Er nahm den Rechten ihren „Stolzmonat“ ab – und bekommt dafür den Ehren-Pride-Award

Er nahm den Rechten ihren „Stolzmonat“ ab – und bekommt dafür den Ehren-Pride-Award

Jedes Jahr und auf der ganzen Welt wird im Juni der sogenannte „Pride Month“ gefeiert: Aktionen sorgen für Sichtbarkeit von queeren Menschen, viele „Christopher Street Days“ finden statt. Im vergangenen Jahr instrumentalisierten Rechte den Begriff für sich. Unter dem Wort „Stolzmonat“ starteten sie im Internet eine Kampagne, die für Patriotismus wirbt. Der queere Aktivist und Influencer Fabian Grischkat (23) hat nun die Markenrechte an dem Begriff angemeldet, um ihn den Rechten wegzunehmen. Am Samstag wurde er für sein Engagement mit dem Hamburger Ehren-Pride-Award 2024 ausgezeichnet. Die MOPO hat mit dem Berliner über Kuckucksuhren, Stolz und die deutsche Nationalflagge gesprochen.

MOPO: Herr Grischkat, der deutsche Begriff „Stolz“ begegnet einem im queeren Kontext nicht oft. Was bedeutet für Sie „Stolz“?

Fabian Grischkat: Im deutschsprachigen Raum ist dieser Begriff in der Tat unüblich. International gesehen ist das englische Wort „Pride“ jedoch sehr populär – hierbei geht es nicht um Nationalstolz, sondern um Stolz auf die Vielfalt. Und die deutsche Übersetzung des Wortes will ich nicht den Rechten überlassen. Denn wir können in Deutschland auf vieles stolz sein, zum Beispiel auf die „Ehe für alle“.

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Schwarz-rot-gold und die Regenbogenflagge schließen sich also nicht aus?

Nein, überhaupt nicht. Für mich ist es kein Widerspruch, wenn man am Freitag im Fußballstadion die Deutschlandflagge schwenkt und am nächsten Tag zum CSD geht. Die Regenbogenflagge gehört genauso zu Deutschland wie die Kuckucksuhr.

Was hat es mit dem Begriff „Stolzmonat“ auf sich?

Der Begriff tauchte im deutschsprachigen Raum das erste Mal am 1. Juni 2023 auf. Eigentlich findet im Juni der Pride Month statt, also der Monat, der für Sichtbarkeit der queeren Community sorgen will. Doch an diesem Tag schwappten mir im Internet eine Welle von Deutschlandflaggen und der Hashtag „Stolzmonat“ entgegen. Für mich war schnell klar: Das muss eine organisierte, rechte Kampagne sein.

Wer steckt hinter dieser Kampagne?

Ursprünglich sind das rechte Akteure, viele kommen aus dem Umfeld der AfD und der rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Den Begriff „Stolzmonat“ übernehmen dann Internetnutzer:innen, die mit diesem rechten Gedankengut sympathisieren. So verbreitet sich das Wort im Internet sehr schnell.

„Die Rechten wollen den Pride Month für sich vereinnahmen“

Was wollen diese Aktivisten mit der Kampagne erreichen?

Die Rechten wollen damit den Pride Month für sich vereinnahmen und Unruhe stiften. Die offenen Werte, für die die queere Community steht, stehen im Kontrast zu ihrem nationalistischen Weltbild. Sie propagieren, dass wir ihr „traditionelles“ Familienbild bedrohen und deshalb eine Gefahr darstellen.

Wie kam es dann dazu, dass sie sich den Begriff markenrechtlich gesichert haben?

Das war am Anfang dieses Jahres. Mir war klar, dass die Rechten auch in diesem Jahr den Begriff wieder für sich kapern werden. Und da dachte ich mir, dass man dem etwas entgegensetzen muss. Ich habe mich mit einer Hamburger Kanzlei zusammengeschlossen und „Stolzmonat“ beim europäischen Marken- und Patentrechtamt angemeldet. Bis das ganze Verfahren durch ist, dauert es aber noch.

„Bin verstärkt zur Zielscheibe für rechte Hetze geworden“

Gab es daraufhin Reaktionen von der rechten Seite?

Ja, eine Person, die für die AfD tätig ist, hat die Anmeldung des Begriffs schon angefochten. Aber wir sind guter Dinge, dass wir das vor Gericht durchsetzen und uns die Marke sichern können. Außerdem bin ich verstärkt zur Zielscheibe für rechte Hetze geworden.

Was heißt das konkret?

Beleidigungen, Bedrohungen und vereinzelt auch Morddrohungen gehören für mich mittlerweile zum Alltag. Für mich ist es wichtig, da nicht wegzuschauen, sondern das konsequent zur Anzeige zu bringen. Da habe ich null Toleranz. Inzwischen schreiben die Leute Hassnachrichten sogar unter ihrem Klarnamen. An einem solchen Punkt der Verrohung sind wir heute angekommen.

„Mich trifft die Gewalt nicht physisch, doch auf einer anderen Ebene“

Wurden Sie auch schon einmal „im echten Leben“ angegriffen?

Nein, zum Glück noch nicht. Dennoch bin ich sehr wachsam. In größeren Gruppen schaue ich mich ständig um. Ich war letztens beim Christopher Street Day in Pirna, einem kleinen Ort im Osten Deutschlands. Da war auch eine Gruppe, die uns den Mittelfinger gezeigt haben. Das macht schon was mit einem. Mich trifft die Gewalt nicht physisch, doch auf einer anderen Ebene.

Was meinen Sie damit?

Dass ich nicht sorgenfrei auf eine solche Veranstaltung gehen kann, ist alarmierend. Ich dachte, dass Werte wie Vielfalt und Toleranz in meiner Generation selbstverständlich sind. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall. Jetzt kann man in eine Schockstarre übergehen – oder man versucht, dem etwas entgegenzusetzen. Ich habe mich für Letzteres entschieden und versuche on- wie offline mit jungen Menschen über queere Themen zu sprechen. Ich will ihnen klarmachen: Queere Menschen sind keine Aliens.

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Was hat Ihre „Stolzmonat“-Gegenaktion bislang bewirkt?

Im Juni dominierte unsere Gegenaktion bei allen Suchmaschinen, wenn man dort nach dem Begriff „Stolzmonat“ suchte. Und wir haben eine Kollektion mit dem Aufdruck „Stolzmonat“ auf den Markt gebracht. Der Gewinn geht zu 100 Prozent an die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die damit die Wanderausstellung „Gefährdet leben. Queere Menschen 1933-1945“ finanziert. Da sind schon mehrere Tausend Euro zusammengekommen.

Er nahm den Rechten ihren „Stolzmonat“ ab – und bekommt dafür den Ehren-Pride-Award wurde gefunden bei mopo.de

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