Hamburgs verstecktes Insektenparadies: Wo der Hafen noch richtig brummt

Hamburgs verstecktes Insektenparadies: Wo der Hafen noch richtig brummt

Dem Hafen gehts’s nicht so dolle, wenn man die Dinge durch die Wirtschaftsbrille betrachtet. Würde man allerdings Wildbiene, Hummel und Co. befragen, bekäme man eine andere Antwort: Der Hafen brummt! Unbemerkt von den Rollkoffer-Touristen, die zum Kreuzfahrtterminal Steinwerder streben, schnabulieren jede Menge Insekten Pollen und Nektar. Denn: Jenseits der Containertürme und Gewerbeflächen hat sich eine bunte Welt etabliert, mit Blumen, die berühmte Gemälde zieren, mit Blüten, die erstmal zur Explosion gebracht werde müssen und mit einer Pflanze, die einst als Fackel diente.

Reges Treiben herrscht am Cruise Center. Ein großer Pott liegt da, bereit, in Kürze die Urlaubsträume Tausender Menschen wahr werden zu lassen. Keiner der aufgeregten Kreuzfahrtfans hat Augen für die lila Blütenwolken, die ein paar Meter entfernt an einem großen Verkehrskreisel gedeihen. Ganz im Gegensatz zu jeder Menge Hummeln und winziger Wildbienen, die den Luxusdampfer links liegen lassen und zielstrebig Kurs halten auf den „Gewöhnlichen Natternkopf“.

Der Hamburger Hafen als Insektenparadies

„Blauer Heinrich“ wurde er früher genannt, wegen seiner langen Blütenkolben, die viele kleine, leuchtend blaue Einzelblüten aufweisen. Insekten lieben ihn: 40 Schmetterlingsarten haben Forscher an ihm schon beobachtet, einige Mauerbienen-Arten, die als Einzelgänger leben, ernähren ihre Brut ausschließlich mit Natternkopf-Pollen. Und die Hafen-Hummeln taumeln förmlich vor Begeisterung über so viel Leckerei. Nur Schnecken wenden sich mit Schrecken, wenn sie die Borsten an Blättern und Stängeln bemerken.

Königskerzen auf Steinwerder, im Hintergrund die Köhlbrandbrücke
Florian Quandt

Königskerzen auf Steinwerder, im Hintergrund die Köhlbrandbrücke

Ein paar Schritte weiter liegen ein paar ausgediente große Spulen aus Holz, auf die wohl einst Taue gewickelt wurden. Nun haben sich hier, mit Blick auf den stillen Ellerholzhafen, ein paar Großblütige Königskerzen angesiedelt: Riesige Blattrosetten, die so behaart sind, dass die Blätter schon flauschig wirken. Im Alter von zwei Jahren bildet die Pflanze ihre Blüten aus, die bis in 1,50 Meter hochschießen, ab Juni zitronengelb erstrahlen und viele Pollen und viel Nektar bieten.

Königskerzen dienten früher als Fackeln

Weil die Stängel so lang und stabil sind, wurden sie früher mit Pech bestrichen und als Fackel benutzt. Wildbienen ziehen im Herbst gerne in die Stängel ein und überwintern da. Im alten Griechenland, so heißt es bei Aristoteles, wurden die Wirkstoffe der Blüten sogar dazu benutzt, Fische in kleineren Gewässern zu töten, sodass die Fischer sie nur noch absammeln mussten. Inzwischen werden die Blüten in der Naturheilkunde weniger fies gegen Erkältungen und Reizhusten eingesetzt.

Wiesenmargariten sind quasi die großen Schwestern der Gäsneblümchen
Florian Quandt

Wiesenmargariten sind quasi die großen Schwestern der Gäsneblümchen

Wiesenmargariten blühen auf den kargen Böden im Hafen, die großen Schwestern der Gänseblümchen. Quasi Gänseblumen. Auch sie tragen bei zum großen Hafenbuffet für Wildbienen, Käfer, Tagfalter.

Klatschmohn setzt feuerrote Akzente am Rand des Autobahnzubringers hier auf Steinwerder. Claude Monet hat ein berühmtes Mohn-Bild gemalt, das einst zur Kunstsammlung des jüdischen Warenhausbesitzers Max Emden aus Hamburg gehörte, was aber weder die vorbeifahrenden Brummis noch die fliegenden Brummer kümmert.

Die Blüten des Besenginsters öffnen sich durch einen komplizierten Mechanismus, den nur kräftige Insekten auslösen
Florian Quandt

Die Blüten des Besenginsters öffnen sich durch einen komplizierten Mechanismus, den nur kräftige Insekten auslösen

Es gibt Silber-Fingerkraut mit zarten gelben Blüten, Hornklee und den genügsamen Besenginster, der seinen kargen Standort aus eigener Kraft verbessern kann: An seinen Wurzel siedeln Bakterien, die Stickstoff aus der Luft gewinnen und die Pflanze damit düngen.

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Nektar hat er nicht im Angebot, aber Pollen – den er allerdings zunächst nicht jedem zugesteht: Jede Blüte muss erst durch einen komplizierten Explosionsmechanismus, den zumeist die dicken Hummeln auslösen, geöffnet werden, danach können sich auch die zarten Wildbienen an den gedeckten Tisch setzen. Mitten im Hafen, auf der einen Seite die ratternden Rollkoffer-Kreuzfahrer, auf der anderen die Laster.

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