G20-Prozess in Hamburg: Schöffe fliegt wegen Befangenheit raus

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Seit sechs Monaten läuft der Prozess gegen G20-Gegner, die während des Gipfels in Hamburg vor sieben Jahren am Rondenbarg (Bahrenfeld) in eine Konfrontation mit der Polizei geraten waren. Jetzt wäre das Verfahren um ein Haar geplatzt. Ein Schöffe muss gehen. Die Richterin darf bleiben. Auslöser war die Reaktion auf einen Medienbericht. Was ist da los?

Vor zwei Wochen hatte die Verteidigung der beiden letzten verbliebenen Angeklagten Befangenheitsanträge gegen die Vorsitzende Richterin sowie gegen einen der Schöffen eingereicht. Zur Begründung hieß es, man habe erhebliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Überparteilichkeit der beiden Kammermitglieder.

Landgericht Hamburg entscheidet: Schöffe muss gehen, Richterin bleibt

Am Dienstag gab das Landgericht Hamburg dem Antrag gegen den Schöffen statt. Er muss nun ausgetauscht werden. Die Ablehnung der Vorsitzenden Richterin wurde dagegen zurückgewiesen. Die Entscheidung soll am Donnerstag beim nächsten Prozesstermin bekannt gegeben werden.

Hintergrund: Der Schöffe hatte sich Ende Mai im Anschluss an einen Verhandlungstag über einen Bericht des NDR beschwert und damit versucht, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Er schrieb gezielt an die Online-Redaktion des NDR, weil er der Meinung war, dass die Rolle der Polizei in dem Bericht falsch dargestellt worden sei.

An dem fraglichen Prozesstag am 31. Mai hatte der Einsatzleiter einer Polizei-Hundertschaft vor Gericht zu den Ereignissen am 7. Juli 2017 am Rondenbarg ausgesagt. Sowohl die MOPO als auch die „taz“ und der NDR hatten darüber berichtet und dabei erwähnt, dass es bei der Konfrontation unter den Demonstranten zu einem sogenannten „Massenanfall an Verletzten“ gekommen war.

Polizeigewalt bei G20-Protest? Schöffe beschwert sich beim NDR

„20 Rettungswagen waren an jenem Morgen am Rondenbarg vor Ort, 67 Teams von Notärzten und Sanitätern. Sie versorgten G20-Gegnerinnen und -Gegner, die von Polizisten bei der Festnahme verletzt worden waren“, so der Wortlaut des NDR-Berichts, der dem Schöffen offenbar nicht passte. Ebensowenig wie der Hinweis am Ende des Beitrags, dass 70 Anklagen gegen Demonstrierende erhoben wurden, aber keine einzige gegen Polizisten.

Aus dem Wortlaut der E-Mails, die der Schöffe an den NDR geschrieben habe, sei klar erkennbar gewesen, dass dieser keine neutrale Position mehr einnehme, erklärte Rechtsanwalt Adrian Wedel zur MOPO. „Er hat sich seine Meinung schon gebildet und lässt keinen Spielraum erkennen, dass er seine Meinung in der Beweisaufnahme nochmal ändern könnte.“

G20-Prozess in Hamburg: Schöffe wird durch eine Vertreterin ersetzt

Weil Richterin Sonja Boddin über die Beschwerde des Schöffen informiert wurde und dessen Verhalten zwar kritisierte, allerdings keine Konsequenzen daraus zog, hatte die Verteidigung der beiden Angeklagten – ein Student und eine Erzieherin aus Berlin – auch gegen sie einen Befangenheitsantrag gestellt. Ohne Erfolg.

Eine Sprecherin des Hanseatischen Oberlandesgerichts erklärte dazu gegenüber der MOPO: „Der abgelehnte Schöffe hatte sich selbsttätig über ein Online-Kontaktformular an den NDR gewandt und die dortige Berichterstattung gerügt. Die Vorsitzende hat alle Verfahrensbeteiligten darüber in Kenntnis gesetzt und auch im Übrigen zu erkennen gegeben, dass sie nicht festgelegt ist und den Angeklagten gegenüber keine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflusst.“

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Für den Schöffen werde nun eine Ergänzungsschöffin aufrücken, die dem Prozess von Anfang an beigewohnt habe. „Das Verfahren kann also weitergeführt und muss nicht etwa ausgesetzt werden“, so die Sprecherin. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt – bereits ohne den abgesetzten Schöffen.

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