Lernen Hamburgs Kinder zu wenig, Frau Senatorin?

Lernen Hamburgs Kinder zu wenig, Frau Senatorin?

Seit sieben Monaten ist Ksenija Bekeris (den Namen verdankt sie ihren lettischen Wurzeln) Schulsenatorin in Hamburg. Die MOPO-Redakteurinnen Ann-Christin Busch und Stephanie Lamprecht sprachen mit ihr über Poller gegen Elterntaxis und Prüfungen, die sie abschaffen will. Und dann verriet Bekeris noch, worauf sie bei der Wahl der Grundschule für ihren Sohn besonders geachtet hat.

MOPO: Frau Senatorin, waren Sie eine gute oder schlechte Schülerin?

Ksenija Bekeris: Ich bin gern in die Schule gegangen und das Lernen fiel mir leicht.

Was war ihr Lieblingsfach?

Mathe. Als Leistungskurse hatte ich aber Deutsch und Geschichte, weil mir gesagt wurde, für den Mathekurs müsste man sehr viel lernen. In meinem Zeugnis stand auch immer: Sie könnte ihre Potenziale mehr ausschöpfen.

Wollten Sie immer Lehrerin werden? 

Nein, da gab es große Umwege. Ich wäre gern Kinderärztin geworden, habe aber im Studium gemerkt, dass dieses Umfeld, wo man sich sehr durchbeißen muss, nichts für mich ist. Danach habe ich Soziologie studiert und bin schließlich als Quereinsteigerin Berufsschullehrerin geworden und habe zehn Jahre lang sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten ausgebildet.

Betriebe klagen, dass Azubis immer schlechter lesen, schreiben und rechnen können. Sie haben als Berufsschullehrerin unterrichtet – lernen Hamburgs Schüler nicht genug?

Wichtig ist, Schülerinnen und Schülern in den Basiskompetenzen ein richtiges Fundament zu geben. Dafür setzen wir uns seit Jahren ein. Unser Ziel ist es, die Anzahl derjenigen, die die Mindeststandards nicht erfüllen, zu halbieren. Ein Beispiel: Die Stundenzahlen von Mathematik und Deutsch in der Grundschule sind in Hamburg bundesweit am höchsten.

Ihr Vorgänger hat mehr Diktate, Klassenarbeiten, Klausuren gefordert. Sie werden die schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfungen nach der 10. Klasse abschaffen. Wie ist dieser Kurswechsel zu erklären?

Das ist gar kein Kurswechsel. Tatsächlich schaffen wir an den Gymnasien nur zusätzliche Überprüfungen ab, für die wir bereits seit Jahren sinnvolleren Ersatz geschaffen hatten, nämlich die KERMIT-Lernstandserhebungen. An diesen nimmt jede Schülerin und jeder Schüler im Schnitt sogar alle zwei Jahre teil, also insgesamt sechsmal in einer Schullaufbahn. Auch an den Stadtteilschulen wollen wir Entlastungen prüfen und schauen beim ersten und mittleren Schulabschluss, ob Teilprüfungen wegfallen und andere Prüfungsformate möglich sind.

Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD, r.) im Gespräch mit den MOPO-Redakteurinnen Stephanie Lamprecht (m.) und Ann-Christin Busch.
Florian Quandt

Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD, r.) im Gespräch mit den MOPO-Redakteurinnen Stephanie Lamprecht (M.) und Ann-Christin Busch.

Der Hamburger Schulfrieden läuft 2025 aus, verlängern Sie den?

Wenn wir die Entwicklung der Hamburger Schulen anschauen, dann hat der Schulstrukturfrieden dem System sehr gutgetan, weil sich Schule so auf die Verbesserung der Unterrichtsqualität konzentrieren konnte und nicht auf organisatorische Fragen. Deshalb würde ich mir eine Verlängerung wünschen.

Sie haben die Rückkehr zu G9 an Gymnasien im Schulausschuss abgelehnt. Ist das Ihr letztes Wort?

Wir haben ein gutes zweigliedriges Schulsystem in Hamburg, an dem ich nicht rütteln möchte. Sonst würde es zu einem großen Hin und Her führen, das ich den Schülerinnen und Schülern und den Schulen nicht zumuten möchte.

An einigen Schulen werden massenhaft Poller gegen Elterntaxis aufgestellt. Brauchen wir ein generelles Halteverbot vor Schulen?

Ich bin nicht die Verkehrs- oder Innensenatorin, aber die Einrichtung von Schulstraßen unterstütze ich ausdrücklich. Bei meinem Sohn war mir bei der Entscheidung für die passende Grundschule wichtig, dass er allein hingehen kann. Kinder müssen sich auch in den Welten, in denen sie leben, zurechtfinden. Damit möchte ich aber keine Sorgen von Eltern vom Tisch wischen. Die Einrichtung eines Halteverbots ist nicht die alleinige Antwort – und nicht jedes Verbot führt dazu, dass es eingehalten wird.

Das andere Extrem sind Eltern, die sich nicht um die Bildung ihrer Kinder kümmern – was ist das größere Problem?

Ich denke immer vom Kind aus und sehe beide Gruppen. Es gibt auch Problemlagen, die es Eltern erschweren, sich um ihre Kinder zu kümmern. Unsere ganze Gesellschaft hat die Aufgabe, Kinder auf ihrem Lebensweg zu unterstützen – deshalb gibt es das Startchancen-Programm. Damit unterstützen wir Schulen in sozioökonomisch schwierigen Umfeldern.

Nach der aktuellen ifo-Studie liegt Hamburg auf Rang sechs unter den 16 Bundesländern – glauben Sie, Sie können uns unter die Top 3 bringen?

Das ist kein Ziel, das wir unbedingt erreichen müssen. In zehn Jahren mithilfe des Startchancenprogramms die Zahl derjenigen zu halbieren, die nicht die Mindeststandards erfüllen, finde ich schon ambitioniert. Als Stadtstaat müssen wir schauen, was wir realistisch schaffen können.

Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) setzt Hoffnung in das Startchancenprogramm.
Florian Quandt

Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) setzt Hoffnung in das Startchancenprogramm.

Das vergangene Schuljahr 2023/24 startete in Hamburg mit einem Schülerrekord. Wie sieht es in diesem Jahr aus?

Wir haben auch dieses Mal die meisten Anmeldungen für die erste Klasse. Insgesamt werden 272.970 Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Schuljahres 2024/25 Hamburgs Schulen besuchen – so viele wie nie zuvor. Was das Wachstum der Zahlen angeht, sind wir auf einem Plateau angekommen, das sich in den nächsten Jahren noch fortsetzen wird. Entsprechend der rückläufigen Geburtenzahlen wird erst gegen Ende der 2020er Jahre mit weniger Erstklässlerinnen und Erstklässlern zu rechnen sein.

Werden Schüler dieses Schuljahr in Containern unterrichtet werden?

Wir stellen Container auf. Insgesamt machen sie aber weniger als ein Prozent aller Schulflächen aus. Von der Qualität her sind Container zwar keine Schulgebäude, aber es gibt aus der Schülerschaft durchaus positive Rückmeldungen. Deshalb bin ich nicht aufgeregt, wenn es darum geht, Container aufzustellen.

Sie sind nun sieben Monate im Amt, was ist das Schönste an dem Job als Hamburger Schulsenatorin? Und was nervt?

Überall, wo ich bin, erlebe ich Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, und Eltern, die unglaublich Lust haben, Schule zu gestalten. Das macht viel Freude und bisher erlebe ich positive Resonanz. Der Job ist aber gleichzeitig sehr umfangreich. Ich habe auch eine Familie – Hobbys habe ich schon nicht mehr, seit ich als Lehrerin in der Bürgerschaft sitze – und die Freizeit ist sehr begrenzt.

Lernen Hamburgs Kinder zu wenig, Frau Senatorin? wurde gefunden bei mopo.de

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