Heidenheims Schmidt „ein wenig verwundert über diese Aussagen von St. Pauli“

Heidenheims Schmidt „ein wenig verwundert über diese Aussagen von St. Pauli“

Wenn der FC St. Pauli an diesem Sonntag (17.30 Uhr/Liveticker bei mopo.de) in die Saison startet, dann steht Trainer Frank Blessin vor seiner Bundesliga-Premiere – und sein Gegenüber Frank Schmidt beginnt seine 18. Spielzeit als Coach des 1. FC Heidenheim. Zählt man alle Dienstzeiten der aktuellen Trainer der anderen 17 Bundesliga-Klubs zusammen, kommen diese auf ein paar wenige Monate mehr als Schmidt allein. Mit der MOPO sprach der 50-jährige Mister Heidenheim, der am Donnerstag im Playoff-Hinspiel zur Conference League 2:1 gegen BK Häcken gewann, über sein Erfolgsgeheimnis, seinen Fluch gegen den FC St. Pauli und den Wechsel von Ex-Trainer Fabian Hürzeler.

MOPO: Nehmen Sie Glückwünsche zum ersten Europapokal-Sieg in der Geschichte des 1. FC Heidenheim an?

Frank Schmidt: Man kann das ja nicht wegdiskutieren. Daher nehme ich die Glückwünsche an – aber mit dem Zusatz: Es ist erst das Halbzeitergebnis.

MOPO: Die Spieler klangen nach dem Sieg in Göteborg euphorischer als Sie. Sie haben direkt betont, der Blick richte sich nur auf St. Pauli. Ist das jetzt eine Aufgabe für Sie, dass Sie alle auf den Teppich holen müssen?

Frank Schmidt: Nein. Es ist eine Stärke der Mannschaft, dass sie sehr schnell switchen kann. Wir sind erst um 3 Uhr nachts wieder zu Hause gewesen. Daher gilt es jetzt erst einmal zu regenerieren und das Geschehene Revue passieren zu lassen, aber die Botschaft – auch von der Mannschaft – war schon, dass wir das Rückspiel gegen Häcken jetzt ausblenden. St. Pauli. Millerntor. 30.000 euphorische Zuschauer. Das ist der Fokus. Die Bundesliga hat für uns oberste Priorität.


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MOPO: Sie haben neun Vorbereitungsspiele absolviert, alle gewonnen, sind im DFB-Pokal locker weitergekommen, haben jetzt bei BK Häcken gewonnen. Und das alles, obwohl Sie mit Jan-Niklas Beste, Tim Kleindienst und Eren Dinkci drei Spieler verloren haben, die zusammen 54 Scorer-Punkte in der vergangenen Saison gesammelt haben. Sind Sie selbst davon überrascht, dass ihre Mannschaft in einer so beeindruckenden Frühform ist?

Frank Schmidt: Sie haben die drei Spieler zu Recht genannt. Das waren unsere absoluten Leistungsträger, aber damit hört es ja nicht auf. Auch die Spieler, die für die Genannten eingewechselt worden sind, sind ja weg: Niko Dovedan, Kevin Sessa, Florian Pick, die haben wir auch verloren. Das ist eine riesige Herausforderung. Aber am Ende ist es doch so: Man kann jammern oder man kann sich Lösungen erarbeiten. Und darin haben wir als Trainerteam ja Erfahrung. Es war hier mit Ausnahme des letzten Jahres, als wir nach dem Aufstieg alle Leistungsträger halten konnten, immer so.

Frank Schmidt erklärt sein Erfolgsgeheimnis

MOPO: Wie erarbeiten Sie solche Lösungen?

Frank Schmidt: Wir schauen: Welche Spieler haben wir und welche Spieler brauchen wir – und wie schaffen wir es, die DNA unseres Fußballs bei ihnen zu implementieren. Aber auch wenn wir jetzt noch keine Niederlage einstecken mussten, ist es doch so, dass wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben. Bei uns greifen noch nicht alle Rädchen ineinander. Wir brauchen mit Sicherheit die ersten Bundesliga-Spiele, um eine erste Standortbestimmung zu haben und zu wissen, wo müssen wir noch nachjustieren. Trotzdem ist es das Ziel, jedes Spiel, das ansteht, zu gewinnen.

MOPO: Wie schaffen Sie es, neue Spieler immer wieder so schnell zu integrieren? Was ist das Geheimnis von Frank Schmidt und Heidenheim?

Frank Schmidt: Das ist schwer zu beantworten. Vielleicht ist ein Grund, dass bei uns sportliche Entscheidungen nicht „15 Gremien“ durchlaufen müssen. Bei uns entscheiden das letztlich Holger Sanwald (Vorstandsvorsitzender des 1. FC Heidenheim, d. Red.) und ich. Wir haben hier eine DNA aufgebaut, die für sich steht und nicht verhandelbar ist. Danach suchen wir die Spieler aus. Und die Spieler, die kommen, die wissen, Frank Schmidt ist da mein Trainer und der wird auch mein Trainer bleiben. Das ist bei anderen Vereinen nicht unbedingt der Fall, wie Sie auch am Beispiel St. Pauli sehen, wo der Aufstiegstrainer gegangen ist. Aber um ehrlich zu sein, ich denke darüber gar nicht so viel nach, was unser Erfolgsgeheimnis sein könnte. Ich sage den Spielern einfach, was ich von ihnen erwarte und dass sich jeder einzuordnen hat. Aber nur weil das in den vergangenen Jahren funktioniert hat, gibt es da keinen Automatismus. Wir müssen uns immer mit unterschiedlichen Menschen auseinandersetzen, die neu dazukommen und da den entsprechenden Schlüssel finden. Wenn das gelingt, dann hat man eine Mannschaft, die bereit ist, Widerstände zu überwinden.

MOPO: Beim FC St. Pauli haben Präsident Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann nach dem Aufstieg betont, dass Heidenheim im sportlichen Bereich so eine Art Vorbildrolle einnimmt. Macht es Sie stolz, wenn Sie so etwas hören?

Frank Schmidt: Ich war ein wenig verwundert über diese Aussagen von St. Pauli. Wenn man die Geschichte und die Größe von Hamburg und des FC St. Pauli kennt, dann freut mich das schon sehr, dass wir da überhaupt in einem Atemzug genannt werden. Es ist natürlich – und das haben die Verantwortlichen ja auch gesagt – schwierig, etwas zu kopieren. Aber es ist doch für viele schön zu sehen, dass man etwas schaffen kann, wenn alle gemeinsam in eine Richtung gehen. Wir waren vor der letzten Saison mit Darmstadt zusammen Abstiegskandidat Nummer eins. Und das ja auch zu Recht. Aber wenn man sich gemeinsam unterstützt und miteinander oder sogar besser füreinander spricht, dann zahlt sich das aus. Und es freut mich, dass wir unseren Weg, den wir seit Jahren gehen, jetzt im zweiten Jahr in der Bundesliga fortsetzen können.

MOPO: Haben Sie sich über den Aufstieg des FC St. Pauli gefreut?

Frank Schmidt: Ja. Spätestens seit meinen Duellen mit Ewald Lienen habe ich ein großes Herz für den FC St. Pauli. Es ist ein Verein, der anders ist, der so viel Emotionalität und Wucht hat, da kannst du keine Schablone drüberlegen wie bei manch anderem Verein. Diese Lautstärke, dieses Miteinander im Stadion, St. Pauli hat ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Fußball, auch weil sich der Verein bei so vielen Themen engagiert und einbringt. Deswegen habe ich mich definitiv gefreut, wieder am Millerntor spielen zu dürfen.

MOPO: Wissen Sie eigentlich, wann Sie zuletzt am Millerntor gewonnen haben?

Frank Schmidt: Das müsste das 3:0 2014 gewesen sein. Eine Sternstunde von Florian Niederlechner, wenn ich mich richtig erinnere.

MOPO: Stimmt genau. Am 8. November 2014. Doppelpack Niederlechner. Robert Leipertz hat das dritte Tor erzielt.

Frank Schmidt: Großartige Spieler waren das. Mit beiden habe ich wahnsinnig gern zusammengearbeitet.

MOPO: Aber haben Sie eine Erklärung dafür, warum sich Heidenheim zuletzt gegen St. Pauli so schwergetan hat? Insgesamt sind Sie seit sieben Spielen sieglos gegen St. Pauli.

Frank Schmidt: Eine richtige Erklärung dafür habe ich nicht. Es waren auch Spiele dabei, die wir unnötig verloren haben, wenn ich an unser vorletztes Heimspiel gegen St. Pauli denke, wo wir sie eine Halbzeit lang an die Wand spielen und 3:0 führen können. Am Ende haben wir 2:4 verloren. Ich bin aber jemand, der sich von Statistiken nicht beeinflussen lässt. Wir haben am Sonntag die Chance zu beweisen, dass wir es besser machen können in der Bundesliga. Aber es wird natürlich eine richtig schwere Aufgabe.

MOPO: Aber ein Angstgegner ist St. Pauli nicht?

Frank Schmidt: Definitiv nicht. Von Angst halte ich gar nichts.

MOPO: Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen St. Pauli und Heidenheim im sportlichen Bereich. Hier ist der Trainer Fabian Hürzeler, der kurz zuvor seinen Vertrag verlängert hatte, in die Premier League zu Brighton & Hove Albion gewechselt. Was haben Sie gedacht, als Sie das erfahren haben?

Frank Schmidt: Ich war gar nicht so überrascht, weil sich ja auch die Vertragsverlängerung schon so lange hingezogen hatte. Letztlich fehlt mir aber der Einblick, daher möchte ich das gar nicht bewerten. Jeder hat seine eigenen Ideen und Vorstellungen.

MOPO: Ihre waren andere.

Frank Schmidt: Aber ich bin ja jetzt auch gefragt worden, warum ich denn nicht aufhöre – eine herausragende Platzierung in der Bundesliga, Conference-League-Playoffs, … Das Motto lautet ja, man solle gehen, wenn es am schönsten ist. Aber meine Antwort war ganz klar: Ich spüre Verantwortung. Verantwortungsbewusstsein ist für mich enorm wichtig. Wenn ich eine Zusage gebe, dann zählt die bei mir. Dafür brauche ich keinen Vertrag. Aber das ist meine Einstellung. Und ich möchte es explizit nicht bewerten, wenn andere das eben anders machen. Beides ist möglich. Aber in meinem Fall gilt: Ich verlange als Trainer so viel von meinem Umfeld, von meinen Spielern, von meinem Trainer- und Funktionsteam, deswegen sollen die sich auch zu 100 Prozent auf mich verlassen können, wenn ich mal eine Zusage gegeben habe. Und die gilt bei mir zumindest mal bis zum 30.6.2027.

MOPO: Große Teile der St. Pauli-Fans haben Hürzeler den Wechsel übelgenommen. Können Sie das verstehen?

Frank Schmidt: Noch einmal: Ich kann und möchte das nicht bewerten, weil ich die Details nicht kenne. Aber dass die Fans nicht begeistert sind, wenn eine entscheidende Person wie der Trainer nach dem Aufstieg geht, das muss man akzeptieren und das wird auch Fabian Hürzeler akzeptieren müssen. Er hat es in eineinhalb Jahren geschafft, den Verein in die Bundesliga zu führen und ihm neue Energie zu geben. Da ist es doch klar, dass die Fans sich gewünscht hätten, dass das weitergeht. Aber sehen Sie, was wir in Heidenheim haben und was auch für sehr lange Zeit in Freiburg galt, das ist eben die Ausnahme im Profifußball. Normal ist das nicht. Normal ist, dass Trainer und Spieler für sich entscheiden, die nächsten Schritte zu gehen. Da darf man nicht blauäugig sein und solche Wechsel als unvorstellbar einstufen.

Mit meiner Anmeldung stimme
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MOPO: Gibt es einen St. Pauli-Spieler, bei dem Sie sagen würden, den hätte ich lieber in den eigenen Reihen als am Sonntag gegen ihn antreten zu müssen?

Frank Schmidt: Nein. Das möchte ich nicht, weil es einfach utopisch ist. Ich bin sehr glücklich mit den Spielern, die ich habe. Natürlich gibt es Spieler bei St. Pauli wie Jackson Irvine oder Eric Smith, die spannend sind und viel Qualität haben, aber das bedeutet nicht, dass ich sagen würde, ich hätte die gerne bei mir, weil es einfach nicht so ist.

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MOPO: Ihr Gegenüber Alexander Blessin ist ein halbes Jahr älter als Sie. Er kommt aus Stuttgart, Sie aus Heidenheim. Kennen Sie sich eigentlich?

Frank Schmidt: Ich weiß gar nicht genau, ob wir vielleicht mal in der Oberliga gegeneinander gespielt haben. Ich kann mich zumindest nicht erinnern. Einen Kontakt gibt es bisher noch nicht. 

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