Messerattacke in Mannheim: Abschiebungen? Selbst Schweden tritt auf die Bremse

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Nach der Messerattacke in Mannheim fordern deutsche Politiker striktere Abschiebungen ausländischer Straftäter. Schweden wird in diesem Zusammenhang oft als Vorbild genannt. Aber ist es das wirklich? Der Schock von Mannheim sitzt noch immer tief. Ein 25-jähriger Afghane hatte am Freitag bei einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz ein Messer gezogen und sechs Männer verletzt, darunter einen Polizisten. Der 29 Jahre alte Beamte erlag später seinen Verletzungen. Seither verschärft sich in Deutschland die Debatte um Abschiebungen von Straftätern, auch nach Afghanistan oder Syrien . Bundeskanzler Olaf Scholz hatte dies zuletzt im Bundestag gefordert. Doch beide Staaten gelten als unsichere Herkunftsländer, in die die Bundesrepublik deshalb bisher keine Menschen zurückführt. In Afghanistan regieren die Taliban mit härtester Hand, es gilt das Gesetz der Scharia. Syrien befindet sich unter Kontrolle des Diktators Baschar al-Assad. In beiden Staaten ist die Menschenrechtslage angespannt, mit beiden Regimen gibt es keine diplomatischen Beziehungen. Das erschwert Abschiebungen. Einige deutsche Politiker fordern trotzdem ein Umdenken, um die innere Sicherheit in Deutschland zu verbessern – und verweisen dabei auf Schweden . So auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. In einem Gastbeitrag bei “Welt” schreibt er: “Schweden zeigt doch, dass es geht. Von dort wurden im vergangenen Jahr gleich mehrere Personen wegen Straftaten direkt nach Afghanistan abgeschoben.” Doch stimmt das überhaupt? Wie geht Schweden mit Abschiebungen in Länder wie Afghanistan oder Syrien um? Tatsächlich verfolgt Schweden eine striktere Abschreckungspolitik, kämpft aber mit ähnlichen Problemen wie Deutschland – und hat inzwischen seine Abschiebepolitik deshalb angepasst. Asylbewerber abschrecken Grundsätzlich sind Abschiebungen in Länder mit schwieriger Sicherheitslage wie Syrien oder Afghanistan möglich. Bis 2023 fanden sie auch noch statt. Allerdings wurden nur wenige Menschen dorthin abgeschoben – laut wissenschaftlichem Dienst des Deutschen Bundestages jeweils fünf nach Afghanistan und Syrien. Die rechtliche Voraussetzung dafür ist, dass die schwedische Regierung etwa in Syrien sichere Regionen sieht, beispielsweise solche, in denen nicht mehr gekämpft wird. Und für Afghanistan gilt: Wer nicht explizit von den Taliban verfolgt wird, dem kann die Aufenthaltsgenehmigung in Schweden versagt werden. Allerdings erkennt auch Schweden so wie Deutschland die Taliban-Regierung in Afghanistan nicht an und es gibt keinen Dialog zwischen beiden Staaten, der Abschiebungen oder die Rücknahme von afghanischen Staatsbürgern regeln könnte. Deswegen wurden 2023 die fünf Abgeschobenen auch nicht “direkt” nach Afghanistan gebracht, wie Linnemann es postuliert. Sondern über Drittstaaten, denn es gibt keine Flüge aus Schweden nach Afghanistan. Ein schwedischer Grenzschutzbeamter muss mit einem abgeschobenen Asylbewerber in Länder wie Usbekistan reisen, und von dort aus muss dieser dann einen Flug nach Kabul nehmen. Das ist sehr umständlich. Die Logik hinter Schwedens Abschiebepolitik ist klar: Das Land möchte damit Asylbewerber abschrecken, um den eigenen Wohlfahrtsstaat nicht zu überfordern. Nicht alle Menschen aus Afghanistan bekommen deshalb in Schweden einen Aufenthaltsstatus. Frauen, Kinder, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Vertreter der Vorgängerregierung erhalten einen, der Rest kann durchaus abgelehnt werden. Vor allem bei männlichen Asylbewerbern sind es Einzelfallentscheidungen. Statt in Schweden bei einem abgelehnten Asylverfahren auf eine Abschiebung zu warten, reisen Geflüchtete daher oft freiwillig aus Schweden in andere europäische Länder, in der Hoffnung, dass sie dort noch in keinem Register auftauchen. Und Schweden unterstützt sie dabei. Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages waren das 2023 insgesamt 229 afghanische Staatsangehörige. Das schwedische System funktioniert also auch deshalb, weil Asylbewerber aus Afghanistan in anderen Ländern leichter einen Aufenthaltsstatus erhalten. Schweden führt keine Zwangsabschiebungen mehr durch Zwangsabschiebungen, wie sie noch 2023 durchgeführt wurden, bleiben dagegen problematisch. Schweden ist in diesem Jahr auf die Bremse getreten, denn die internationale Kritik an seiner Abschiebepraxis wurde aufgrund der Menschenrechtslage in Afghanistan oder in Syrien immer größer. Schon öfter haben Menschen, die abgeschoben werden sollten, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geklagt und recht bekommen. Der EGMR entscheidet nur im Einzelfall und hat bislang dabei stets auf die Menschenrechtsverletzungen der Taliban verwiesen. Die entscheidende Frage in dem Zusammenhang: Gibt es überhaupt Afghanen, die nicht von Menschenrechtsverletzungen der Taliban bedroht sind? Da auch das unklar ist, werden in dem skandinavischen Land zwar immer noch Ablehnungsentscheidungen für Asylbewerber aus Afghanistan getroffen, aber seit März 2024 werden Zwangsabschiebungen laut der schwedischen Migrationsbehörde nicht mehr durchgeführt. Schweden ist also nur bedingt ein Beispiel für ein hartes Abschiebungsregime, wie es einige deutsche Politiker aktuell fordern.