EU-Gipfel: Wer bald die Spitzenposten in Brüssel besetzen könnte

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Wer sind die künftigen Gesichter der EU? Ein informeller Gipfel dürfte heute für Klarheit sorgen. Ein Überblick über die aussichtsreichsten Kandidaten. Offiziell ist es nur ein informeller Gipfel, zu dem die Staats- und Regierungschefs am Montagabend in Brüssel zusammenkommen. Doch bei dem Termin dürften die Weichen gestellt werden, wer nach der Europawahl für die kommenden fünf Jahre die wichtigsten Ämter in der Europäischen Union erhalten wird. Bei der Wahl ging erneut die konservative EVP als stärkste Fraktion im EU-Parlament hervor, zu der in Deutschland die CDU und CSU gehören. Größere Zuwächse konnten vor allem die Parteien am rechten Rand verzeichnen, während Grüne und Liberale viele Plätze verloren. Doch um welche Posten geht es bei dem Gipfel und wer hat darauf die besten Chancen? t-online gibt einen Überblick. Kommissionspräsidentin: Ursula von der Leyen Über den vermutlich mächtigsten Posten könnte es diesmal am wenigsten Diskussionen geben. Nach fünf Jahren als Kommissionspräsidentin wird Ursula von der Leyen (CDU) wohl in ihre zweite Amtszeit gehen können. Die 65-Jährige muss dafür mit qualifizierter Mehrheit von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen werden: Dafür braucht von der Leyen die Zustimmung von 55 Prozent der EU-Staaten (15 von 27), die insgesamt 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Die Zustimmung von 13 EU-Staaten, die aktuell von Parteien aus der EVP-Familie geführt werden, gilt als sicher. Auch die Zustimmung von Olaf Scholz ist wohl wahrscheinlich: Der Bundeskanzler sagte am Wochenende dem Nachrichtensender Welt, es spreche “alles dafür”, dass “es eine zweite Amtszeit geben kann von Ursula von der Leyen”. Allerdings forderte Scholz, dass sich von der Leyen nicht auf eine Zusammenarbeit mit Parteien vom äußeren rechten Rand einlasse. In der Vergangenheit hatte EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) immer wieder die Nähe zur italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrer postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia gesucht. Meloni sagte nach dem G7-Gipfel in Italien in der vergangenen Woche, dass ihr wichtig sei, dass Italien “angemessen” berücksichtigt werde. Endgültig entschieden wird über den Chefposten in der Kommission allerdings heute noch nicht: Von der Leyen muss anschließend auch im Europäischen Parlament mit absoluter Mehrheit gewählt werden. Offizielle Beschlüsse sind erst beim EU-Gipfel am 27./28. Juni zu erwarten. Offen ist auch die Positionierung von Emmanuel Macron : Der französische Präsident hat bisher öffentlich noch nicht erklärt, ob er eine weitere Amtszeit der CDU-Politikerin unterstützt. 2019 war er es allerdings, der von der Leyen hinter verschlossenen Türen überhaupt erst ins Spiel gebracht haben soll: Die damalige deutsche Verteidigungsministerin hatte zuvor nicht einmal für das EU-Parlament kandidiert. Nachdem die Spitzenkandidaten der Konservativen und Sozialdemokraten, Manfred Weber (EVP) und Frans Timmermans (S&D), allerdings bei den Staatenlenkern durchgefallen waren, fiel die Wahl überraschend auf von der Leyen. Ratspräsident: António Costa Die Nachfolge des scheidenden Ratspräsidenten Charles Michel scheint ebenfalls unstrittig zu sein: Als zweitstärkste Kraft bei den Europawahlen werden die europäischen Sozialdemokraten wohl den Posten des Ratspräsidenten mit António Costa besetzen können. Der Portugiese war bis April neun Jahre Ministerpräsident in seiner Heimat. Der Wechsel auf dem Posten dürfte auch von der Leyen entgegenkommen. Michel darf nach fünf Jahren im Amt nicht erneut antreten. Das Verhältnis zwischen ihm und von der Leyen galt aber schon lange als belastet. Allerdings wäre auch die Nominierung von Costa nicht gänzlich unproblematisch: Der Portugiese war im vergangenen November wegen mutmaßlichen Verwicklungen in einen Korruptionsfall zurückgetreten. Gänzlich aufgeklärt ist der Vorgang bis heute nicht. Aus diesem Grund nennen verschiedene Medien als Alternativen die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen oder ihren belgischen Amtskollegen Alexander De Croo. Gewählt wird der Ratspräsident von den Staats- und Regierungschefs der EU-Länder für zweieinhalb Jahre. Danach kann die Amtszeit auf weitere zweieinhalb Jahre einmalig verlängert werden. EU-Außenbeauftragte: Kaja Kallas Sollten von der Leyen und Costa gewählt werden, wäre der dritte Prestigeposten wohl für die Liberalen vorgesehen, die bei der Wahl auf Rang drei landeten. Als Favoritin gilt hier die Ministerpräsidentin von Estland. Fremd wäre Kaja Kallas ein Platz in Brüssel nicht: Von 2014 bis 2018 war sie bereits Abgeordnete im Europäischen Parlament. Zudem wäre mit ihr auch ein Spitzenposten an eine Politikerin aus Osteuropa vergeben. Über die Grenzen ihrer Heimat hinaus bekannt wurde Kallas für ihre starke Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland . Bezogen auf die eigene Wirtschaftsleistung gibt kein Land mehr Geld für die Ukraine als Estland aus. Nicht auszuschließen ist, dass der außenpolitische Ton der EU mit der Estin etwas schärfer werden könnte. Unumstritten ist das in Europa nicht überall: Angeblich soll sich Kallas zuvor auch Hoffnungen auf den Posten der Nato-Generalsekretärin gemacht haben, doch ihr forscher Ton gegenüber Russland soll nicht allen Nato-Staaten vermittelbar gewesen sein. Weitere Posten Auf dem Gipfel geht es offiziell nur um die drei genannten Posten. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass der ein oder andere Entscheider seine Zustimmung auch an Zugeständnisse für andere Posten knüpfen könnte: Offen ist etwa weiter die Nachfolge des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg. Der Norweger wollte ursprünglich bereits vor zwei Jahren den Posten abgeben, um in seiner Heimat Chef der Zentralbank zu werden. Infolge der russischen Invasion der Ukraine wurde Stoltenbergs Amtszeit allerdings weiter verlängert. Auf dem Natogipfel im Juli soll allerdings endlich ein Nachfolger präsentiert werden. Als Favorit galt dort zuletzt der scheidende niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Die Nominierung des Niederländers wird unter anderem auch von der Bundesregierung unterstützt. Auch die Unterstützung aus Großbritannien , Frankreich und den USA gilt als sicher. Allerdings hat auch der rumänische Präsident Klaus Iohannis offiziell seinen Hut in den Ring geworfen – und der Generalsekretär muss einstimmig von allen Nato-Staaten gewählt werden. Denkbar ist daher, dass auf den letzten Metern Rumänien ein namhafter EU-Posten angeboten wird, damit Iohannis seine Kandidatur aufgibt.