Hamburgs Staatsanwaltschaft überlastet: Kripo hat eine Lösung

Hamburgs Staatsanwaltschaft überlastet: Kripo hat eine Lösung

In den Amtsstuben der Staatsanwaltschaft (StA) Hamburg stapeln sich die Akten: auf 39.000 unerledigte Fälle ist der Papierberg angewachsen. Und täglich kommen neue hinzu. Vieles muss unter hohem Zeitdruck abgearbeitet werden, damit Fristen nicht verstreichen und Tatverdächtige, die in U-Haft sitzen, nicht auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Nun hat die Kripo eine Idee, wie man die Strafverfolger entlasten könnte, bräuchte dazu aber umfangreiche Befugnisse.

„Die Probleme mit dem hohen Arbeitsanfall kommen nicht plötzlich. Sie sind über die Jahre gewachsen“, sagt der ehemalige Staatsanwalt und Vorsitzende des Richtervereins Sebastian Volze auf einem Symposium, das der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK) vergangene Woche in der Akademie der Polizei in Alsterdorf veranstaltet hat.

39.000 unerledigte Strafsachen und täglich kommen 20 neue hinzu

Laut Volze kommen täglich rund 20 neue Fälle hinzu. Rund 39.000 unerledigte Strafsachen haben sich bis 2024 angesammelt. Grund dafür seien die Zunahme von Delikten bei der Kinderpornografie, Hass + Hetze im Internet und Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz. Im Gegensatz zu 2021 ein Anstieg von rund 70%. Die Belastung steigt, der Krankenstand nimmt zu und einige der Gesetzesvertreter werfen deshalb sogar das Handtuch und kündigen ihren Job. Dennoch glaubt er nicht, dass die Justiz vor dem Kollaps steht.

Gleicher Meinung ist auch Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel. Der studierte Jurist sagt, dass Strafverfolgung schon rein technisch nicht kollabieren kann, wohl aber der eine oder andere Mitarbeiter. Es gibt in Hamburg insgesamt weniger Ermittlungsfälle, dafür aber mehr Ermittlungsverfahren. Gegen einen Ladendieb können zum Beispiel drei Verfahren erwachsen, wenn er in drei Bundesländern zugeschlagen hat.

Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und seine Kollegen von der Hamburger Kripo befürchten jedoch angesichts der vielen unerledigten Fälle bei der Staatsanwaltschaft, dass die Strafverfolgung nicht mehr so funktioniert, wie sie eigentlich sollte. Ermittlungsverfahren kommen ins Stocken, die Einstellung eines Verfahrens kommt wegen Überlastung immer öfter in Betracht – auch dann, wenn Tatverdächtige nicht zum ersten Mal eine Straftat begangen haben.

Weitreichende Befugnisse für Kripo Hamburg

Die Kripo-Beamten sehen eine Lösung mit der Schaffung einer neuen Dienststelle: „KrimSta“ (Kriminalpolizeiliche Strafsachenstelle) könnte sie heißen. Hier sollen kleinere Delikte bearbeitet werden und dafür in Betracht kommende Strafmaße, wie zum Beispiel die Höhe eines Strafbefehls, festgelegt und an die Staatsanwaltschaft übermittelt werden. Diese muss dann nur noch darüber entscheiden.

„So könnte die Arbeit der Staatsanwaltschaft entlastet werden. Sie kann sich dann verstärkt auf die Ermittlung schwerwiegender Straftaten konzentrieren“, so der Landesvorsitzende des BDK. Laut Reinecke sorge dies für mehr Effizienz, Prozessverschlankung und Entbürokratisierung, weil man sich die kriminalpolizeiliche Sachkunde zu Nutze machen könnte. Vor allem muss sich nicht eine weitere Ebene in jeden Fall einarbeiten, selbst wenn eine Einstellung offensichtlich ist. Zugleich soll die Staatsanwaltschaft jederzeit die Möglichkeit haben, eine Entscheidung an sich zu ziehen.

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Dafür braucht die Kripo allerdings weitreichende Befugnisse. Einige Staatsanwälte und Kripo-Beamte stehen einer möglichen „KrimStra“ aufgeschlossen gegenüber und halten einen Praxistest für angezeigt. Es gibt aber auch Kritik.

Strafverteidiger sehen Vorhaben der Polizei kritisch

Vor allem Strafverteidiger sind skeptisch, wenn es darum geht, der Polizei mehr Befugnisse einzuräumen. Die Gefahr willkürlicher Entscheidungen würde so wachsen. Für den Hamburger Strafverteidiger Manfred Getzmann resultiert die Überlastung bei der Staatsanwaltschaft aus organisatorischen Problemen. „Dies wird durch die Mitarbeit der Kripo nicht gelöst.“ Außerdem befürchtet er, dass Kripo-Beamte nicht ausreichend geschult sind, komplexe juristische Sachverhalte zu bearbeiten.

Strafverteidigerin Ina Franck sieht die Vorschläge der Kripo kritisch.
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Strafverteidigerin Ina Franck sieht die Vorschläge der Kripo kritisch.

Hamburg: Strafverteidigerin sieht Vorhaben kritisch

Auch die renommierte Strafverteidigerin Ina Franck sieht das Vorhaben kritisch: „Der vorgeschlagene Weg führt nicht zu einer Arbeitserleichterung, da die Staatsanwaltschaft sich trotzdem alles anschauen muss, und der Erlass eines Strafbefehls vom Amtsgericht entschieden wird. Die Staatsanwaltschaft macht nur einen Antrag. Wenn die Polizei sich auf ihre Aufgaben konzentriert, ordentlich ermittelt und das dokumentiert, dann hilft das der Staatsanwaltschaft mehr als das jetzt Geplante.“

Hamburgs Staatsanwaltschaft überlastet: Kripo hat eine Lösung wurde gefunden bei mopo.de

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