Der Überlebenskampf des Kulturkahns: Die „MS Stubnitz“ ringt um jeden Euro

Der Überlebenskampf des Kulturkahns: Die „MS Stubnitz“ ringt um jeden Euro

Die „MS Stubnitz“: Früher war sie ein Kühl- und Transportschiff, mittlerweile ist sie als Industriedenkmal zu einer Eventlocation für Kulturveranstaltungen geworden. Und vielleicht auch zu einem Aushängeschild der HafenCity. Doch einfach ist das nicht. Es gibt immer wieder Probleme mit den Nachbarn, das Geld ist knapp. Auch der aktuelle Liegeplatz ist nur vorübergehend sicher, denn es wächst ein neues Problem heran.

Über die Gangway gelangt man auf das 60 Jahre alte Schiff, das einst für die Hochsee-Fischfangflotte der DDR im Einsatz war. Hier klappert nichts mehr. Ein Kompromiss: Wegen der Lärmbeschwerden wurde die alte Gangway im vergangenen Jahr ersetzt. Die Probleme mit den Anwohnern sind auch wegen des neuen Liegeplatzes fürs erste gelöst. Das Schiff liegt nach wie vor am selben Kai an der Norderelbe, allerdings einige Hundert Meter weiter östlich, in dem weitgehend unbewohnten Teil, direkt vor den Elbbrücken an der Straße Kirchenpauerkai. Doch die Eigner der „MS Stubnitz“ (Trägerverein Denkmal- und Kulturschiff Stubnitz e.V.) sehen sich jetzt einer ganz neuen Herausforderung gegenüber.

25.000 Euro fehlen für die Sanierung

Es stehen umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an. Kosten: 522.000 Euro. Ein Großteil wird durch Förderungen finanziert, aber 111.000 Euro müssen die Schiffseigner der „MS Stubnitz“ bis Ende Oktober selbst auftreiben. Die Zeit läuft und es fehlen nach wie vor rund 25.000 Euro. Viel Geld für einen Kulturbetrieb.

Die Arbeit auf der Stubnitz ist Teamsache: Die Vorstandsmitglieder Felix Stockmar (l.), und Stefan Hangl (r.) zusammen mit Friederike Herr aus dem Kulturteam.
Florian Quandt

Die Arbeit auf der Stubnitz ist Teamsache: Die Vorstandsmitglieder Felix Stockmar (l.), und Stefan Hangl (r.) zusammen mit Friederike Herr aus dem Kulturteam.

Doch man will die Hoffnung nicht aufgeben. Die „Stubnitz“ ist für viele ein Rückzugsort, an dem die Welt vielleicht ein kleines bisschen mehr in Ordnung ist. „Es geht darum, ein Gegengewicht zu schaffen. Bei all dem, was in der Welt um uns herum passiert. Stichwort politische, gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Entwicklungen: In den USA, in Europa – weltweit“, sagt Stefan Hangl, eines der sieben Vorstandsmitglieder.

Selbst unter der Woche sind viele Helfer an Bord, die meisten von ihnen ehrenamtlich. Sie wuseln zielstrebig durch den verwinkelten Bauch des Schiffes. Jeder scheint eine feste Aufgabe zu haben.

An jeder Ecke gibt es für die Helfer etwas zu tun.
Florian Quandt

An jeder Ecke gibt es für die Helfer etwas zu tun.

An Deck wird geschrubbt, verrostete Stellen werden überpinselt. „Alles, was weiß und wieder schick ist, ist neu“, sagt Stefan Hangl beim Rundgang. Wer genau hinsieht, entdeckt allerdings unzählige braun-rote Stellen, die noch bearbeitet werden müssen. Der Kampf gegen den Rost endet nie auf so einem alten Schiff. Überhaupt, die Arbeit hört nie auf, genau wie die regelmäßig anstehenden Kontrollen.

Im Juli gab es den Schiffs-TÜV in Stralsund

Im Juli ging es für die „Stubnitz“ dafür bereits auf große Fahrt, um sich die „Klasse“, eine Art TÜV für Schiffe, abzuholen. Auch für die Crew waren die 48 Stunden Fahrt über das offene Meer nach Stralsund ein echtes Abenteuer, bei dem jeder auf seine eigene Art gefordert war.

Künstler übernachten nach wie vor in den alten Kojen. Auch bei der Überfahrt nach Stralsund ist die Crew hier untergekommen.
Florian Quandt

Künstler übernachten nach wie vor in den alten Kojen. Auch bei der Überfahrt nach Stralsund ist die Crew hier untergekommen.

„Ich kenne mich mit Nautik überhaupt nicht aus“, sagt Hangl lachend. „Dafür habe ich jeden Morgen Schnittchen geschmiert, damit immer alle gut versorgt sind.“

Unter Deck baut eine Band schon alles für ihren Auftritt am nächsten Tag auf. Die Stubnitz ist für verschiedenste Events ausgerüstet: Konzerte, Lesungen, Ausstellungen … Es riecht nach angebratenen Zwiebeln und Tomaten. Ein Blick in die Küche verrät, warum. „Heute Mittag gibt’s Lasagne“, sagt Stefan Hangl, während in den riesigen Töpfen gerührt wird.

Im Bauch der „Stubnitz“ finden regelmäßig Konzerte statt.
Florian Quandt

Im Bauch der „Stubnitz“ finden regelmäßig Konzerte statt.

Der Alltag auf dem Schiff erzeugt eine familiäre Atmosphäre, die die „Stubnitz“ von anderen Locations unterscheidet. Viele Künstler schlafen sogar auf dem Schiff, in den alten Kojen. Morgens sitzen sie häufig zusammen an Deck und genießen die Aussicht auf den Hafen.

Aktueller Liegeplatz der Stubnitz bleibt unsicher – auch wegen neuer Nachbarn

Was sie dann nicht sehen können: in ihrem Rücken wächst bereits das nächste Problem heran. Auf der Landseite ragt eine große Baustelle in die Höhe. Wohnhäuser, in die 2026 die ersten Mieter einziehen sollen.

Die „Stubnitz“ ist in diesem Jahr nach Lärmbeschwerden der Anwohner ein paar Hundert Meter weiter in Richtung Elbbrücken gezogen. Doch die neue Großbaustelle nebenan verheißt auch hier nichts Gutes.
Florian Quandt

Die „Stubnitz“ ist in diesem Jahr nach Lärmbeschwerden der Anwohner ein paar Hundert Meter weiter in Richtung Elbbrücken gezogen. Doch die neue Großbaustelle nebenan verheißt auch hier nichts Gutes.

Dann könnten die Lärmbeschwerden der Nachbarn wieder zunehmen. Zumal die Lizenz für den Liegeplatz in zwei Jahren ebenfalls ausläuft. Wie es dann weitergeht, ist ungewiss.

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Erstmal muss ohnehin das finanzielle Problem gelöst werden. Dafür gibt es eine Spendenseite. Außerdem fand am Donnerstag ein ausverkauftes Spendenkonzert mit der Band „Die Sterne“ statt. Doch in nächster Zeit stehen diverse Veranstaltungen an. „Jedes Ticket, das gekauft wird, jedes Bier, jede Limo hilft uns“, sagt Stefan Hangl. Jeder Gast, der über die Gangway auf das Schiff klettert, trägt seinen Teil zum Erhalt bei.

Der Überlebenskampf des Kulturkahns: Die „MS Stubnitz“ ringt um jeden Euro wurde gefunden bei mopo.de

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