Gerettet – unter einer Bedingung! Hamburgs Handballer jubeln nach Lizenz-Krimi

Gerettet – unter einer Bedingung! Hamburgs Handballer jubeln nach Lizenz-Krimi

Es ist eine wahnsinnige Erleichterung: Hamburgs Handballer bleiben aller Voraussicht nach erstklassig! Vor dem Schiedsgericht des Ligaverbandes HBL bekam der HSVH nach einem wochenlangen und hochdramatischen Kampf doch noch die Lizenz für die kommende Bundesligasaison. Allerdings unter einer neuen Bedingung („Zusätzliche finanzielle Sicherheitsleistung“), die bis Mittwoch nächster Woche erfüllt werden muss.

Wenn dem HSVH das gelingt, steht unterm Strich: Der Tabellenneunte, der sich sportlich mehr als etabliert hat in der stärksten Liga der Welt, hat den Kopf im letzten Moment aus der Schlinge gezogen und den K.o. für den Klub abgewendet. Es ist der mit Abstand größte und wichtigste Sieg der Saison – und der Vereinsgeschichte.

Am frühen Donnerstagabend, um 17.43 Uhr, wurde das Urteil des Schiedsgerichts öffentlich verkündet, nachdem zuvor fünfeinhalb Stunden im Salon „Herrenhausen“ des Maritim-Hotels am Flughafen Hannover verhandelt worden war. Das Gremium votierte 2:1 zugunsten des Handball Sport Verein Hamburg! Die Entscheidung ist bindend und die letzte Instanz im Lizenzierungsverfahren der HBL.

Schiedsgericht entscheidet: Doch Lizenz für HSV Hamburg!

„Nach maximaler Anspannung in den letzten Tagen ist durchaus eine Erleichterung zu spüren und das Urteil ist für uns ein Erfolg. Und jetzt werden wir alles in die Waageschale werfen, um die Bedingung bis zum nächsten Mittwoch fristgerecht zu erfüllen. Wir haben unmittelbar nach dem Urteil bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt und sind fest davon überzeugt, dass wir das hinkriegen werden“, sagte HSVH-Geschäftsführer Sebastian Frecke.

Sebastian Frecke (l.) und André van de Velde (r.) freuen sich über die Entscheidung.
Nils Weber

Sebastian Frecke (l.), Helge-Olaf Käding und André van de Velde (r.) freuen sich über die Entscheidung.

„Das Gericht hat sich den Sachverhalt ausgesprochen gründlich angeschaut und alle Argumente, sowohl unsere als auch die der HBL, berücksichtigt und alles gründlich abgewogen. Daraufhin hat das Schiedsgericht entschieden, dass die Bedingung im Rahmen der der Lizenzentscheidung nicht wirksam gesetzt worden ist. Erfreulicherweise haben wir die Lizenz jetzt erhalten, aber damit eine weitere Bedingung zur teilweisen Vorfinanzierung der kommenden Saison auferlegt bekommen“, sagt Rechtsanwalt André van de Velde.

Frecke: „Sind fest davon überzeugt, dass wir das hinkriegen werden“

Es war ein echter Lizenz-Krimi. Die Verhandlung hatte sich in die Länge gezogen, deutlich länger als die anvisierten und im Vorfeld kommunizierten „zwei bis drei Stunden“ gedauert. Immer wieder war die Sitzung unterbrochen worden, hatten sich die Parteien zu Beratungen zurückgezogen. Gegen 14 Uhr soll es zudem eine unerwartete Wendung im Prozess gegeben haben, die für sichtbaren Aktionismus sorgte – und Überlänge.

In den Salon „Kestner“ zog sich das Schiedsgericht nach der Verhandlung zurück, beriet sich und fällte das Urteil
Nils Weber

In den Salon „Kestner“ zog sich das Schiedsgericht nach der Verhandlung zurück, beriet sich und fällte das Urteil

Vor dem Urteilsspruch hatte sich das dreiköpfige Schiedsgericht unter dem Vorsitz von Sportrechtler Christof Wieschemann zur Beratung in den Salon „Kestner“ zurückgezogen – da zeigte die Uhr 15:59. Wieschemann zur Seite standen der vom HSVH vorgeschlagene Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Tarek Cherkeh sowie der von der HBL entsandte Rechtsanwalt Michael Kintrup, ein Ex-Profi (Nordhorn, Balingen) aus Hamburg.

Johannes Bitter und Niklas Weller bei Verhandlung dabei

Der HSVH war bei der nicht öffentlichen Verhandlung mit den Rechtsanwälten van de Velde, zugleich Aufsichtsrat des Vereins, und Helge-Olaf Käding dabei. Auch die Spieler Johannes Bitter und Kapitän Niklas Weller, im Zweitberuf Jurist, gehören zum Hamburger Team, das vor Ort war. Geschäftsführer Sebastian Frecke wiederum war als Zeuge geladen. Für die Liga waren unter anderen HBL-Justiziar Andreas Thiel, Mitglieder der Lizenzierungskommission sowie Geschäftsführer Frank Bohmann und HBL-Präsident Uwe Schwenker dabei.


MOPO

Die neue WochenMOPO – jetzt jeden Freitag am Kiosk!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
– Hamburgs neues Highlight: Erster Besuch auf dem fertigen Dach des „Grünen Bunkers“
– „So schlimm war es noch nie“: Wie die Politik der Verdrängung das Elend nach St. Georg bringt
– Jung, reich, rechts? Warum ausgerechnet die Sylter Champagner-Elite Neonazi-Parolen grölte und was das mit der Insel macht
– 20 Seiten Sport: HSV-Sportdirektor Claus Costa im exklusiven MOPO-Interview über die Transferpläne des Vereins
– 28 Seiten Plan7: Die besten Tipps für jeden Tag

Spannend: Bitter und Weller haben in den letzten Wochen intensiv beim Kampf um die Lizenz und der Ausarbeitung der Strategie fürs Schiedsgerichtsverfahren und dem Zusammentragen von Informationen mitgearbeitet, sich neben dem sportlichen Tagesgeschäft enorm engagiert, sehr viel Zeit investiert.

Bitter war schon nach letztem Heimsieg „frohen Mutes“

Vor dem Verhandlungstag hatte sich Torhüter-Routinier Bitter um Zuversicht bemüht. „Natürlich haben wir alle Herzklopfen – aber wir sind frohen Mutes, dass man versteht und akzeptiert, dass es verhältnismäßig wäre, diesen Standort nicht zu killen“, sagte der 41-Jährige, der noch am Mittwochabend mit seinem Team im letzten Heimspiel der Saison einen 33:29-Sieg gegen Eisenach gefeiert hatte. Seine Hoffnung? „Wir hoffen auf ein faires Urteil. Und dass es fair ist, kann eigentlich nur bedeuten, dass wir irgendwie die Chance bekommen, hier weiterzumachen.“

Sie bekommen die Chance. Sie können weitermachen.

Die erlösende Nachricht sorgte in der Kabine der Trainingshalle des HSVH im Volkspark für großen Jubel und totale Erleichterung. Die Mannschaft hatte sich am Donnerstag um 14 Uhr zum gemeinsamen Krafttraining getroffen, dann auf den Urteilsspruch gewartet – was viel länger dauerte als anberaumt und deshalb umso schwieriger war.

Mit dem Urteil endet ein sechswöchiger öffentlicher und dramatischer Kampf um Lizenz und Existenz: Der Ligaverband hatte den Hamburgern am 17. April die Lizenz für die kommende Bundesligasaison nur unter der Bedingung erteilt, dass bis zum 3. Mai (12 Uhr) die Schließung einer „erheblichen Liquiditätslücke“ nachgewiesen wird. „Dies wurde gegenüber der unabhängigen Lizenzierungskommission innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgewiesen“, hieß es in einer HBL-Mitteilung als Begründung für den daraufhin erfolgten Entzug der Lizenz.

Finanzprofi Philipp J. Müller rettete HSVH mit 4,1 Millionen

Der Haken: Am 2. Mai hatte der neue Geldgeber und Aufsichtsrat Philipp J. Müller 4,1 Millionen Euro an den Verein überwiesen. Die vom Hamburger Investor und Finanzprofi bereitgestellte Summe war aber um 12 Uhr des Folgetages nicht auf dem Konto des HSVH nachzuweisen. Das war erst eine Stunde später der Fall. Frist verpasst, Lizenz weg – so argumentierte die Liga konsequent und knallhart.

Die Hamburger sahen sich dagegen zu Unrecht und unverhältsnismäßig um die Lizenz gebracht. Ihr Einspruch wurde zunächst am 6. Mai vom Präsidium der HBL erwartungsgemäß abgelehnt, woraufhin der Klub den Gang vors Schiedsgericht ankündigte und vorbereitete.

Saison noch nicht vorbei – Abschluss gegen Balingen

Haupt-Argumentationslinien: Die übermäßige Härte der ursprünglichen Bedingung, die Schwierigkeiten eines zeitgenauen Nachweises eines Zahlungseingangs sowie die Unverhältnismäßigkeit zwischen der zeitlichen Verzögerung von einer Stunde und dem faktischen Aus für einen wichtigen Handballstandort mit dem Verlust vieler Arbeitsplätze.

Nun ist das Urteil gesprochen, die Ungewissheit vorbei. Klarheit. Die Saison ist aber noch nicht zu Ende. Am Sonntag bestreitet der HSVH sein Saisonfinale in Balingen. Das letzte Spiel. Aber nicht das allerletzte!

Gerettet – unter einer Bedingung! Hamburgs Handballer jubeln nach Lizenz-Krimi wurde gefunden bei mopo.de