Experten über Schutzräumen: Großbunker im Kriegsfall nicht erste Wahl

Experten über Schutzräumen: Großbunker im Kriegsfall nicht erste Wahl

Laut einem Expertenbericht sind vorhandene Großbunker nicht mehr geeignet, die Bevölkerung im Kriegsfall zu schützen. Stattdessen sollen die Bürger selbst vorsorgen. Es ist eine Studie, deren Antworten die Bevölkerung in Teilen verunsichern könnte, um es mit einem ehemaligen Innenminister zu sagen. Laut des “Sachstandsbericht zur Entwicklung eines modernen Schutzraumkonzepts”, über den im Juni die Innenminister der Länder diskutieren wollen, sollen die Menschen in Deutschland im Falle eines militärischen Angriffs nicht in Bunkern geschützt werden. Jedenfalls nicht in erster Linie, so die Experten. Sollte es tatsächlich zum Ernstfall kommen, eine feindliche gesinnte Macht Deutschland angreifen, dann würden Großbunker, wie sie noch zu Zeiten des Kalten Krieges betrieben wurden, nicht mehr zeitgemäß, um die Bevölkerung zu schützen. Das liegt schlichtweg an der massiven Zerstörungskraft moderner Waffentypen. “Gegen moderne Präzisionswaffen, die gezielt einzelne kriegsrelevante Objekte zerstören und bei deren Angriff nur wenige Minuten Vorwarnzeit verbleiben, sind zentral gelegene öffentliche Schutzräume für mehrere hundert oder tausend Menschen keine geeignete Schutzmaßnahme”, heißt es in dem Papier, das Experten des Bundesinnenministeriums, des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erarbeitet haben und das dem Magazin “Der Spiegel” vorliegt. “Direkttreffen kann jegliche Art von Schutzraum zerstören” Um den Zustand von Deutschlands Schutzräumen ist es ohnehin nicht besonders gut bestellt. Schon seit Jahren fordern Experten eine Überarbeitung bestehender Schutzkonzepte für die Zivilbevölkerung, dem kommt die Expertenrunde mit ihrem Papier nun nach. Von einst 2000 öffentlichen Bunkern sind derzeit noch 579 einsatzfähig, 470.000 Menschen könnten darin Unterschlupf finden. Doch diese Bunker sind womöglich gar nicht der beste Ort, um sich zu schützen. Präzision und Wirksamkeit heutiger Waffensysteme seien nämlich “so groß, dass ein Direkttreffen jegliche Art von Schutzraum zerstören könnte”, heißt es in dem Bericht ausdrücklich. Mit anderen Worten: einen Schutz vor feindlichen Attacken gibt es nicht. Da die Lage der Großbunker zudem allgemein bekannt ist – die Bevölkerung muss schließlich wissen, wohin sie im Ernstfall flüchten kann – könnten sie auch ein Ziel für eventuelle Angriffe darstellen. Die Experten empfehlen in ihrem Papier daher eine ungewöhnliche Maßnahme: den provisorischen Ausbau des eigenen Kellers zum Schutzraum. Räume unterhalb der Erdoberfläche oder im Inneren von Gebäuden würden “bereits heute vor einem Teil der anzunehmenden Gefahren” schützen. “Um die Schutzwirkung nochmals zu verbessern, kann auf freiwilliger Basis und mit einfachen, ohne handwerklichen Sachverstand ausführbaren Maßnahmen eine ‘Härtung’ insbesondere von Kellerräumen erreicht werden”, heißt es in dem Papier. So sollten Hausbesitzer etwa eine “provisorische Abdeckung von Kellerfenstern und -öffnungen” vornehmen. Ziel müsse es sein, so der Expertenbericht, “eine größtmögliche Zahl Baulicher Selbstschutzräume (BSR)” zu schaffen. Dennoch dürften die noch vorhandenen Bunker “zumindest in Ballungsräumen” als Schutzmöglichkeit dienen, und zwar für diejenigen angeboten, “die unterwegs von einem militärischen Angriff überrascht werden”. Die Rede ist hier etwa von Kaufhäusern, Tiefgaragen, U-Bahnstationen oder Tunneln. Um rund 85 Millionen Einwohner zu schützen, rechnen die Experten vor, müssten circa 210.100 größere Bunker gebaut werden. Die Gesamtkosten dafür kalkulieren sie auf 140,2 Milliarden Euro. In Finnland und der Schweiz gibt es laut Bericht entsprechende Bunkerplätze für 85 beziehungsweise “fast 100 Prozent” der Bevölkerung.