Dank GPS-Sender: Biologen wissen jetzt alles über das Sexleben dieses Rothirschen

Dank GPS-Sender: Biologen wissen jetzt alles über das Sexleben dieses Rothirschen

Fast wie beim Menschen: Wenn’s um Liebe geht, um Sex und Fortpflanzung, dann ist einem Rothirschen kein Weg zu weit. Das wussten Wildtierbiologen zwar bereits. Aber welche Wege und vor allem welche Gefahren solch ein bis zu 300 Kilo schwerer Hirsch tatsächlich auf sich nimmt, um ein paarungswilliges Weibchen zu finden, das ist ihnen erst klar, seit diesem sehr ungewöhnlichen Projekt: Dabei wurde jetzt rechtzeitig vor der Brunftzeit ein Rothirsch mit einem GPS-Sender ausgestattet. Was dabei herausgekommen ist, erstaunt selbst die Fachleute. Vollziehen Sie hier auf einer Karte die Wege des Hirsches nördlich von Hamburg nach.

Das Tier, um das es geht, hat einen Namen. Der Rothirsch wird in Fachkreisen „der Bargfelder“ genannt. Er ist im Hamburger Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook zu Hause. Abgesehen von seinem imposanten Geweih ist er an einer kahlen Stelle im Fell auf der rechten Schulter gut zu erkennen. Er wurde bereits in den Vorjahren zur Brunftzeit im Herbst in der Segeberger Heide beobachtet.

„Wir haben mehrere Abende auf der Lauer gelegen, um den Hirsch mit einem Narkosepfeil zu betäuben“

Initiator des Projekts: Frank Zabel, Wildbiologe vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein
Rene Hartwig/hfr

Initiator des Projekts: Frank Zabel, Wildbiologe vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein

Der Biologe und Wildtierfotograf Gernot Maaß und der Jagdaufseher Marco Klose hatten die Idee, diesen Hirschen mit einem Sender auszustatten. Frank Zabel vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein war sofort Feuer und Flamme, denn „ich sah darin eine große Chance, den Wanderweg des ,Bargfelders‘ zu dokumentieren und gleichzeitig auf das Problem der zunehmenden Lebensraumzerschneidung hinzuweisen“.

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Dass das Projekt erfolgreich durchgeführt wurde, ist für Frank Zabel eine „Sensation“. Denn einen ganz bestimmten Hirschen ausfindig zu machen und zu besendern sei „nahezu unmöglich“. Marcus Meißner, Rothirsch-Experte der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, bestätigt das: „Wir haben mehrere Abende auf der Lauer gelegen, um den Hirsch mit einem Narkosepfeil zu betäuben. Ein langwieriges und schwieriges Unterfangen. Nicht selten gewinnt dabei der Hirsch. Denn: dem langsamen Betäubungsgeschoss weichen die Tiere problemlos aus.“

Doch Meißner hatte Erfolg, sein Schuss verfehlte sein Ziel nicht. Anschließend musste sich allerdings Marcel Zickermann, Jagdexperte von den Schleswig-Holsteinischen Forsten, mit einem speziell ausgebildeten Jagdhund auf die Suche nach dem Tier machen, denn es dauert stets mehrere Minuten bis die Narkose wirkt. Zeit genug für den Hirschen, um noch einige Kilometer zu laufen. Zickermann fand den schlafenden „Bargfelder“, sodass das Tier, bevor es erwachte, mit einem GPS-Sender ausgestattet werden konnte.

„Auf seinem Weg zur Segeberger Heide überquerte er in zwei Nächten 14 zum Teil stark befahrene Straßen“

Diese Karte zeigt, welche Wege der Rothirsch „der Bargfelder“ nahm, um paarungsbereite Weibchen zu finden.
Landesjagdverband Schleswig-Holstein

Diese Karte zeigt, welche Wege der Rothirsch „der Bargfelder“ nahm, um paarungsbereite Weibchen zu finden.

Rothirsche legen zur Paarungszeit oft weite Strecken zurück und transportieren dabei ihre Gene von einer Teilpopulation in die nächste. Mit ihrer Mobilität zur Paarungszeit sichern sie die genetische Vielfalt und die langfristige Existenz ihrer Art. Dank des GPS-Senders war es jetzt erstmals in Norddeutschland möglich, eine solche Wanderung zu dokumentieren.

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Nachdem dem „Bargfelder“ der Sender verpasst worden war, hieß es warten – bis er am 31. August tatsächlich zu seiner großen Wanderung aufbrach. Allein auf dem 32 km langen Hinweg zur Segeberger Heide überquerte der zehnjährige Rothirsch Anfang September in zwei Nächten 14 zum Teil stark befahrene Straßen und schlich sich durch teilweise dicht besiedelte Gebiete. Insgesamt hat er danach gut dreieinhalb Wochen in der Segeberger Heide verbracht, bis er am 27. September innerhalb von nur 12 Stunden zurückkehrte.

Zuhause ist „der Bargfelder“ im Duvenstedter Brook. Ein Rothirsch kann bis zu 300 Kilo schwer werden.
Gernot Maaß/hfr

Zuhause ist „der Bargfelder“ im Duvenstedter Brook. Ein Rothirsch kann bis zu 300 Kilo schwer werden.

Das Problem sei, so Wildtierfotograf Gernot Maaß, dass derartige Wanderungen immer seltener werden und die Möglichkeiten dazu schwinden. Das mache nicht nur den Gen-Austausch der Hirsche schwieriger. Wildtier-Korridore seien vielmehr Lebensadern der Artenvielfalt und würden Ökosysteme miteinander verbinden. So trage beispielsweise jeder Rothirsch eine Vielzahl von Pflanzensamen mit sich – entweder im Verdauungstrakt oder im Fell – und verteile sie über weite Strecken. Würden diese Verbindungen unterbrochen, habe das langfristig gravierende Folgen – sowohl für die Lebensgemeinschaften als auch für den Genpool einzelner Arten. 

„Funktionierender genetischer Austausch ist von besonderer Bedeutung“

„Ein funktionierender genetischer Austausch ist in Schleswig-Holstein gerade für die großen, weit verteilten Waldgebiete wie beispielsweise den Segeberger Forst von besonderer Bedeutung“, sagt Jan Meyer-Hamme von den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Wildtierbiologe Frank Zabel ergänzt: „Mehrere genetische Untersuchungen bestätigen, dass die Rotwildvorkommen in Schleswig-Holstein bereits ein gravierendes Problem haben und auf die Wiederbelebung des Gen-Austausches angewiesen sind.“

Was zum Schutz der Verbund-Achsen getan werden muss, ist laut Landesjagdverband Schleswig-Holstein klar: „Durch Autobahnen oder Bundesstraßen zerschnittene Wildtier-Korridore müssen durch Grünbrücken querbar gemacht werden, auf ganzer Länge durchlässig bleiben und ausreichend Trittsteine als Ruheräume beinhalten. Für die Rothirsch-Vorkommen in Schleswig-Holstein ist die Funktionsfähigkeit der Wildtier-Korridore eine Existenzfrage.“  

Dank GPS-Sender: Biologen wissen jetzt alles über das Sexleben dieses Rothirschen wurde gefunden bei mopo.de

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