„Das ist so, als würde Toni Kroos auf dem Fußballplatz den Hitler-Gruß zeigen“

„Das ist so, als würde Toni Kroos auf dem Fußballplatz den Hitler-Gruß zeigen“

„Stellen Sie sich vor, die deutsche Fußballnationalmannschaft schießt ein Tor und Toni Kroos zeigt seine Freude mit einem Hitler-Gruß. Was meinen Sie, was dann in Deutschland los wäre? Der ,Wolfsgruß‘ ist im Grunde nichts anderes, und deshalb darf auch das, was sich Merih Demiral da auf dem Fußballplatz erlaubt hat, nicht ungesühnt bleiben.“ Das sagt Ali Toprak, CDU-Politiker und Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde in Deutschland. Er fordert eine Sperre des Spielers. Und zwar sofort.

Mit Empörung, Wut und Entsetzen reagieren viele türkisch- und kurdischstämmige Hamburger Politiker auf das, was sich am Dienstagabend während des EM-Achtelfinalspiels zwischen Österreich und der Türkei zugetragen hat. Außer Ali Toprak fordern auch Kazim Abaci, integrationspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, und Cansu Özdemir, eine von zwei Vorsitzenden der Linksfraktion in der Bürgerschaft, eine harte Bestrafung des türkischen Abwehrspielers Merih Demiral.

Türkischstämmige Hamburger Politiker fordern eine Sperre des türkischen Nationalspielers Merih Demiral

Am Dienstagabend hatte Demiral nach seinem Tor zum 1:0 im Achtelfinale gegen Österreich auch das zwischenzeitliche 2:0 erzielt, danach beide Arme in die Höhe gereckt und den sogenannten „Wolfsgruß“ gezeigt. Dabei berühren Mittel- und Ringfinger den Daumen, während der Zeige- und der kleine Finger die Wolfsohren nachahmen. Es handelt sich um das Erkennungszeichen der türkischen Rechtsextremisten.

Ali Toprak, CDU-Politiker und Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde
picture alliance/dpa | Jonas Walzberg

Ali Toprak, CDU-Politiker und Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde

Während sich Demiral damit herauszureden versucht, er habe nur seine Freude zum Ausdruck bringen wollen und es sei nichts Politisches gewesen, erinnert Cansu Özdemir daran, dass der fragliche Spieler schon mehrfach einschlägig aufgefallen sei. So hatte Demiral 2019 mehrfach Treffer der türkischen Nationalmannschaft mit einem militärischen Gruß gefeiert – um die türkischen Streitkräfte zu unterstützen, die am international scharf kritisierten Militäreinsatz gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien beteiligt waren. Cansu Özdemir: „Demiral hat damals auf dem Platz einen Mitspieler hart attackiert, weil der den militärischen Gruß verweigerte. Das zeigt seine faschistische Einstellung.“

„Wolfsgruß“ Erkennungszeichen türkischer Faschisten

Der Hamburger SPD-Politiker Kazim Abaci erinnert daran, dass die UEFA viel Geld für Kampagnen ausgibt, um für Toleranz und Vielfalt im Sport zu werben. „Was Demiral gemacht hat, ist ein Verstoß gegen die Werte der UEFA und muss jetzt harte Konsequenzen haben. Entweder Demiral entschuldigt sich oder er muss für die nächsten Spiele gesperrt werden.“

Abaci weiter: „Ein Fußballspieler – noch dazu ein Nationalspieler – hat eine Vorbildfunktion. Die Zuschauer sehen das und erwidern womöglich diesen Gruß. Das dürfen wir nicht zulassen.“

SPD-Politiker Kazim Abaci (59).
Olaf Wunder

SPD-Politiker Kazim Abaci (59).

Ali Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinschaft in Deutschland, fordert: „Die UEFA muss Demiral von den kommenden Spielen ausschließen.“ Toprak erinnert daran, dass bereits vor vier Jahren alle demokratischen Parteien im Bundestag den Antrag gestellt haben, die Grauen Wölfe, also die türkischen Rechtsextremisten, samt ihrer Symbolik zu verbieten. Trotzdem sei kein Verbot erfolgt.

Toprak fragt sich, warum Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) untätig geblieben sei. „Sie sollte sich ein Beispiel an Frankreich nehmen, wo es nur wenige Wochen gebraucht hat, um ein Verbot auszusprechen.“ Toprak weiter: „Es reicht nicht, dass Nancy Faeser in Interviews darauf verweist, dass von Rechtsextremisten die größte Gefahr im Land ausgeht. Sie muss auch was unternehmen. Die Grauen Wölfe sind die größte rechtsextremistische Organisation in Deutschland mit geschätzt 12.000 bis 18.000 Mitgliedern.“

Cansu Özdemir, Co-Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bürgerschaft.
Linke

Cansu Özdemir, Co-Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bürgerschaft.

„Das, was dieser türkische Spieler da gemacht hat, hat uns tief verletzt“, sagt Yasar Cantay, Vorstandsmitglied des Alevitischen Kulturvereins für Hamburg und Umgebung. Cantay erinnert daran, dass sich der Vorfall im Leipziger Stadion auf den Tag genau 31 Jahre nach dem Massaker von Sivas ereignet hat.

In der zentralanatolischen Stadt hatte am 2. Juli 1993 ein Mob von 20.000 Menschen ein Hotel in Brand gesetzt, in dem zur selben Zeit ein alevitisches Festival stattfand. Während sie das Hotel anzündeten, zeigten die Brandstifter ebenfalls jenen faschistischen „Wolfsgruß“. Damals kamen 35 Aleviten – Anhänger einer liberalen Glaubensrichtung – ums Leben.

Hamburger Politiker fordern EM-Sperre für Demiral

Inzwischen hat sich Merih Demiral zu dem Vorwurf geäußert, auf dem Spielfeld einen faschistischen Gruß gezeigt zu haben. Sehr einsichtig zeigte er sich nicht gerade: „Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein, und das ist der Sinn dieser Geste“, sagte er. „Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin.“ Er hoffe darauf, dass es „noch mehr Gelegenheiten gibt, diese Geste zu zeigen.“

Unterdessen hat die UEFA ein Untersuchungsverfahren wegen unangemessenen Verhaltens gegen den 26-jährigen Fußballer eingeleitet. Am Samstag (21 Uhr) trifft die türkische Nationalmannschaft im EM-Viertelfinale in Berlin auf die Niederlande – ob mit oder ohne Demiral, wird sich zeigen.

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