Das ist schnell eskaliert: „Serge“ am Altonaer Theater

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Da kommt noch was! Großspurig tönt Serge auf der Trauerfeier seiner Mutter, das Leben werde weitergehen wie vorher. Doch der Tod Marta Poppers – die als fast einzige ihrer Verwandten den Holocaust überlebt hat – wirft Schatten auf das Leben ihrer drei Kinder, ebenso wie die totgeschwiegene Vergangenheit ihrer jüdischen Familie. Es ist Joséphine (Chantal Hallfeldt), die ihren Vater Serge sowie Jean und Nana auffordert, mit ihr nach Auschwitz zu reisen. Während die Gruppe im schwarz ausgeschlagenen Bühnenraum des Altonaer Theaters zwischen Aufbauten sargähnlicher Kästen herumstolpert (Bühnenbild: Ute Radler), eskaliert der Geschwisterstreit.

Kann es eine angemessene Auseinandersetzung mit der unvorstellbaren Grausamkeit und Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Regimes geben, fragt die französische Erfolgsautorin Yasmina Reza in ihrem umstrittenen Roman „Serge“. Stärker noch als unseren Umgang mit Erinnerungskultur betont die gleichnamige Aufführung am Altonaer Theater das Familiendrama. Regisseur Georg Münzel inszenierte seine eigene Stückfassung als feinfühlig ausbalancierte Gratwanderung zwischen absurder Komik und existentieller Dramatik.  

„Serge“ nach Yasmina Reza: Berührender Theaterabend

Der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers fordert vor allem Serge heraus, sich endlich den großen Fragen des Lebens zu stellen. Hat der Frauenheld sein Leben sinnlos vertan, wie Nana (vom großen Bruder als „Tugend-Trulla“ beschimpft: Anne Schieber) meint? Eindrucksvoll macht Ulrich Bähnk in der Hauptrolle hinter Selbstmitleid und Überheblichkeit die Verzweiflung eines Mannes spürbar, den die Bewältigung seiner Lebenskrise völlig überfordert. Dritter im Bunde der Mitgefühl weckenden Figuren ist Dirk Hoener als zwischen den Geschwistern vermittelnder Jean. 

Ein berührender Theaterabend über spannungsreiche familiäre Verbundenheit und Zusammenhalt in schweren Zeiten.

Altonaer Theater: bis 29.6., diverse Uhrzeiten, 19 bis 43 Euro, Tel. 39 90 58 70

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