Gebrüll, Schikanen und ein gefräßiger Hund: Kleinkrieg auf Kosten der Ärmsten

Gebrüll, Schikanen und ein gefräßiger Hund: Kleinkrieg auf Kosten der Ärmsten

Eigentlich hätten die Ehrenamtlichen von Hamburgs Tafel und des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) einen Orden verdient, weil sie Woche für Woche Bedürftige mit Lebensmitteln versorgen. Stattdessen bekamen sie jetzt von „Fördern & Wohnen“ ein Hausverbot: Die Lebensmittelausgabe auf dem Gelände der Wohnunterkunft am Holstenkamp (Bahrenfeld) ist ab sofort untersagt. Völlig offen, wo sich die rund 150 Menschen, die bisher dort Woche für Woche Schlange standen, jetzt versorgen sollen.

Als der ASB das Hausverbot ignorierte und trotzdem seine Ausgabestelle aufbauen wollte, kam‘s zum Showdown: „Ich wurde von der Einrichtungsleiterin, die sich mit fünf stämmigen Mitarbeitern vor mir aufbaute, angeschrien: Sie sei die Chefin hier und es würden keine Lebensmittel mehr verteilt. Basta.“ So schildert Günter Arndt, der 2. Vorsitzende des ASB-Ortsverbands Mitte, die Situation. „Nicht mal die russischen Soldaten, mit denen ich während eines ASB-Hilfseinsatzes in Inguschetien aneinandergeriet, haben in einem solch herrischen Ton mit mir gesprochen.“

Der stellvertretende Vorsitzendes des ASB-Ortsverbands Mitte, Günter Arndt, ist empört.
Schimkus

Der stellvertretende Vorsitzendes des ASB-Ortsverbands Mitte, Günter Arndt, ist empört.

Die Geschichte von Anfang an: Gut sechs Jahre sind vergangen, seit ASB-Mann Günter Arndt das sogenannte „Sattmacher-Mobil“ erfand. Ausgabestellen der Hamburger Tafel hatten damals einen Aufnahmestopp verhängt, weil sie den gestiegenen Bedarf nicht mehr Herr und regelrecht überrannt wurden. Da hatte Arndt die Idee, die erste mobile Lebensmittelausgabe Norddeutschlands ins Leben zu rufen. Der Vorteil: „Wir brauchen keine Räume anmieten, wir stellen uns einfach mit dem Fahrzeug auf die Straße und verteilen.“

„Sattmacher-Mobil“ stand auf Gelände in Bahrenfeld

Seither stand das „Sattmacher-Mobil“ jeden Montag von 11 bis 16 Uhr auf dem Gelände der Wohnunterkunft Holstenkamp in Bahrenfeld. Die Lebensmittel stellte die Tafel Hamburg zur Verfügung, die Verteilung übernahmen 30 ehrenamtliche ASB-Leute. Zuletzt gab es einen festen Kundenstamm von rund 150 Leuten – Bewohner der Unterkunft, aber auch andere.

Lange Zeit lief alles gut, berichtet Günter Arndt. Das habe sich erst geändert, als sich eines Tages der Hund der Einrichtungsleiterin über Lebensmittel hermachte und sich ein ehrenamtlicher Tafel-Mitarbeiter und die Hundebesitzerin deswegen gegenseitig angifteten. „Seit diesem persönlichen Disput gab es zunehmend Kritik an unserer Arbeit“, so Arndt. Den Ehrenamtlichen des ASB sei plötzlich die Benutzung der Toiletten in der Einrichtung verwehrt worden. „Pure Schikane“, so Arndt, „ich hatte den Eindruck, die wollten uns um jeden Preis loswerden.“

„Pure Schikane. Ich hatte den Eindruck, die wollten uns um jeden Preis loswerden“

Das Ende vom Lied: „Fördern & Wohnen“ teilte dem ASB im August mit, dass Ende des Monats zum letzten Mal eine Lebensmittelausgabe stattfinden könne. „Es blieb uns gerade mal eine Woche“, so Arndt empört. „Ich war nicht bereit, das zu akzeptieren und habe ,Fördern & Wohnen‘ schriftlich mitgeteilt, dass wir Zeit bis November brauchen, um einen geeigneten Alternativstandort nahe der Wohnunterkunft zu finden – schließlich geht es ja um die Bewohner, die dringend angewiesen sind auf die kostenlosen Lebensmittel.“

Damit soll nun Schluss sein: Lebensmittelausgabe an Bedürftige der Wohneinrichtung am Holstenkamp in Bahrenfeld. Fördern & Wohnen hat entschieden, dass ASB und Tafel dort nicht mehr verteilen sollen.
privat

Damit soll nun Schluss sein: Lebensmittelausgabe an Bedürftige der Wohneinrichtung am Holstenkamp in Bahrenfeld. Fördern & Wohnen hat entschieden, dass ASB und Tafel dort nicht mehr verteilen sollen.

Doch „Fördern & Wohnen“ verlängerte die Frist nicht. Als die Freiwilligen des ASB Anfang September mit ihrem „Sattmacher-Mobil“ aufs Gelände fuhren, kam es zur beschriebenen Konfrontation. Günter Arndt findet es schlicht „empörend“, wie mit ehrenamtlichen Mitarbeitern umgegangen wurde. „Das sind Menschen, die auf dem Gelände seit sechs Jahren bei Wind und Wetter Lebensmitteln verteilt haben. Ihnen von heute auf morgen Hausverbot zu erteilen, ist einfach nur unglaublich.“

Was sagt „Fördern & Wohnen“ zu all dem? Pressesprecherin Susanne Schwendtke sagt: Der Standort auf dem Gelände sei für eine Lebensmittelausgabe von vornherein nicht geeignet gewesen. Darüber sei mit dem ASB immer wieder gesprochen worden. Die Lebensmittelausgabe habe Rettungswege versperrt, es habe Probleme mit Müll gegeben. Außerdem hätten die Bedürftigen nicht nur Lebensmittel entgegengenommen, sie hätten auch die Hauseingänge benutzt, um ihren Urin zu hinterlassen. Schwendtke: „Der Eindruck, ,Fördern & Wohnen‘ habe hier eine einsame Entscheidung getroffen, ist falsch. Bereits im Frühjahr 2023 hatten alle Beteiligten entschieden, dass der Tafel-Ausgabe-Standort aufgegeben werden soll.“

Fördern & Wohnen: „Entscheidung, den Standort aufzugeben, ist schon im Frühjahr 2023 gefallen“

Eine Darstellung, die Günter Arndt von sich weist. Auch widerspricht er der Behauptung, er habe der Einrichtungsleiterin am Holstenkamp gedroht, dass er sehr unangenehm werden könne, falls sie bei ihrer Haltung bleibe. Arndt: „Zu drohen ist nicht mein Stil.“

Bis zu 150 Menschen – Obdachlose und Flüchtlinge – gehörten bisher immer montags zum Kundenstamm der Lebensmittelausgabe. Wo sollen sie sich jetzt versorgen?
Schimkus

Bis zu 150 Menschen – Obdachlose und Flüchtlinge – gehörten bisher immer montags zum Kundenstamm der Lebensmittelausgabe. Wo sollen sie sich jetzt versorgen?

Wie geht es jetzt weiter mit dem „Sattmacher-Mobil“? Dem ASB ist es gelungen, kurzfristig einen neuen Standort zu finden – allerdings nur für den Übergang. Verteilt werden Lebensmittel bis auf weiteres beim Tennisclub Rot-Gelb hinterm Elbe-Einkaufszentrum, Püttkuhl 24. Der Termin ist der gleiche: montags von 11 bis 16 Uhr. „Allerdings sind es von unserem alten Standort bis dort rund zehn Kilometer“, sagt Günter Arndt. „Die bedürftigen Menschen aus der Wohnunterkunft am Holstenkamp werden unsere Hilfe wohl kaum noch in Anspruch nehmen können.“

Das könnte Sie auch interessieren: 35 Jahre Arbeit, 1200 Euro Rente: So überlebt Frau Schulz

Susanne Schwendtke, die Pressesprecherin von Fördern & Wohnen, sieht da kein Problem.  Es sei sicher „praktisch für die Bewohner“ gewesen, „die Tafel-Ausgabe vor der eigenen Tür zu haben, während andere Bedürftige einen Weg zum Holstenkamp zurücklegen mussten. Wenn nun andere Bedürftige einen kürzeren Weg zur Tafel haben und unsere Bewohner einen längeren, ist das nichts, was gegen den neuen Standort spricht.“

Gebrüll, Schikanen und ein gefräßiger Hund: Kleinkrieg auf Kosten der Ärmsten wurde gefunden bei mopo.de

Please follow and like us:
Pin Share