Kindesmissbrauch: Polizei nutzt effektive Ermittlungsmethode bislang kaum

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Im Kampf gegen Kindesmissbrauch setzen deutsche Ermittler verschiedenste Methoden ein. Auf eine erfolgversprechende Vorgehensweise wird allerdings nur äußerst selten zurückgegriffen, kritisieren Experten.

Die sogenannte „Scheinkindoperation“: Ein Erwachsener gibt sich online als minderjährig aus, um Pädokriminelle auf frischer Tat zu ertappen. Im Jahr 2020 wurde die Gesetzgebung dahingehend angepasst. Auch das Kontaktieren und Belästigen von vermeintlichen Kindern ist seither strafbar.

Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2023 164 Tatverdächtige durch „Scheinkindoperationen“ ermittelt. Die Methode gilt als effektiv. „Die Aufklärungsquote ist hoch, die liegt bei über 80 Prozent“, erklärt Professor Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger, Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Polizeihochschule Brandenburg, gegenüber dem „NDR“. Entsprechend groß ist das Unverständnis, weshalb die Methode in den meisten Bundesländern nur so selten zum Einsatz kommt.

„Scheinkindoperationen“ können Täter abschrecken

Eine Anfrage des Rechercheformats „STRG_F“ ergab, dass nur in Baden-Württemberg und Hessen „Scheinkindoperationen“ auch ohne konkreten Anlass durchgeführt werden. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen setzen die Methode nur in speziellen Fällen ein. Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern machten hierzu keine Angaben. Alle anderen Bundesländer führen keine „Scheinkindoperationen“ durch.

Neben den direkten Ermittlungserfolgen sollen „Scheinkindoperationen“ einen weiteren positiven Effekt mit sich bringen: Abschreckung. Denn Pädokriminelle fühlen sich im Netz nach wie vor sehr sicher. Die Wahrscheinlichkeit angezeigt zu werden scheint gering. Kriminelle können daher oft leicht identifiziert werden.

Undercover-Recherche zeigt Effektivität der „Scheinkindoperationen“

Das zeigt auch eine aktuelle Undercover-Recherche von „STRG_F“. Auf der App Likee gaben sich Redakteurinnen als 12 bis 13-jährige Mädchen aus. Die App ist dafür bekannt, dass sie von Pädokriminellen gezielt genutzt wird, um nach Opfern zu suchen. In dem dreitägigen Experiment könnten mehrere Täter identifiziert werden. Gegen einen Täter wird mittlerweile offiziell ermittelt.

Die Täter hatten versucht, sich den scheinbar minderjährigen Redakteuren auf sexuelle Weise zu nähern und sie unter anderem dazu aufgefordert selbst kinderpornografische Aufnahmen von sich zu erstellen und zu teilen. Häufig werden Kindern auf solchen Apps als Gegenleistung auch Geld oder Spielguthaben angeboten.

Bundesinnenministerin Faeser äußert sich nach Recherche

„Es ist eine widerliche Form der Kriminalität. Es hat leider rasant zugenommen“, erklärt Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf Nachfrage von „STRG_F“. Dennoch sei eine komplette Sperrung der App vorerst nicht geplant, sondern nur der letzte Ausweg. Ab sofort stehe Likee unter Beobachtung, so die zuständige Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westphalen.

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Apple reagiert auf die Recherche und verbannt Likee ab sofort aus dem Appstore, da gegen die Richtlinien verstoßen wird. Die Frage, warum „Scheinkindoperationen“ so selten zum Einsatz kommen, bleibt allerdings. (zc)

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