Dämonisch und immer noch gefährlich: Jane’s Addiction live in Hamburg

Dämonisch und immer noch gefährlich: Jane’s Addiction live in Hamburg

Mit Konzerten von seit gefühlt Jahrzehnten verschollen geglaubten Bands ist es ja so wie mit Ehemaligentreffen in der Schule. Man stellt Fragen wie: Wie sind die gealtert? Können die das überhaupt noch? Und war das damals nur so eine Laune oder war das wirklich der heiße Scheiß, als den man die Musik in einer der hintersten Gehirnwindung abgespeichert hat? Fragen über Fragen, die man nur klären kann, indem man sich das erste Hamburg-Konzert der Alternative-Rocker Jane’s Addiction seit Oktober 2003 in der „Großen Freiheit“ besucht.

In originaler Quartettbesetzung von 1987 betreten Jane’s Addiction am Donnerstag um 21.15 Uhr die Bühne der „Großen Freiheit“. Es geht direkt los mit „Ted, Just Admit It“ vom zweiten Album „Nothing’s Shocking“. Langes und langsames, dafür aber sehr mächtiges Intro „Everybody, Everybody, Everybody“, bevor es so richtig losgeht, dann „Sex Is Violent“. Das setzt schon mal den Ton. Keine radiotaugliche Musik. Das Publikum ist allerdings textsicher und von Beginn an begeistert.

Aber wer sind Jane’s Addiction eigentlich: Hauptperson und Kopf der Band ist Perry Farrell – nur der Nachname ist Künstlername, damit beides zusammen so klingt wie peripheral. Früher waren die stechenden Augen mit viel Kajal ummalt und die Haare rot gefärbte Dreads heute steht er sichtbar gealtert aber mit immer noch dämonischen Augen in einem seltsam hoch sitzenden Arbeitsanzug mit sehr weiten Hosen auf die Bühne. Der Schnitt erinnert an die Anzughosen in den USA der 40er Jahre. Dazu ein großes Halstuch und eine ballonartige etwas zu große Schirmmütze. Dazu in der einen Hand das Mikro, in der anderen eine Flasche Rotwein. Drei Viertel voll. Im Laufe der Show leert sich diese.

Jane’s Addiction live in der „Großen Freiheit“ Hamburg

An seiner Seite das klassische – und seit 2010 so nicht mehr existente – Line-Up mit Dave Navarro an der Gitarre, Steven Perkins am Schlagzeug und Erik Avery am Bass. Über Dave Navarros Anwesenheit wurde vor dem Start der Tour noch gerätselt. Der zeitweilige Gitarrist der Red Hot Chili Peppers aus der „One Hot Minute“-Ära litt offenbar lange an Long Covid.

Sichtlich gealtert, aber gut gealtert: Perry Farrell von Jane’s Addiction live in „Großen Freiheit“.
Arist von Harpe

Sichtlich gealtert, aber gut gealtert: Perry Farrell von Jane’s Addiction live in „Großen Freiheit“.

Davon war gestern nichts zu spüren: Mit nacktem und fast vollflächig beidseitig tätowiertem Oberkörper, schwarz angemaltem Gesicht und breitem Hut machte er anwesenden Männern ein schlechtes Gewissen: Wie kann der nur überhaupt keine Wampe haben? Macht der Sport oder ist es der kumulierte Genuss illegaler Substanzen? Man weiß es nicht.

Durchtrainiert und voll tätowiert: Dave Navarro

Perkins trohnt als Timekeeper an seinem aus durchsichtigem Plexiglas gefertigten Drumset. Optisch könnte er als Double von Wotan Wilke Möhring durchgehen. Gut gelaunter Typ, mit dem man gerne mal ein Bier trinken würde. Das gleiche gilt für den Bassisten Erik Avery. Für Farrell und Navarro eher nicht, dafür sind die beide zu spooky.

Nach dem ersten Song geht es Schlag auf Schlag weiter. Den lauten Ruf einer Person aus dem Publikum „I want to steal something“ („ich möchte etwas klauen“) retourniert Farrell nur kühl mit „Watch out, there is a cop behind you“. Und anstatt dem geforderten Superhit vom Album „Ritual De Lo Habitual“ folgt dann aber der erst vor einigen Wochen erschienene Song „Imminent Redemption“ – vom Songwriting her nicht von dem sonstigen Material aus den späten 80er Jahren zu unterscheiden. Als hätte es den Song schon immer gegeben.

Dämonisch: Perry Farrell von Jane’s Addiction

„Then She Did“ – mit einem Gitarrensound, den es so nur bei Led Zeppelin oder beim fast gleichzeitig erschienenen Debütalbum von Pearl Jam gab. Auf die Zeit Ende der 80er, Anfang der 90er referenziert Farrell dann auch: „It was such a creative time, you guys must have been lucky when the wall came down. And you had bands like Einstürzende Neubauten.” Das erfreut das Publikum. Aber dann stellt er auch fest: „It’s not like that anymore.“ Recht hat er.

Dann kehrt die Band auch auf die Zielgrade ein, wichtige und vermutlich von allen Gästen heiß erwartete Songs fehlen noch. „Let’s see if we can heat this fucking place up” – und dann folgt auch schon das vorher schon geforderte „Been Caught Stealing”. Zwar ohne das Hundegebell der Studioaufnahme aber dafür laut, wuchtig und mit glasklarem Sound. Wie auch schon die ganze Show bis dahin.

Jane’s Addiction: Loblied auf Hamburg

Dem Klassiker folgt zunächst ein Loblied auf Hamburg. „Such a beautiful city. And you have a port here. You must get the best drugs.“ Und dann dazu passend die auf Spanisch vorgetragene Introansage vom „Ritual De Lo Habitual“-Album: „Señores y señoras, nosotros tenemos más influencia con sus hijos que tu tiene, pero los queremos…“.

Der darauf folgende Song „Stop“ sorgt dann endgültig für kollektive Glücklichkeit. Zu der Zeit gesellt sich dann auch Farrells Frau Etty Farrell im äußerst knappen schwarzen Kleid vor die Bühne und filmt ihren Gatten mit dem iPhone. Für die meisten im Publikum nicht zu sehen. Für die, die es sehen: Was könnte romantischer sein?

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Als Zugabe kommen ganz zum Schluss dann noch drei große, vorn auf der Bühne aufgebaute Trommeln zum Einsatz, die von Navarro, Perkins und Avery bedient werden.

Fazit: Jane’s Addiction waren schon immer gut, und sie sind es noch immer. Und gefährlich bleiben sie auch.

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