Er galt als Opfer von Polizeigewalt – und sitzt jetzt wegen versuchten Mordes in Haft

Er galt als Opfer von Polizeigewalt – und sitzt jetzt wegen versuchten Mordes in Haft

Er fuhr mit einem E-Roller auf dem Bürgersteig und wollte sich nicht ausweisen – der folgende Polizeieinsatz misslang gründlich und sorgte für eine Welle der Empörung: Vor vier Jahren widersetzte sich der damals 15-jährige Kadir H. einer polizeilichen Maßnahme in der Neustadt und wurde von Beamten nach einer minutenlangen Rangelei zu Boden gebracht. H. galt damals vielen als Opfer von Polizeigewalt, eine interne Untersuchung wurde angestrengt. Allerdings war der Jugendliche da bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Nach einem blutigen Überfall auf eine Shisha-Bar hat der heute 19-Jährige wieder Ärger mit der Polizei – allerdings auf ganz anderem Niveau: Es geht um versuchten Mord.

Zusammen mit seinem Bruder (17) und zwei anderen Komplizen soll er, so der Ermittlungsstand von Polizei und Staatsanwaltschaft, im November des vergangenen Jahres eine Shisha-Bar an der Scheplerstraße (Altona-Altstadt) gestürmt haben, um sie zu überfallen.

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Doch Gäste wehrten sich. Es kam zur Auseinandersetzung, bei der die maskierten Täter Waffen einsetzten, darunter Macheten und Messer – sowie eine scharfe Schusswaffe, die sie nach der Tat vor dem Laden liegen ließen. Ein Gast (37) erlitt eine Schusswunde am Oberkörper und eine Schnittverletzung an der Hand. Zwei andere wurden ebenfalls verletzt.

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Trotz der fehlenden Bereitschaft der Beteiligten vor Ort, Aussagen zum Vorfall zu machen, kamen die Beamten auf die Spur der vier Tatverdächtigen, die nach der Tat noch einem Passanten ein Messer an den Hals gehalten haben sollen, um unter anderem dessen E-Scooter zur Flucht nutzen zu können. Die Polizei durchsuchte in den vergangenen zwei Wochen die Wohnungen der jungen Beschuldigten. Kadir H. und sein Bruder sitzen seitdem in Untersuchungshaft.

Diese Shisha-Bar in Altona wurde überfallen.
Patrick Sun

Diese Shisha-Bar in Altona wurde überfallen.

Kadir H. hatte schon im August 2020 für mediales Aufsehen gesorgt: Ein Video zeigte, wie er von mehreren Polizisten zu Boden gebracht wird, unter heftiger Gegenwehr des damals 15-Jährigen. Beamte knieten sich auf ihn. Der kräftig gebaute Teenie – zu der Zeit schon wegen Gewaltdelikten polizeibekannt – hatte seine Personalien nicht herausgeben wollen, nachdem er mit einem E-Roller über den Gehweg an der Straße Kohlhöfen in Neustadt fuhr. Das Video ging viral und sorgte für Demonstrationen der linken Szene. Auch das Verhalten der Beamten wurde intern geprüft.

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Schon vor dem Vorfall in der Neustadt wurde gegen den Jugendlichen ermittelt. Und auch hinterher: Dabei ging es um Raub, Diebstahl und Körperverletzung. Unter anderem griff er seinen Lehrer an, beteiligte sich später an Schaukämpfen, die während der Corona-Pandemie wegen strenger Kontaktregeln verboten waren. Es folgten Verurteilungen. Oft ließ die Justiz aber auch Milde walten, beließ es bei Ermahnungen.

Mordkommission ermittelt

Bei den Durchsuchungen in der vergangenen Woche fanden die Beamten „nicht geringe Mengen Marihuana“, eine scharfe Schusswaffe, eine Machete und mehrere Schreckschuss- und Softair-Waffen. Ob ein Teil der sichergestellten Beweise bei der Tat im November benutzt wurde, wird nun kriminaltechnisch untersucht. Die Hintergründe des Überfalls sind weiter unklar. Die Mordkommission ermittelt. (dg)

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