MOPO exklusiv: Mehrere Fußballspiele unter Manipulations-Verdacht – auch in Hamburg

MOPO exklusiv: Mehrere Fußballspiele unter Manipulations-Verdacht – auch in Hamburg

19 Jahre liegt der letzte große Wettskandal im deutschen Fußball zurück. Im Januar 2005 war bekannt geworden, dass Schiedsrichter Robert Hoyzer mehrere deutsche Profispiele für einen kroatischen Auftraggeber manipuliert hatte, darunter auch die DFB-Pokal-Partie des HSV beim SC Paderborn aus dem Jahr 2004 (2:4). Nach intensiven Recherchen hat die MOPO Indizien dafür, dass es erneut zu zahlreichen Spielmanipulationen in Deutschland gekommen sein könnte. Insgesamt gibt es 17 verdächtige deutsche Partien – darunter auch Spiele aus der Oberliga Hamburg.

Die Indizien, von denen die MOPO weiß, sprechen dafür, dass der Ausgang von mindestens 17 deutschen Fußballspielen seit November 2022 vorsätzlich manipuliert worden sein könnte. Die konkreten Ansetzungen, die unter Verdacht stehen, werden zum Schutz möglicher Ermittlungen nicht näher genannt. Es handelt sich um Pflichtspiele aus der 3. Liga, zwei verschiedenen Regionalligen sowie einer Reihe von Oberligen. Die letzte betroffene Ansetzung ist erst wenige Wochen her. Auch mehrere Begegnungen aus der Oberliga Hamburg gehören zu den verdächtigen Partien.

MOPO weiß von Indizien für eine mögliche Manipulation

Konkret weiß die MOPO von Schriftstücken – vor allem von Chatverläufen aus einem die Anonymität wahrenden Messenger-Dienst – in denen über den Verlauf und den Ausgang der betroffenen Spiele diskutiert wird. Die Chats entstanden mutmaßlich wenige Stunden bis mehrere Tage vor dem jeweiligen Anpfiff. Die Vorhersagen, die in diesen Chats getätigt wurden (insbesondere das gewünschte Endergebnis), traten später exakt so ein wie beschrieben. Für ingesamt 14 Spiele gibt es demnach starke Indizien für eine mögliche Manipulation, für drei weitere Spiele gibt es zumindest Anhaltspunkte.


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Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat man die 17 unter Verdacht stehenden Spiele bereits zur Kenntnis genommen. In vertraulichen Gesprächen wurde der MOPO bestätigt, dass der DFB die Vorfälle sehr ernst nimmt, es aber gleichzeitig für fraglich hält und prüfen möchte, wie bei einer vermeintlichen Manipulation exakte Ergebnisse – und nicht einfach nur „Sieg“ oder „Niederlage“ – vorsätzlich bestimmt werden konnten. Eine nachträgliche Beobachtung der verdächtigen Begegnungen ergab, dass in drei Fällen entweder Fehlentscheidungen des Schiedsrichters oder Torwart- beziehungsweise Abwehrfehler vor mindestens einem Gegentor den Ausgang des Spiels maßgeblich beeinflussten. In fünf weiteren Spielen gibt es ebenfalls Auffälligkeiten bei Schiedsrichterentscheidungen oder der Entstehung von Toren. Kurios: In einer Partie wurden sogar ausschließlich Eigentore erzielt.

Die korrekten Spielergebnisse sollen in den 17 Fällen, die der MOPO bekannt sind, angeblich vorab über verschlüsselte Websites im sogenannten Darknet – dem verborgenen Bereich des Internets – verkauft worden sein. Für einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Betrag (je nach Wettquote) sollen Interessierte demnach das Ergebnis der Partie vorab gekauft haben, um bei klassischen Wettanbietern auf diesen Ausgang zu wetten. Da das Ergebnis später auch tatsächlich eintraf, konnten die Kunden mit diesem Vorgehen womöglich kräftig Geld gewinnen.

Fußballspiele sollen über Darknet verschoben worden sein

Bezahlt worden sei der Deal ausschließlich über eine sogenannte Kryptowährung (z.B. Bitcoin), die sich dadurch auszeichnet, dass sich die Transaktion auf Wunsch völlig anonymisieren lässt. Der Kontakt zum Anbieter der Spielergebnisse sei ebenfalls über verschiedene Messenger-Systeme hergestellt worden, die sich teilweise im Darknet befinden und in denen sämtliche Daten vollständig anonym sind. Gesprochen und geschrieben worden sei ausschließlich Englisch.

Um zu verhindern, dass die Spiele ins Visier der Wettanbieter oder deren Überwachungssysteme geraten, soll jede der mindestens 17 Partien anscheinend nur an eine sehr geringe Zahl von Privatkunden verkauft worden sein. Mit dem Kauf des Ergebnisses seien dann so etwas wie „Spielregeln“ übermittelt worden, unter anderem ein Maximalbetrag, der auf das entsprechende Spiel gewettet werden durfte. Auf diese Weise habe man sichergestellt, dass nicht auffällig viele Menschen auffällig hohe Beträge auf das korrekte Ergebnis setzen würden – und die Quote nicht nur hoch, sondern die mutmaßliche Manipulation auch unter dem Radar der Überwacher bleibt.

So hatte etwa erst im Oktober 2023 die Regionalliga-Begegnung zwischen dem FSV Frankfurt und dem TSV Steinbach Haiger (0:3) wegen auffälliger Wettbeträge deutschlandweit für Aufsehen gesorgt und war deshalb unter Manipulationsverdacht geraten. Im Gegensatz dazu konnte das Unternehmen, das für die Überwachung der Sportwetten auf Spiele des DFB zuständig ist, bei einer stichprobenartigen Abfrage von vier der nun verdächtigen Partien nach MOPO-Informationen keine Auffälligkeit bei Zeitpunkt oder Höhe der platzierten Wetten feststellen.

Auch der DFB nimmt Manipulations-Verdacht sehr ernst

Im Darknet werden bereits seit mehreren Jahren angeblich verschobene Fußballspiele aus europäischen Amateurligen gehandelt, überwiegend aus Spanien und Belgien, aber auch aus Finnland, Portugal oder Zypern. Einige dieser Angebote sind Betrugsmaschen, hinter denen keine echte Manipulation steckt – durch die Anonymität im Darknet können solche falschen Anbieter ganz leicht spurlos verschwinden, nachdem sie Geld von ihren Kunden kassiert haben. Mit einer Manipulation haben diese Anbieter oft nichts zu tun, sie verkaufen einfach wahllose Tipps. Ob hinter diesen 17 Fällen nun ein ähnlicher Betrug steckt, kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Gegenüber der MOPO wurde allerdings bestätigt, dass der Verdacht einer tatsächlichen Manipulation hierbei ernstgenommen werde.

Der Grund: Bei den 17 betroffenen Spielen sollen die zutreffenden Vorhersagen dem Vernehmen nach von einem selbsternannten „Informanten“ stammen. Er ist dem Kunden wahrscheinlich unbekannt, will aber angeblich direkt in die Manipulation involviert sein. Für manche dieser Partien wurde demnach konkret behauptet, dass einer oder mehrere Schiedsrichter oder Spieler und Funktionäre der unterlegenen Mannschaft bestochen worden seien. Der Verdacht einer Manipulation wird zudem dadurch erhärtet, dass er – mutmaßlich unabhängig voneinander – von mehr als einer Quelle herangetragen wurde.

Die meisten der Partien, bei denen die MOPO von entsprechenden Indizien weiß, fanden nicht am Wochenende statt und begannen erst spätabends. Zwei Schiedsrichter wurden in mehr als einer dieser Begegnungen eingesetzt, auch einzelne Spieler standen in mehreren Spielen auf dem Feld. Vier Mannschaften tauchen in der Auflistung der betroffenen Partien mehrfach auf – sie alle haben keines dieser Spiele gewonnen.

Mehrere Spiele aus Hamburg unter Manipulations-Verdacht

Auch Ansetzungen der Oberliga Hamburg befinden sich unter den verdächtigen Spielen, darunter sogar eine aus der laufenden Saison 2024/25. Für die Oberliga Hamburg hat der Hamburger Fußball-Verband (HFV) in seiner Spielordnung ein Verbot von Sportwetten für alle Spieler, Trainer, Funktionäre und Schiedsrichter festgelegt. Ohnehin sind Sportwetten auf deutsche Amateurspiele unterhalb der 3. Liga seit 2021 nur noch bei ausländischen Wettanbietern möglich, in Deutschland gelten sie seither als grundsätzlich verboten – in Paragraf 21 des Glücksspielstaatsvertrags wird die Befürchtung geäußert, solche Spiele seien schließlich „in erheblichem Maße anfällig für Manipulationen“ und könnten somit „die Integrität des sportlichen Wettbewerbs gefährden“.

Genau diese Befürchtung wäre eingetroffen, sollten sich die 17 Verdachtsfälle tatsächlich bewahrheiten. In Deutschland erfüllt Sportwettbetrug einen juristischen Straftatbestand, für den – neben einer lebenslangen Sperre durch den DFB – auch eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren vorgesehen ist. Deutschland droht ein neuer Manipulationsskandal – das ist jetzt ein Fall für die Polizei.

Wenn Sie Informationen zu einer möglichen Manipulation von Fußballspielen haben, können Sie diese jederzeit anonym an die zuständigen Ermittlungsbehörden übermitteln. Auf Initiative des Bundesinnenministeriums (BMI) wurde dafür eine unabhängige Meldestelle eingerichtet, bei der jeglicher Austausch geschützt, vertraulich und vollständig anonym stattfinden kann. Hinweise auf Sportwettbetrug und Manipulationen von sportlichen Wettbewerben können geschützt unter www.bkms-system.net/sportmanipulation abgegeben werden.

MOPO exklusiv: Mehrere Fußballspiele unter Manipulations-Verdacht – auch in Hamburg wurde gefunden bei mopo.de

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