Das Auto soll Platz machen: Wo man in Hamburg überall die Verkehrswende sieht

Das Auto soll Platz machen: Wo man in Hamburg überall die Verkehrswende sieht

Es ist das große Ziel von Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne): Bis zum Jahr 2030 sollen 80 Prozent aller Wege zu Fuß, mit dem Rad oder per Bus und Bahn zurückgelegt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss: Das Auto soll Platz machen. Dafür wird der Verkehr auf dem wichtigsten Schauplatz, der Straße, teils komplett umgeordnet. Die MOPO zeigt, an welchen Stellen in der Stadt das jetzt nach und nach sichtbar wird – und warum Veränderungen eben auch oft für Frust sorgen.

Vor fast einem Jahr hat sich die Königstraße in Altona-Altstadt in eine (teils etwas unübersichtliche) Baustelle verwandelt: Überall wird gebuddelt, Autofahrer kurven um die rot-weißen Baken und Fußgänger versuchen ebenfalls, sich einen Weg durch die Baufelder zu bahnen. Inzwischen lassen sich aber auch die ersten Umgestaltungen erkennen.

Königstraße: Hier entstehen geschützte Radwege

Die teils schon im Jahr 2022 auf früheren Parkplätzen eingerichteten Radwege sollen mit Barrieren vom Autoverkehr getrennt werden. Genau diese grauen, kleinen Barrieren sind jetzt im ersten Abschnitt von der Max-Brauer-Allee bis zur Mörkenstraße zu sehen.

„Wo es räumlich und verkehrlich möglich ist, wollen wir Fuß-, Auto- und Radverkehr voneinander trennen, um Platz, Komfort und Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen“, betonte Tjarks immer wieder. An der Königstraße soll genau dieses Vorhaben zur Realität werden. Fußgänger werden auf dem bis zu 2,65 Meter breiten Gehweg unterwegs sein, der wiederum durch einen Grünzug vom Radverkehr abgetrennt ist. Anfang 2025 soll die von der Behörde getaufte „Straße der Zukunft“ dann endgültig umgebaut sein.

Louise-Schroeder-Straße ist bereits fertig umgebaut

Schon fertig ist währenddessen die ganz in der Nähe gelegene Louise-Schroeder-Straße, die Altonas Bezirkschefin Stefanie von Berg (Grüne) bereits als „echtes Vorzeigeprojekt“ betitelte. Von der ehemals dreispurigen Einbahnstraße für Autos ist nicht mehr viel übrig: Radfahrer sind nun in beide Richtungen auf einem drei Meter breiten Radweg unterwegs und auch Fußgänger haben deutlich mehr Platz. Das Herzstück der Umbaumaßnahme: Ein großer Grünstreifen, der die Radfahrer von den Autos abtrennt – laut von Berg eine „effektive Klimafolgenanpassung. Bedeutet konkret: Hitzeschutz im Sommer und mehr Wasseraufnahmekapazität bei Starkregen.

Bezirksamt Altona
Die Louise-Schroeder-Straße in Altona war bis zu ihrem Umbau eine dreispurige Einbahnstraße.

Die Louise-Schroeder-Straße in Altona war bis zu ihrem Umbau eine dreispurige Einbahnstraße.

Florian Quandt
Im Frühling blühte die neu gestaltete Louise-Schroeder-Straße mit gepflanzten Tulpen auf.

Im Frühling blühte die neu gestaltete Louise-Schroeder-Straße mit gepflanzten Tulpen auf.

BVM
So sah die Straße An der Alster vor dem Umbau aus.

So sah die Straße An der Alster vor dem Umbau aus.

LSBG
Inzwischen wurde die Nebenfahrbahn der Straße An der Alster zu einer Fahrradstraße umgebaut.

Inzwischen wurde die Nebenfahrbahn der Straße An der Alster zu einer Fahrradstraße umgebaut.

Imago
Früher fuhren am Ballindamm die Autos auf zwei Spuren.

Früher fuhren am Ballindamm die Autos auf zwei Spuren.

Florian Quandt
Seit 2020 gibt es am Ballindamm einen extra breiten Radweg.

Seit 2020 gibt es am Ballindamm einen extra breiten Radweg.

Florian Quandt
So sah der Holstenplatz in der Altonaer Altstadt kurz vor dem Umbau im März 2023 aus.

So sah der Holstenplatz in der Altonaer Altstadt kurz vor dem Umbau im März 2023 aus.

LSBG
Vor ein paar Monaten ist die Verkehrsführung am Holstenplatz umgeordnet worden. Dazu gehören sichtbare Radwege.

Vor ein paar Monaten ist die Verkehrsführung am Holstenplatz umgeordnet worden. Dazu gehören sichtbare Radwege.

Florian Quandt
Die Königstraße in der Altonaer Altstadt, kurz bevor die Parkplätze an den Seiten zu Radwegen umgewidmet wurden.

Die Königstraße in der Altonaer Altstadt, kurz bevor die Parkplätze an den Seiten zu Radwegen umgewidmet wurden.

LSBG
Der erste Abschnitt der Königstraße von der Max-Brauer-Allee bis zur Mörkenstraße ist bereits fertiggestellt mit abgetrennten Radwegen und neu gepflanzten Bäumen.

Der erste Abschnitt der Königstraße von der Max-Brauer-Allee bis zur Mörkenstraße ist bereits fertiggestellt mit abgetrennten Radwegen und neu gepflanzten Bäumen.

Florian Quandt
In der Königstraße sind Radfahrer jetzt mithilfe einer Barriere vom Autoverkehr abgetrennt.

In der Königstraße sind Radfahrer jetzt mithilfe einer Barriere vom Autoverkehr abgetrennt.

Frederik Mittendorff
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) bei der Eröffnung der Pop Up Bikelane in Harburg im April 2021.

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) bei der Eröffnung der Pop Up Bikelane in Harburg im April 2021.

Florian Quandt
In der Max-Brauer-Allee fahren Radfahrer jetzt erhöht vom Autoverkehr. Das nennt man „Kopenhagener Radwege“.

In der Max-Brauer-Allee fahren Radfahrer jetzt erhöht vom Autoverkehr. Das nennt man „Kopenhagener Radwege“.

Und auch der Holstenplatz in Altona-Altstadt hat sein Straßengesicht komplett verändert: Busse und Radfahrer teilen sich unter anderem eine Spur, die in den Kurven zusätzlich mit Verkehrsinseln vom Autoverkehr abgetrennt ist. Während der einjährigen Bauarbeiten verwandelte sich der Platz in abwechselnde Richtungen in eine Einbahnstraße, dabei kam es allerdings immer wieder zu gefährlichen Situationen: Einige Autofahrer unterschätzten den Weg über die Kreuzung, andere wichen auf die falsche Spur aus oder standen an einer nicht für sie gedachten Markierung. Polizei und Behörde sahen die Schuld bei den Autofahrern selbst. Inzwischen läuft der Verkehr dort wieder wie gewohnt.

Umbauarbeiten konzentrieren sich häufig auf die Innenstadt

Auffällig an den ganzen Umbauarbeiten: Sie konzentrieren sich oftmals auf Altona und die Innenstadt. Dazu zählen auch der neue Doppelknoten an der Alster, der extra breite Radweg am Ballindamm oder die geschützten Radspuren am Dammtordamm und der Esplanade. Auch im Hamburger Süden gibt es zwar einige solcher sichtbaren Projekte, wie der circa vier Meter breite Alexandra-Stieg in Rothenburgsort oder der geschützte Radweg an der Hannoverschen Straße in Harburg – trotzdem erfahren solche Umwandlungen dort oft nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie nördlich der Elbe.

Ist das jetzt also schon die berühmt-berüchtigte Verkehrswende, von der alle immer sprechen oder wahlweise warnen? Historisch gesehen gab es schon öfters Verkehrswenden: Zum Beispiel die Erfindung des Rades, der Eisenbahn – oder zuletzt die des Autos.

Umbauten im Straßenverkehr sorgen immer wieder für Zoff

„Grundsätzlich tun sich Menschen immer schwer mit Veränderungen“, sagt Jannik Lohaus im Gespräch mit der MOPO. Er forscht als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Mobilität am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. „Sobald diese Veränderungen dann aber da sind, gewöhnen sich auch viele daran. Ein Großteil der Bevölkerung findet eine sichere Infrastruktur am Ende positiv.“ Das belegte auch die zuletzt veröffentlichte HUK-Mobilitätsstudie, laut der sich 75 Prozent der Hamburger sogar weniger Autoverkehr in ihrer Stadt wünschen – ein bundesweiter Spitzenwert.

Trotzdem sorgen derart riesige Umbauten wie An der Alster, am Holstenplatz oder an der Königstraße zunächst für Unmut, schließlich sind sie mit großen Baustellen und damit Stau, Umleitungen und Stress verbunden. Aber auch in autoarmen Vierteln wie der Neuen Mitte Altona oder im Pergolenviertel in Winterhude kochen die Emotionen aufgrund der wenigen Parkplätze hoch. Experten sprechen bei diesem Phänomen vom sogenannten „Not in my Backyard“-Effekt: Weniger Autos, ja bitte! Aber doch nicht in meinem Hinterhof oder meiner Straße. Denn die Hamburger lieben gleichzeitig ihr eigenes Auto: Im Januar 2024 waren insgesamt 813.109 Autos in der Stadt gemeldet, 9000 mehr als Anfang 2020.

„Es hat noch niemand in einer Großstadt geschafft, Verkehrspolitik ohne Widerstand zu machen“, sagte Senator Tjarks zuletzt im MOPO-Interview. Aber an vielen Stellen, wie zum Beispiel der Königstraße, werde die Stadt umgebaut ohne große Klagen. „Das liegt daran, dass die Mobilitätswende mehr Lebensqualität bedeutet und das wollen viele Menschen.“

Das Auto soll Platz machen: Wo man in Hamburg überall die Verkehrswende sieht wurde gefunden bei mopo.de

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