Diese beiden Brüder wollen aus einem Milchhof einen veganen Vorzeigehof machen

Diese beiden Brüder wollen aus einem Milchhof einen veganen Vorzeigehof machen

Mausi ist mit ihren 17 Jahren längst im Ruhestand. Und immer noch neugierig. Zielstrebig kommt die Kuh zum Gatter neben dem alten Melkstand und nimmt Kontakt mit den Brüdern auf, die eine landwirtschaftliche Revolution angezettelt haben: Marco und Maik Möller, auf dem Bauernhof aufgewachsen, wollen aus dem elterlichen Milchbetrieb in Lentföhrden (Kreis Segeberg) einen veganen Vorzeigehof machen – ohne Tiere! Die MOPO hat sie besucht.

Mitten in dem rund 2800-Einwohner-Dorf liegt der Möller-Hof, gerahmt von hohen Bäumen. Roter Backstein, zwei Stockwerke, teilweise mit Holz verkleidet, die Zufahrt geschottert. Hier also sind Marco (27) und Maik (26) aufgewachsen und haben früh mit der Landwirtschaft gefremdelt. „Wir haben zwar mitgeholfen“, sagt Marco, „aber uns interessierten mehr Freunde, Fußball und Playstation.“

Der Möller-Hof in Lentföhrden: Neben der Landwirtschaft werden auch Ferienwohnungen vermietet.

Frank Wieding

Der Möller-Hof in Lentföhrden: Neben der Landwirtschaft werden auch Ferienwohnungen vermietet.

Ihr Vater Hans musste als Ältester der vierten Generation den Hof noch übernehmen. Das war damals so. „Bei uns wollte er es anders machen“, so Marco. Er entscheidet sich für eine Banklehre und wird Versicherungskaufmann, sein Bruder Maik macht ein IT-Studium. „Wir wollten beide beruflich mit dem Hof nichts zu tun haben.“ Zunächst.

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Maik lebt mehrere Jahre fernab der Heimat, besucht „vier- bis fünfmal die Woche den Döner-Mann“, isst viel Huhn und macht Krafttraining. Doch die Klimakrise, sagt er, lässt ihn nachdenklich werden. Er legt einen vegetarischen Monat ein, merkt, dass er das Fleisch nicht braucht. „Ich konnte immer schlechter verdrängen, welche Folgen der Konsum von Fleisch für die Tiere und die Umwelt hat“, sagt Maik Möller. Er guckt Videos von veganen Influencern, setzt sich „einen Zeitpunkt“. Und wird vegan. „Ganz für mich allein. Der Abstand vom Hof hat mir dabei sicher geholfen.“

Der Abstand zum Hof half beim Umstieg aufs vegane Leben

Die Familie weiß davon nichts. Bis Maik es Weihnachten 2021 erzählt. „Es war auch für mich der Einstieg, mich mit dem Thema zu beschäftigen“, sagt Marco. Auch er lebt erst vegetarisch. Dann vegan. Zwei Brüder vom Bauernhof wollen plötzlich nicht mehr die Milch trinken, für die der Familienbetrieb steht. In den zurückliegenden 100 Jahren gab es meistens Kühe auf dem Hof.


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Waren die Eltern nicht schockiert? „Ein bisschen vielleicht, aber es war sehr entspannt. Wir haben uns gegenseitig erzählt, was uns bewegt und was wir für Vorstellungen haben. Unsere Eltern verstehen uns zum Glück“, sagt Maik. „Und unser Vater sagt auch, wir müssen von den Tierzahlen runter, der sieht das vom Klimaschutz her.“

Mausi (vorne) ist schon 17 Jahre alt – und wird bei den Möllers auf dem Hof bleiben.

Frank Wieding

Mausi (vorne) ist schon 17 Jahre alt – und wird bei den Möllers auf dem Hof bleiben.

Den Eltern ist es wichtig, dass die Tiere ein gutes Leben haben, bevor sie getötet werden. Anette (54) und Hans Möller (58) sind wahre Öko-Pioniere, bauten den Milchhof zum Bioland-Betrieb um. Statt Anbindehaltung kommen die Schwarzbunten Niederungsrinder auf die Weide und sie dürfen ihre Hörner, die sonst bei Kälbern oft ausgebrannt werden, behalten. Vater Hans gründet schon vor mehr als zehn Jahren mit vier Kollegen die „De Öko Melkburen“, eine eigene Biomilchmarke.

Für die mutterkuhgebundene Kälberaufzucht gibt’s 2022 von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) den Bundespreis Ökologischer Landbau. Dabei bleiben die Kälber drei Monate bei ihren Müttern, können so viel Muttermilch trinken, wie sie brauchen. Dass das immer noch etwas Besonderes ist und ausgezeichnet wird, zeigt, was in der Landwirtschaft alles schiefläuft.

Hof in Lentföhrden steht der größte Wandel seiner Geschichte bevor

„In der konventionellen Tierhaltung ist es üblich, dass die Kälber ihren Müttern nach der Geburt weggenommen und in einem Iglu aufgezogen werden“, sagt Maik Möller. Und nach wenigen Wochen an Kälbermastbetriebe verkauft werden, die sie entweder als Kälber nach acht Monaten oder als Jungtiere nach ein bis zwei Jahren Mast schlachten lassen. Anette und Hans Möller haben ihre Kälber im Freiland großgezogen – bis sie geschlachtet wurden.

„Der Hof war immer im Wandel“, sagt sein Bruder Marco. Aber jetzt steht wohl der größte an, vielleicht auch nur der ungewöhnlichste. „Marco und ich haben gesehen, dass man hier einen Ort der Veränderung schaffen kann“, sagt Maik. Vor eineinhalb Jahren erzählen sie ihren Eltern, dass sie sich doch vorstellen können, den Hof zu übernehmen – aber ohne Tierhaltung.

Gemüse jetzt auch biozyklisch-vegan zertifiziert

Der fünften Generation reicht nicht „etwas mehr Tierwohl“, sondern ihr geht es um Ethik, um das Lebensrecht der Tiere und „die Vermeidung von Ausbeutung und Grausamkeiten“. Es ist ein Weg voller Mut, Innovation und der Kraft durch Veränderung. Wie es den Brüdern dabei ergeht, wird die MOPO immer mal wieder berichten.

Die erste Hürde haben sie bereits genommen, nach dem Bioland-Siegel ist ihr Gemüse nun auch biozyklisch-vegan zertifiziert. Aber ist Gemüse nicht immer vegan? „In vielen Düngern sind Schlachtabfälle und Hornspäne“, sagt Marco. Auch der Dung der Kühe, die noch auf dem Hof leben, fällt jetzt weg: „Wir düngen mit pflanzlichem Kompost, der hauptsächlich aus Kleegras besteht.“

Im alten Melkstand liegt zur Anschauung auch eine Betäubungszange.
Frank Wieding

Im alten Melkstand liegt zur Anschauung auch eine Betäubungszange.

Das saisonale Gemüse, das auf dem Hof mit den Mitarbeitern angebaut wird, wird über eine Solidarische Landwirtschaft verkauft – also ein Genossenschaftsprinzip, bei dem Landwirt und Kunden direkt voneinander profitieren. Für ihre Gemüsekisten-Abos gibt es auch Abholstellen in Hamburg und Norderstedt. Gerade landen Ringelbete, Kartoffeln, lila und grüne Bohnen oder die Tomate Trixi in der Kiste.

Den Melkstand mit der niedrigen Decke, dem Spaltenboden und mit dem Gestänge, in dem die Kühe fixiert wurden, haben die Brüder gelassen, wie er war – er ist „eine Art Museum“. In der Ecke stehen Milchkannen, auf einem Tisch liegt eine große Betäubungszange aus dem Schlachthof. „Wir nutzen die alte Einrichtung zur Wissensvermittlung“, sagt Marco. „Bildung ist so wichtig.“

Milch gebende Kühe: Ein Kreislauf, der immer mehr Leid produziert

Deswegen laden die Brüder Schulklassen auf den Hof ein, haben dafür einen Verein gegründet. Oder informieren über den Hof und ihre Arbeit als „moellerbrueder“ auf Instagram. „Die Leute glauben, dass Kühe von sich aus Milch geben“, sagt Maik. „Da hat eine komplette Entfremdung stattgefunden.“ Kühe geben Milch, wenn sie ein Kalb geboren haben. Jedes Jahr wieder muss das passieren, sonst versiegt die Milch. Ein Kreislauf, der immer mehr Tiere und immer mehr Leid produziert. Die Brüder gestehen, dass ihnen das in ihrer Kindheit auch nicht wirklich klar war.

Nächstes Jahr steigen die beiden in die Hofbewirtschaftung ein – gemeinsam mit ihren Eltern. Ab 2026 sollen sie es dann allein schaffen. Und was passiert mit all den Milchkühen? Ein schwieriges Thema, über das die Brüder viel mit den Eltern gesprochen haben. Sie kommen wohl auf den Hof eines befreundeten Biolandwirts.

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„Die für uns perfekte Lösung gibt es leider nicht. Wir haben mit unseren Eltern einen Kompromiss vereinbart“, sagt Maik. „Unser Vater entscheidet, was mit der Herde passiert. Und wir entscheiden, welchen Weg wir mit dem Hof einschlagen.“ Aber Mausi, die inzwischen auf der Wiese zwischen den Apfelbäumen liegt, und ein Ochse dürfen bleiben. Auch weil sie den Eltern so ans Herz gewachsen sind.

Diese beiden Brüder wollen aus einem Milchhof einen veganen Vorzeigehof machen wurde gefunden bei mopo.de

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