CDU-Wahlkampf zur Europawahl: Was der Partei von Friedrich Merz fehlt

CDU-Wahlkampf zur Europawahl: Was der Partei von Friedrich Merz fehlt

Zwei Wochen vor der Europawahl nutzen Friedrich Merz und die CDU jede freie Minute, um Wahlkampf zu machen. Tag für Tag reisen sie Hunderte Kilometer, halten Rede nach Rede, vor immer anderem Publikum. Nur eine Sache bleibt gleich. Friedrich Merz ist dieser Tage viel unterwegs. Ein Donnerstag in Aachen mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Ein Freitag in Niedersachsen, der Heimat seiner Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen . Und am Wochenende spricht er in Leipzig , wo nicht nur die Europa-, sondern auch die Kommunal- und Landtagswahlen bevorstehen. Zig Termine, noch mehr Telefonate und Hunderte Kilometer am Tag – wenn der Kalender des Parteivorsitzenden so aussieht, dann ist Wahlkampf. Wieder und wieder läuft Merz fröhlich winkend zu den Bässen von Avicii durch die Massen, hält Rede nach Rede, bewirbt jedes Mal so gut es geht die Kandidaten. Alles für ein starkes Ergebnis bei der Europawahl in zwei Wochen – im besten Fall über 30 Prozent. Das ist extrem wichtig für Merz, denn auch er wird an diesen Zahlen gemessen. Seine Popularität, die Fähigkeit, Wahlkampf zu machen. Das alles steht jetzt auf dem Prüfstand. Und besucht man ein paar der Veranstaltungen, ist die Stimmung oft gut. Merz überzeugt. Das einzige Problem: Von der Generation U50 ist kaum eine Spur. Gesucht: Jung, konservativ, aber bloß nicht zu rechts Der CDU fehlen die jungen Leute – und das massenhaft. Das Durchschnittsalter bei den Christdemokraten beträgt unter den Mitgliedern 61 Jahre. Und bei den Wahlkampfveranstaltungen könnte glatt der Eindruck entstehen, es sei noch gestiegen. Dabei kommt es gerade bei den bevorstehenden Wahlen auf die Jungen an: Bei der Europawahl gehört Deutschland etwa zu den Ländern, in denen erstmals mit 16 Jahren gewählt werden darf. Auch zur vergangenen Bundestagswahl war der stärkste Anstieg der Wahlbeteiligung bei den 21- bis 29-Jährigen zu verzeichnen. Fast 4 Prozent von ihnen gingen 2021 mehr zur Wahl als beim Mal davor. Blickt man auf die Ergebnisse, kamen zuletzt vor allem die Grünen und die FDP bei der Gruppe an. Allerdings dürfte sich die große Unzufriedenheit mit der Ampel auch auf sie auswirken. Hinzu kommt, dass auch die SPD bislang in der Ansprache junger Menschen zu versagen scheint. Für die CDU könnte das eine Chance sein. Ihr fehlt nur noch der Zugang. Klassischer Wahlkampf – das lockt die Jungen nicht an Eine Wahlkampfveranstaltung der CDU kann man sich etwa so vorstellen: großer Platz, klassische Bühne, Bierbänke – und bevor es losgeht, singt eine Gruppe zu Udo Jürgens’ “Aber bitte mit Sahne”. Wohl nicht gerade der Samstagnachmittag, den sich ein Mittzwanziger vorstellt. Bei einigen Terminen ließ sich bis auf eine Handvoll Personen nicht einmal die Junge Union mobilisieren. Auch innerhalb der Partei stellt sich mancher die Frage: Liegt das an Planungsschwierigkeiten, die es mit von der Leyen durchaus geben soll – oder am Format? Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht es so: “Mit klassischen Wahlkampfterminen erreichen wir junge Leute immer weniger.” Die CDU müsse vielmehr versuchen, die Gruppe über Social Media, beispielsweise über TikTok, zu adressieren. “Wir müssen dorthin gehen, wo sie schon unterwegs sind”, sagt Linnemann t-online. Zwar könne das auch mal ein Dorf- oder Stadtfest sein. “Nur mit althergebrachten Veranstaltungsformaten, etwa in Kneipen, kommt man nicht mehr weit.“ Der CDU-Politiker weist zudem darauf hin, dass es nicht ausreiche nur das junge Publikum anzusprechen. “Unsere Partei muss sich selbst verjüngen. Das ist ein sehr wichtiger Hebel.” Die jungen Wählerinnen, bis hin zu jenen in ihren Dreißigern zu erreichen – das ist eine Herausforderung, der sich alle etablierten Parteien zunehmend stellen müssen. Zur Europawahl, aber auch mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen und die Bundestagswahl im kommenden Jahr 2025. Wie geht die Junge Union an das Thema ran? Vor knapp zwei Wochen versucht die Junge Union es mal anders. In der Eissporthalle in Frankfurt veranstalten sie an einem Samstagmittag eine Art Europa-Festival. Es gibt Bier und andere Kaltgetränke, an einem DJ-Pult werden von einer jungen Frau Elektrobeats aufgelegt. So beschreiben Teilnehmer den Termin. “Die Frage ist immer, wie man die Veranstaltung aufzieht”, sagt Johannes Winkel, Vorsitzender der Jungen Union. In diesem Fall sei es ein voller Erfolg gewesen. Fast 500 Leute waren vor Ort, alle unter 35. Allerdings ist auch Winkel klar: “Viele unserer Gäste waren natürlich grundsätzlich schon politisch interessiert.” Und die anderen? Der Blick auf den Wahlkampf treibt Winkel um. Die Europawahl sei in der Öffentlichkeit noch zu wenig existent. Das spiegele sich auch in der jungen Generation wider, sagt er t-online. Viele würden sich ihre politische Meinung mittlerweile mithilfe von Social Media bilden. “Und da ist die AfD bislang sehr stark.” Das Sylt-Video, die AfD bei Tiktok – die jungen Rechten Laut einer Infas-Umfrage für den “Spiegel” informiert sich ein Großteil der Erstwählerinnen und Erstwähler über das Internet, fast 80 Prozent nutzen dafür mindestens einmal pro Woche die sozialen Medien wie TikTok und Instagram. Nur 10 Prozent nennen lineares Fernsehen, keiner die Printmedien. Auf Plattformen wie TikTok oder YouTube ist die AfD bislang mit Abstand am erfolgreichsten. Ihre Clips werden dort zehnmal so häufig angesehen wie die der anderen Parteien. Und was passiert, wenn es den etablierten Parteien nicht ausreichend gelingt, zu jungen Menschen durchzudringen, zeigt beispielsweise eine Civey-Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung Ende vergangenen Jahres. Dabei wurden mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl in Thüringen 1.500 Thüringerinnen und Thüringer nach ihren Sorgen und Nöten sowie ihrer Wahlabsicht befragt. 64,2 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nennen Migration, Zuwanderung und Asyl sowie mangelnde Bildungspolitik in Schulen und Hochschulen. Die Lösung dieser Probleme trauen unter den Jüngsten der befragten Altersgruppen fast 50 Prozent am ehesten der AfD zu. Wohl auch, weil die anderen gar nicht mehr zu ihnen durchdringen. Was außerdem passiert, wenn rechtspopulistisches bis radikales Gedankengut über die Plattformen ausgespielt und damit ein Stück weit normalisiert wird, konnte man vor Kurzem auf einem Party-Video von der Luxus-Insel Sylt sehen. Eine Frau teilte die Szenen im Internet. Zu sehen sind junge Menschen, die zu dem Lied “L’amour toujours” Texte wie “Deutschland den Deutschen, Ausländer raus” singen. Das Unsagbare? Wird plötzlich sagbar, wenn nicht sogar zum “Partygag”. Die Politik zeigte sich schockiert. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte das Gegröle auf dem Video “ekelhaft”, Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einer Schande für Deutschland. Und CDU-Chef Merz betonte, das sei “auch mit Alkoholkonsum nicht mehr zu erklären”, das Verhalten sei “völlig inakzeptabel”. Die etablierten Parteien versuchen hier seit einigen Monaten gegenzusteuern. Auch die CDU sendet ihre Botschaften mittlerweile auf allen Kanälen. Ob es gelingt, wird sich bei der Europawahl und anschließend bei den Landtagswahlen zeigen. Wenn nicht, könnte das Video aus Kampen erst der Anfang sein.