jagten Polizei zu „Monte“: Messerstecherei und Leiche im Keller

Spaß? Für Marcel Eris alias „MontanaBlack“, einer der erfolgreichsten „Twitch“-Streamer Deutschlands, alles andere als das. Unbekannte hatten die Polizei zum Haus des Internet-Stars in der Nähe von Buxtehude gejagt. „Monte“ bestätigt, dass die Täter eine Messerstecherei und eine Leiche in seinem Keller gemeldet hätten. Nicht der erste Vorfall. Wie häufig er bereits Opfer von „Swatting“ wurde? „Zu oft“, sagt „Monte“ gegenüber der MOPO.

Die Zeiten, in denen er von Zuhause aus streamt, sind vorbei. „MontanaBlack“ hat sich dafür an einen geheimen Ort zurückgezogen. Er fühle sich von den Vorfällen zu sehr belästigt. „Ich kann keinen Stream mehr machen, ohne dass es zu solchen Vorfällen kommt.“ Nach den ersten Fällen habe er sich direkt an die Polizei und die Staatsanwaltschaft Hamburg gewandt, aber „leider seit Ewigkeiten“ nichts mehr dazu gehört. „Die Strafverfolgungsbehörden scheinen entweder keine Möglichkeiten oder kein Interesse zu haben, die Täter zu ermitteln und gegen sie vorzugehen.“

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Die Polizei bestätigt, dass es mehrere Verfahren gab, die jedoch bereits an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. „In den vorliegenden Verfahren ist eine Ermittlung der unbekannten Täter nicht gelungen. Die Täter haben Mobilfunknummern genutzt, die auf nicht existente Anschlussinhaber ausgestellt worden waren oder sogenannte gespoofte Festnetznummern, bei denen die Anrufe unter einer vorgetäuschten Telefonnummer ausgeführt wurden“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering. Soweit der vorgebliche Gerätestandort nachvollzogen werden konnte, hätte sich dieser teilweise im Ausland befunden, oder es habe sich um einen manipulierten Gerätestandort gehandelt.

Die Täter zu fassen – nahezu unmöglich. Ein weiteres Opfer unter den Live-Streamern ist Lola, bekannt als „quiteLola“. Auf der Plattform „Twitch“ hat sie mehr als 100.000 Follower. Während die Frau live von einer Rundfahrt auf der „MS Concordia“ durch den Hamburger Hafen streamte, alarmierte ein Unbekannter die Polizei. Er sagte, die Streamerin plane einen Messerangriff auf den Schiffsführer. Als sie von Bord ging, wurde die Frau von einem Großaufgebot der Polizei empfangen. Es sollen etwa 30 Beamte gewesen sein, teils mit Maschinenpistolen.

Zahl der nicht aufgeklärten Fake-Notrufe bundesweit nahezu verdoppelt

Nicht nur auf Live-Streamer haben es die Täter abgesehen. Auch Politiker, Prominente oder auch Schulen sind im Fokus der Kriminellen. Wie häufig „Swatting“ vorkommt, ist nicht bekannt. Es handelt sich um keinen eigenen Straftatbestand. Zu Ermittlungen kommt es meistens wegen missbräuchlicher Nutzung des Notrufes (Paragraf 145 StGB). „Wird eine tatverdächtige Person ermittelt, kommen auf diese neben den möglichen strafrechtlichen Sanktionen gegebenenfalls auch die zivilrechtlichen Folgen zu, zum Beispiel die Übernahme der Einsatzkosten“, sagt Polizeisprecher Sören Zimbal.

Häufig werden die Täter jedoch nicht gefasst. Die Zahl der nicht aufgeklärten Fake-Notrufe hat sich bundesweit in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt. Von 3594 Fällen im Jahr 2019 auf 6970 Fälle im vergangenen Jahr. In Hamburg waren es 2022 noch 437 Notruf-Missbräuche. Im vergangenen Jahr waren es bereits 562 Fälle. Davon wurden 43,2 Prozent aufgeklärt.

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