Der Rausch aus dem Luftballon: So leicht kommen Jugendliche an Lachgas

Der Rausch aus dem Luftballon: So leicht kommen Jugendliche an Lachgas

Lachgas ist gefährlich und dennoch frei verkäuflich. Selbst an Minderjährige. Mediziner, Suchtexperten und Polizei warnen seit Monaten vor dem Rausch aus dem Luftballon. Jetzt kommt Bewegung in das Thema. Eine Gesetzesänderung soll den Verkauf einschränken. Doch in wie vielen Kiosken werden die bunten Kartuschen in Hamburg überhaupt angeboten? Können Minderjährige sie überall kaufen? Und was sagen die Verkäufer? Die MOPO machte unterstützt von einem 16-Jährigen den Test und besuchte Kioske auf dem Kiez, in Ottensen, Wilhelmsburg und Eimsbüttel.

Die bunten Kartuschen stehen im Schaufenster. In den Regalen. Oder gleich mitten auf dem Verkaufstresen. Von Versteckspiel keine Spur. Lachgas ist legal. Und das Geschäft lukrativ. Die MOPO zog gemeinsam mit dem 16-jährigen Lukas (Name geändert) los und besuchte Kioske auf dem Kiez. Erster Stopp: Der „For You Kiosk“ an der Reeperbahn. „Lachgas? Klar, verkaufen wir. Aber wie alt bist du denn?“ Lukas nennt sein Alter. „16 Jahre? Das machen wir nicht. Sorry.“ Weniger Skrupel hat er Verkäufer im „Tal-Kiosk“ an der Talstraße. Unser Testkäufer bekommt die 640-Gramm-Kartusche wortlos hingehalten. Als er gerade die 25 Euro bezahlen will, kommt jedoch der Chef herein. „Tut mir leid, mein Mitarbeiter weiß das nicht. Unter 18 verkaufen wir kein Lachgas“, sagt er und nimmt die Kartusche wieder an sich.

16-Jähriger bekommt für 39 Euro Lachgas auf dem Kiez

Weiter geht es zu zwei Kiosken, die kein Lachgas verkaufen, der „Your Späti 44“ an der Seilerstraße und der „Stern-Shop Kiosk“ an der Hein-Hoyer-Straße. Letzte Station auf dem Kiez ist der „Kiosk“ in der Hein-Hoyer-Straße 5. Lukas bittet um Lachgas. Der Verkäufer hält eine Kartusche hoch. „Willst du die?“ Der 16-Jährige nickt. Wortlos reicht der Mann ihm die Tüte mit Kartusche und einer Packung schwarzer Luftballons rüber und kassiert 39 Euro für 640 Gramm. Lukas verlässt den Kiosk und übergibt die Kartusche an den MOPO-Reporter, der kurz darauf im Kiosk nachfragt. Erstaunlich: Der Verkäufer versichert, dass kein Lachgas verkauft wird. „Das haben wir früher mal verkauft, das machen wir aber nicht mehr.“

Auch in Eimsbüttel wird Lachgas verkauft. Im „Quickshop“ am Stellinger Weg bestätigt der junge Betreiber: „Ja, das verkaufen wir seit einem Jahr. Aber nicht mehr so häufig, das hat mittlerweile jeder Kiosk. Und im Internet bekommt man es ja noch günstiger.“ Meistens seien es junge Leute, die am Wochenende die Kartuschen mit 640 Gramm für 25 Euro kaufen. „Aber wir verkaufen nicht an unter 18-Jährige. Das mache ich moralisch nicht. Ich habe das selber mal genommen und wenn man zu viel davon nimmt, klatscht man auch mal weg. Das ist nicht ohne. Aber es ist legal.“ Ob er sich die Ausweise zeigen lässt? „Das merkt man ja von der Optik her und wenn wir uns nicht sicher sind, lassen wir uns den Ausweis zeigen.“

Testkäufer Lukas (16) betritt den „Quickshop“ am Stellinger Weg.
Marius Röer

Testkäufer Lukas (16) betritt den „Quickshop“ am Stellinger Weg.

Ein schlechtes Gefühl, das Lachgas zu verkaufen, hat er nicht. „Wieso? Die Leute kaufen ja auch Alkohol und können davon genauso abstürzen.“ Vor dem Laden würden die Käufer das Lachgas nicht konsumieren, behauptet der Kiosk-Betreiber. Anwohner jedoch berichten, dass durchaus vor dem Kiosk konsumiert werde und dass sie den Eindruck haben, das Lachgas werde auch an unter 18-Jährige verkauft. Die MOPO schickt ihren 16-jährigen Testkäufer in den Kiosk.

Auf die Frage, ob er Lachgas kaufen könne, erwiderte der Mann hinterm Tresen: „Tut mir leid, leider ausverkauft. Komm morgen, dann haben wir wieder Lachgas.“ Aha. Und auch der nicht vorhandene Konsum vor der Tür scheint nicht ganz korrekt. Die Polizei bestätigt einen Einsatz Anfang Juni. Gegen 8.30 Uhr hatte ein Anwohner die Beamten alarmiert. Er meldete einen Mann, der Lachgas vor dem Kiosk genommen und Passanten, darunter Kinder auf dem Schulweg, wüst bepöbelt hatte. Polizisten erteilten dem 20-Jährigen einen Platzverweis.


MOPO

Die neue WochenMOPO – ab Freitag wieder überall, wo es Zeitungen gibt!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
– Gefährlicher Rausch: So leicht kommen Teenies an Lachgas – der Test
– Wochen ohne Warmwasser oder Heizung: Das Horror-Mietshaus von Jenfeld
– Lost Place: Hier verfällt Blankeneses feinste Terrasse
– 20 Seiten Sport: Das nächste Sommermärchen? Wie die DFB-Elf bei der Heim-EM ganz Deutschland verzaubert
– 28 Seiten Plan7: Die Beatsteaks im Interview. Plus: Tickets für das ausverkaufte Konzert im Herbst zu gewinnen!

Schräg gegenüber vom „Quickshop“ wird auch im „Kiosk Aktuell“ Lachgas verkauft. „Heute haben wir aber keins da“, sagt ein Mitarbeiter. An wen sie das Lachgas verkaufen? Dazu möchte er nichts sagen und verweist an seinen Chef, der allerdings heute nicht mehr erreichbar sei. Eine paar Hundert Meter entfernt an der Osterstraße im „Kiosk 104“ steht Inhaber Cayan Altun (35) hinter dem Tresen. Für ihn ist die Sache klar: „Meine Händler haben mir das auch angeboten. Aber ich habe Kinder und bin da strikt gegen. Bei sowas bin ich knallhart.“ Er schüttelt den Kopf darüber, wie viele Kioske mittlerweile Lachgas anbieten. „Die Marge ist sehr gut. Was macht der Mensch nicht alles für Geld?“

„Alkohol verkaufen reicht mir. Und Geld ist auch nicht alles“

Beim „Döner Company Kiosk“ an der Ottenser Hauptstraße sagt der Mitarbeiter sichtlich verlegen: „Stark nachgefragt wird Lachgas bei uns nicht, da sind andere Kioske erfolgreicher mit.“ Mehr möchte er dazu nicht sagen. Auch im „Stick-In Kiosk“ an der Barnerstraße hält man sich bedeckt. Der Verkäufer sagt zwar, dass sie „leider“ Lachgas verkaufen („Drogen sind nicht so mein Ding“), aber der Chef möchte sich nicht äußern. Vor ihm in der Glasvitrine stehen die Kartuschen. Ein Liter „Exotic Whip“ für 29,90 Euro, zwei Liter für 49,90 Euro.

An der Osterstraße im „Kiosk 104“ steht Inhaber Cayan Altun (35) hinter dem Tresen. Bei ihm gibt es kein Lachgas. „Ich habe Kinder und bin da strikt gegen. Bei sowas bin ich knallhart.“
Wiebke Bromberg

An der Osterstraße im „Kiosk 104“ steht Inhaber Cayan Altun (35) hinter dem Tresen. Bei ihm gibt es kein Lachgas. „Ich habe Kinder und bin da strikt gegen. Bei sowas bin ich knallhart.“

Anders im „Kiosk Ottensen“ an der Bahrenfelder Straße und im „Kiosk 2000“ am Alma-Wartenberg-Platz. Dort wird kein Lachgas verkauft – aus Sorge um die Jugendlichen. „Ich möchte sowas nicht verkaufen, weil ich sehe, was das mit den jungen Leuten anstellt.“ Andere Kioske würden allerdings richtig gut damit verdienen. „Alkohol verkaufen reicht mir. Und Geld ist auch nicht alles“, sagt „Kiosk 2000“-Inhaber Sakir Büyükodabasi (42).

In Wilhelmsburg bietet sich ein gemischtes Bild. Etliche Kioske im Reiherstiegviertel bieten kein Lachgas an. Einer davon ist der „Kiosk 42“ an der Dierksstraße: „Wir sind generell gegen sowas. Aber es kommen regelmäßig Jungs vorbei und fragen danach. Oft haben die noch nicht mal einen Bart, so jung sind sie“, sagt ein Mitarbeiter. Im „Kiosk No 7“ an der Georg-Wilhelm-Straße allerdings werden die Kartuschen angeboten. Laut des Verkäufers ist das Lachgas stark nachgefragt, vor allem am Wochenende. Er hat Skrupel, die Partydroge zu verkaufen: „Am Ende hat alles seine Risiken, Zigaretten ja auch. Aber wenn es nach mir ginge, würden wir kein Lachgas verkaufen.“

Lachgast wirkt stark euphorisierend

Das als Partydroge genutzten Distickstoffmonoxid (N2O) wirkt innerhalb von Sekunden stark euphorisierend. Der Rausch dauert allerdings nur wenige Minuten. Das wiederholte Inhalieren kann zur Bewusstlosigkeit und schweren Stürzen führen. Sollte das Lachgas dauerhaft genommen werden, kann es zu Blutbildungsstörung und Nervenschäden führen – bis hin zur Lähmung der Beine. Im schlimmsten Fall kann es zu einem Atemstillstand mit Todesfolge kommen.

In anderen europäischen Ländern gab es bereits Todesfälle. In Großbritannien ist der Besitz von Lachgas seit November 2023 illegal – und auch in den Niederlanden sind Verkauf und Besitz größtenteils verboten. Hamburg macht sich ebenfalls für ein Verkaufsverbot an Privatpersonen stark. Aktuell wird laut Sozialbehörde auf verschiedenen Ebenen geprüft, wie eine Eindämmung „gesetzlich bestmöglich und zielführend“ umgesetzt werden kann. „Es gibt sowohl von Hamburg als auch von Niedersachsen Bestrebungen für eine restriktivere Handhabung hinsichtlich der Abgabe von Lachgas an Privatpersonen. Im Kern geht es dabei um die Frage, welches Gesetz angepasst werden kann, um die Lachgasabgabe einzuschränken“, sagt Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach will Verkauf eindämmen

Ende des Monats soll das Thema in einer eigens zu Lachgas gebildeten Arbeitsgruppe der Länder bearbeitet und ein Regulierungsvorschlag gemacht werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat angekündigt, das Thema mit Priorität zu behandeln und den Verkauf einzudämmen. Laut Bundesgesundheitsministerium könnte ein Verkaufsverbot noch in diesem Jahr deutschlandweit eingeführt werden.

Das könnte Sie auch interessieren: Gefährlicher Teenie-Trend auf dem Kiez: Der Rausch aus dem Luftballon

Dass es auch ohne Gesetzesänderung geht, zeigt der niedersächsische Landkreis Helmstedt. Dort darf Lachgas nicht mehr an Minderjährige verkauft werden. Die Kreistagsmitglieder beriefen sich in ihrem Beschluss auf die im Polizeigesetz geregelte Gefahrenabwehr, die Verbote ermöglicht, wenn es noch kein Gesetz dazu gibt. Wer im Landkreis Lachgas an Minderjährige verkauft, muss mit bis zu 5000 Euro Strafe rechnen. Warum wird das nicht auch in Hamburg gemacht? „Wir wollen den Verkauf und die Verfügbarkeit klar einschränken. Aus unserer Sicht sollte ein entsprechendes Verkaufsverbot aber bundesweit einheitlich gelöst werden, um Flickenteppichlösungen zu vermeiden“, so der Sprecher der Sozialbehörde.  

Der Rausch aus dem Luftballon: So leicht kommen Jugendliche an Lachgas wurde gefunden bei mopo.de

Please follow and like us:
Pin Share