Hurra, die Welt geht unter: Diese Stücke eröffnen die Saison im Schauspielhaus

Hurra, die Welt geht unter: Diese Stücke eröffnen die Saison im Schauspielhaus

Bereits der Gang von der Kirchenallee in Richtung Malersaal gehört zum Kunstwerk dazu: Schwarze Bilder und Parolen säumen den Weg in die „Realnische 0“ – auch bekannt als Malersaal. Der Begriff bezeichnet den vollständigen Lebensraumverlust einer Art: Pflanze oder Tier. Den Tod also. Zugleich, so ist es Programm, bietet die „Realnische 0“ unendlich viele Möglichkeiten zur künstlerischen Entfaltung.

Julia Oschatz hat Gang, Treppenhaus und Saal aus recycelten Materialien gestaltet, sie sollen die ganze Spielzeit über die Kulisse für Stücke über Klimakatastrophe und die Zukunft der Menschheit sein.

„Gesetze schreddern“: Eine klimagerechte Grundgesetzänderung?

Im ersten Stück der Saison – „Gesetze schreddern“ – beschäftigt sich Regisseur Kevin Rittberger mit der Möglichkeit, das Grundgesetz so zu reformieren, dass die Natur darin wie eine Person behandelt werden könnte, also mit den gleichen Rechten wie zum Beispiel die auf Eigentum und Unversehrtheit. Auf der einen Ebene des Stücks versucht eine Schauspielerin sich für einen Film die Klicksprache der Pottwale anzueignen, bis sie davon erfährt, dass ein KI-Programm das viel schneller gemeistert hat. Fortan setzt sie sich als eine „Diplomatin“ für den Schutz der querköpfigen Säuger im Mittelmeer ein.

Auf diesem Foto bekommt man einen Eindruck davon, wie der neue Raum aussieht.
Maris Eufinger

Auf diesem Foto bekommt man einen Eindruck davon, wie der neue Raum aussieht.

Derweil räsoniert ein ehemaliger Verfassungsrichter darüber, wie die Sache mit dem Grundgesetz aussehen könnte. Ein Exemplar des kleinen Büchleins finden alle Besucher:innen auf ihren Stühlen vor, zum Mitlesen und Notizenmachen. Ute Hannig und Samuel Weiss verkörpern ihre unterschiedlichen Rollen mit Verve und Humor. Als wäre der wichtige argumentative Unterbau – Grundgesetzänderung – in einem klugen Vortrag erörtert worden. Sie bespielen das Bühnenbild in Gänze, wenngleich manche Aktionen dabei recht beliebig wirken, etwa wenn Weiss sich einmal in das kleine Auto setzt, das da eben nun mal in der Ecke steht.

Neues Raumkonzept im Malersaal

Dort steht es im zweiten Stück immer noch! Diesmal sitzt irgendwann Angelika Richter darin, wird durch den Raum geschoben und hält dabei einen rasanten Monolog. Ein paar kleine Änderungen im Bühnenbild gibt es, aber das große Ganze bleibt, wie es ist. Kurt Schwitters wird gezeigt: „Zusammenstoß. Ein höchstwahrscheinlicher Irrtum“. Fast 100 Jahre alt, postuliert die „groteske Oper“ einen Weltuntergang.

Sasha Rau und Angelika Richter in „Zusammenstoß“, aufgeführt in der „Realnische 0“.
Maris Eufinger

Sasha Rau und Angelika Richter in „Zusammenstoß“, aufgeführt in der „Realnische 0“.

Ein „grüner Stern“ rast auf die Erde zu, und nach den Berechnungen des Astronomen wird er hier vielleicht alles Leben auslöschen, und zwar übermorgen, vielleicht wird er aber auch friedlich vorbeigleiten. Die Reaktionen in Berlin, dem Epizentrum des Aufpralls, sind mal hysterisch, mal realitätsverweigernd. Aber in jedem Fall völlig überdreht. Wie die ganze Inszenierung von Regisseurin Naemi Friedmann.

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Die Darsteller:innen spielen Mehrfachrollen, singen fröhliche Lieder von „Onkel Heini“, der „so krumme Beini“ hat, sie verrenken sich, stottern wie ein Maschinengewehr und singen zu Jesus, auf dass sie verschont bleiben mögen. Alles ganz flott, super gespielt, aber es bleibt viel an der schauspielerisch-glitzernden Oberfläche. Und es stellt sich die Frage: Wie viele Freiheiten gibt das neue Raumkonzept, wie viele nimmt es? Nach den ersten Stücken scheint die Waage sich eher zur Einengung zu neigen. (kam)

Schauspielhaus/Realnische 0: „Gesetze schreddern“: 5./11./17.10.; „Zusammenstoß“: 6.10., je 25 Euro, schauspielhaus.de

Plan7 WochenMOPO vom 4. Oktober 2024
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