Kiez-Größe Thomas „Karate-Tommy“: Der Rotlicht-Schläger, den ich mochte

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Darf man Sympathie für eine Kiez-Größe, einen gefürchteten Schläger, empfinden? Diese Frage stelle ich mir heute manchmal. Mir ging es jedenfalls einmal so, und zwar bei Thomas Born, einem Kampfsportler, der als „Karate-Tommy“ jahrzehntelang eine wichtige Rolle auf dem Kiez gespielt hat.

Born war 1951 in Hamburg als Sohn eines Berufsoffiziers geboren worden, er brach die Schule in Eppendorf kurz vor dem Abi ab und ging zur Fallschirmjägertruppe der Bundeswehr. Seine Berufung aber fand der junge Mann aus gutem Hause beim Kampfsport. Er schaffte es in die Karate-Nationalmannschaft, gründete 1976 am Hofweg seine eigene Sportschule. Mächtige Akteure des Rotlichtmilieus auf St. Pauli wurden auf den Kampfsportler aufmerksam und besuchten seine Kurse.

Der MOPO sagte Thomas Born  einmal: „Ich kam nicht zum Kiez, der Kiez kam zu mir.“ Das traf es ganz gut und rasch erlag Born der Versuchung, schnelles Geld zu machen. Er wurde bei der Zuhältervereinigung „GMBH“ der Experte für Stress, strich monatlich fünfstellige Beträge ein, indem er  als furchteinflößender „Streitschlichter“ oder Geldeintreiber agierte. Keinen Zweikampf, den er nicht gewann. Lag der Gegner am Boden, sagte „Karate-Tommy“: „Bleib liegen, ist besser für dich.“ Wer klug war, hielt sich daran.

1987 wanderte „Karate-Tommy” in den Knast

Bald fuhr „Karate-Tommy“ Corvette und trug natürlich stolz eine goldene Rolex.

Doch 1987 wanderte er erstmals in den Knast – wegen Körperverletzung. Als Born 1989 rauskam, war er ziemlich pleite, er war von Geschäftspartnern gelinkt worden.

„Karate-Tommy“ stand nun am Scheideweg seines Lebens: Wollte er weiterhin auf St. Pauli den starken Mann machen oder sein Leben radikal ändern? Born lernte den Ex-Bankräuber, Schauspieler und Schriftsteller Burkhard Driest kennen. Der bot ihm die Mitarbeit an einem Drehbuch an. Man traf sich in Los Angeles,  und zurück in Hamburg wurde Tommy Born 1990 Berater am Thalia-Theater. Dort zeigte er jungen Schauspielern, wie sie realistisch auf der Bühne Gewaltszenen spielen.

Das war die Situation, als ich Tommy Born näher kennenlernte. Bis dahin hatte ich schon diverse Artikel über ihn in der MOPO verfasst. Die Kontakte waren aber eher oberflächlich gewesen.

Nun also meldete er sich und bat mich, über seine neue Karriere bei Theater und Film zu schreiben. Das machte ich und so begann etwas, was ich durchaus als Freundschaft bezeichnen würde.

Ich hab die meisten Akteure auf dem Kiez verachtet. Durch Ausbeutung von Frauen Geld zu scheffeln – das fand ich einfach nur mies.

„Mein ganzes Leben hat mit Gewalt zu tun, aber das bringt nichts“

Tommy hatte das nach meiner Kenntnis nie getan und die Männer, die er verprügelte, waren eben auch keine unschuldigen Opfer, sondern selbst oft gewalttätige Männer im Rotlichtmilieu. Wir trafen uns regelmäßig, tauschten uns aus über die Situation auf dem Kiez. Und ja, Tommy arrangierte auch mal ein „Friedensgespräch“ zwischen mir und einer Kiez-Größe, die sauer über meine Berichterstattung war. Ja, ich mochte ihn. Tommy war einer der ganz wenigen, die auch kritisch auf ihre Kiez-Karriere blicken konnten.  Er sagte mir einmal: „Mein ganzes Leben hat mit Gewalt zu tun, aber das bringt nichts.“

Kiez-Größe Thomas „Karate-Tommy“ Born starb verarmt

Doch die Karriere im Show-Business kam nicht richtig in Gang. Ich lernte dann auch die unangenehme Seite von Born kennen, er nahm zeitweise zu viel Kokain, wurde dann aggressiv und rief mich nachts an, um ultimativ große Artikel über ihn zu fordern.

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Am Ende seines Lebens stand „Karate-Tommy“ vor dem Nichts, pumpte Bekannte an, um seine Miete zahlen zu können. Zuletzt lebte er in einer kaum 50 Quadratmeter großen Wohnung in einem heruntergekommenen Bahrenfelder Mietshaus. Auf Hilfe seiner ehemaligen Kiez-Kumpel konnte er nicht zählen.

Als Tommy Born 2015 mit 63 Jahren starb, da kamen sie noch mal alle in die große Trauerhalle auf dem Friedhof Ohlsdorf und versprachen, einen prächtigen Grabstein zu kaufen. Es blieb beim Versprechen …  

Kiez-Größe Thomas „Karate-Tommy“: Der Rotlicht-Schläger, den ich mochte wurde gefunden bei mopo.de

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