Hochwasser-Gefahr: So bereitet sich Grimma auf mögliche Flut vor

Hochwasser-Gefahr: So bereitet sich Grimma auf mögliche Flut vor

Zweimal wurde Grimma in Sachsen zum Symbol für die Jahrhundertfluten: 2002 und 2013. Erneut könnte die Stadt vom prognostizierten Hochwasser bedroht sein. Wie sie sich darauf vorbereitet, erklärt Oberbürgermeister Matthias Berger. Am Morgen schien draußen noch die Sonne, der Himmel war blau in Grimma. Dennoch beobachtet Matthias Berger die Wetterlage sehr genau, wie der Oberbürgermeister der sächsischen Stadt nahe Leipzig am Telefon erzählt. Denn Grimma liegt in dem Gebiet in Sachsen, für das heftiger Starkregen mit Hochwassergefahr prognostiziert sind. Schon zweimal wurde die Stadt an der Mulde mit ihren 28.000 Einwohnern von Jahrhunderthochwassern schwer getroffen: 2002 und 2013. Ganze Straßen wurden damals weggespült, etliche Häuser der historischen Altstadt zerstört oder schwer beschädigt. 400 Millionen Euro Schaden entstanden. Berger war schon damals Bürgermeister der Stadt. Seitdem habe sich viel getan, sagt er. Was genau und wie sich die Menschen auf ein mögliches erneutes Hochwasser vorbereiten, erzählt er im Interview. t-online: Herr Berger, haben Sie das Gefühl, gerade ein Déjà-vu zu erleben? Matthias Berger: Nur ein bisschen. Ich verfolge die aktuelle Lage natürlich mit einer gewissen Spannung. Haben Sie Angst, dass sich eine Lage wie 2013 oder 2002 wiederholen könnte? Nein. Aber viele Menschen in Grimma sind natürlich schon beunruhigt. Die Anrufe bei mir haben zugenommen. Aber wir sind gut vorbereitet, denn wir haben damals viel gelernt und viel unternommen. Was genau? Wir haben eine einmalige, rund um in die historische Altstadt integrierte Hochwasserschutzanlage bekommen, die diese rundum auf einer Länge von 2,2 Kilometern schützt. Den Testfall hatten wir bereits an Heiligabend. Wieso das? Damals hatten wir schon ein kleineres Hochwasser. Da stand das Wasser an einer Stelle 90 Zentimeter an den Toren hoch. Aber alles hat super funktioniert und uns bestimmt Schäden in zweistelliger Millionenhöhe erspart. Das war die Feuertaufe der gesamten Anlage. Deswegen bin ich mir sicher, dass wir die Lage diesmal ebenso gut überstehen. Wie bereiten Sie sich aktuell vor? Wir werden morgen früh die Anlage zwischen 8 und 10 Uhr schließen, so wie wir es auch regelmäßig in Übungen tun. 80 Feuerwehrleute werden dabei im Einsatz sein. Wir haben gestern auch schon Gräben in Nebengewässern der Mulde gesäubert, dort Wehranlagen und Rückhaltebecken geprüft. Auch Notstromaggregate, Kettensägen und vieles mehr, was eine Rolle spielen könnte, stehen bereit. Zwei Sattelschlepper mit Sand wurden angeliefert, Säcke sind vorhanden. Auch viele Bürger haben sich individuell vorbereitet. Wir sind das alles ja schon gewohnt. Ein Problem ist häufig, wie die Menschen im Notfall rechtzeitig gewarnt werden. Ja. Auch da sind wir in Grimma inzwischen bestens vorbereitet. Wir haben ein Sirenensystem, das nahezu das gesamte Stadtgebiet erreicht. Wir können punktuell auch in einzelnen Stadtteilen damit warnen. Wenn die Sirene in der Altstadt bei Warnstufe vier ertönt, wissen die Leute: Dann müssen sie die Innenstadt verlassen. Durch den Testfall im Dezember wissen wir genau, dass unsere Berechnungen stimmen. Sie hätten dann noch vier Stunden Zeit, um die wichtigsten Dinge zu packen. Wir stellen dann auf ein Einbahnstraßensystem um und leiten die Leute von Süden nach Norden aus der Altstadt. Sie scheinen viel gelernt zu haben aus den Katastrophen der Vergangenheit. Sehen Sie das andernorts auch? Ja, wir haben sehr viel gelernt. Toll war vor allem, dass man nach einer solchen Katastrophe einfach mal gemacht hat. Ich musste zwar auch viel kämpfen, um Projekte durchzubekommen, aber es gab auch sehr viel Unterstützung. Und dann hat sich gezeigt: Da geht dann viel mehr. Ich fürchte, das ist aber nicht überall so. Was meinen Sie? Zu oft herrscht Bedenkenträgertum, Uneinsichtigkeit und Bürokratie. Statt umzusiedeln und zu renaturieren, wird dann technologischem Hochwasserschutz der Vorrang gegeben – selbst da, wo es nicht sinnvoll und oft viel zu teuer ist. Wir mussten in zwei Fällen auch umsiedeln, 2003, 2004 zum Beispiel ein Einfamilienhaus. Die Menschen haben das verständlicherweise nur widerwillig getan. Aber in dem Fall ging es nicht anders. Mit Spendengeldern konnten wir ihnen ein neues Grundstück kaufen. Als dann das Hochwasser 2013 kam, haben sich die Bewohner bei mir persönlich bedankt. Wenn ich mir anschaue, was im Ahrtal passiert ist, fürchte ich, dass da viel zu wenig nach solchen Kriterien entschieden wurde.