„Müssen immer kühlen Kopf bewahren“: Von hier aus werden Hamburgs Busse gelenkt

„Müssen immer kühlen Kopf bewahren“: Von hier aus werden Hamburgs Busse gelenkt

Hoch über Hamburgs Straßen, im obersten Stock des Hochbahn-Gebäudes an der Steinstraße, beherrschen sie das Chaos: Die Mitarbeiter der Bus-Leitstelle. Sie haben nicht nur über 100 Buslinien gleichzeitig im Blick, sie sind auch der erste Ansprechpartner für alle Fahrer. Tausende Funksprüche und Telefonate gehen dort täglich ein. Stefan Maßmann, seit 14 Jahren Verkehrsleiter, erklärt der MOPO bei einem Besuch vor Ort, wie schnell dort Entscheidungen getroffen werden müssen, warum er sich noch lange an den G20-Gipfel erinnern wird und wie die Mitarbeiter in Extremsituationen reagieren müssen.

„Schwerer Verkehrsunfall Cuxhavener Straße“, diese Worte reißen Stefan Maßmann (57) kurzfristig aus dem Gespräch. „Einen Moment bitte“, sagt er entschuldigend, bevor er sich eilig mit dem Kollegen bespricht. An diesem Tag prallten mittags ein Pkw und ein Hochbahn-Bus ineinander. Zuvor waren sie nebeneinander gefahren, als die Pkw-Fahrerin laut Polizei den Fahrstreifen wechselte, gegen den Bus krachte und anschließend gegen einen Laternenmast geschleudert wurde. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht, verstarb allerdings wenig später an ihren Verletzungen.

Leitstelle: Ansprechpartner für Busfahrerinnen und -fahrer

„Wenn sich der Busfahrer oder die Busfahrerin in so einer Situation bei uns meldet, müssen wir vor allem einen kühlen Kopf bewahren“, erklärt Maßmann, der bereits seit 2010 Verkehrsleiter der Bus-Leitstelle ist. Polizei und Rettungswagen müssten sofort alarmiert werden, es brauche Anweisungen vor Ort und der Busfahrer oder die Busfahrerin müssten entsprechend betreut werden. Das sei für für die Kollegen natürlich nicht immer einfach – besonders in Extremsituationen, wenn Menschen schwer verletzt oder sogar gestorben sind.

Acht Bildschirme zeigen gleichzeitig verschiedene Orte in Hamburg und die Busse, die dort entlangfahren.
Florian Quandt

Acht Bildschirme zeigen gleichzeitig verschiedene Orte in Hamburg und die Busse, die dort entlangfahren.

„Alle, die hier arbeiten, waren davor selbst als Busfahrer und danach als Betriebsaufseher auf Hamburgs Straßen unterwegs. Das ist wichtig, weil sie so die Lagen am besten einschätzen können“, so Maßmann. Diejenigen in der Betriebsaufsicht sind den ganzen Tag in Pkws mit der Aufschrift „Hochbahn“ in der Hansestadt unterwegs. Sie haben die Busse und Bushaltestellen im Blick und sind bei Unfällen oder anderen Problemen schnell vor Ort.

Maßmann und seine Kollegen verlassen die Zentrale in der Steinstraße hingegen nicht. Sie arbeiten im Schichtsystem und sind 24 Stunden am Tag für „alle Sorgen und Nöte der Busfahrerinnen und Busfahrer erreichbar“, wie es der 57-Jährige formuliert. Acht Personen sind pro Schicht im Einsatz, im Nachtdienst sind es drei. Sie alle decken jeweils ein bestimmtes Gebiet in der Stadt ab, zum Beispiel den Norden, den Süden oder die Innenstadt.

Am Schreibtisch von Stefan Maßmann gibt es mehrere Telefone und Bildschirme, um immer erreichbar zu sein.
Florian Quandt

Am Schreibtisch von Stefan Maßmann gibt es mehrere Telefone und Bildschirme, um immer erreichbar zu sein.

„Weil immer um die 230 Busfahrerinnen und Busfahrer gleichzeitig unterwegs sind, klingelt es hier im Regelfall alle drei Minuten“, sagt er. „Da müssen wir natürlich priorisieren, was am Dringendsten ist.“ Da frage zum Beispiel auch jemand an, der Ärger mit Fahrgästen habe, der sich in einer der vielen Baustellen-Umleitungen verfahren habe oder der den Außenspiegel leicht an einer Hauswand entlang geschrammt habe. Bei spontanen Demonstrationen oder Straßensperrungen suchen die Mitarbeiter möglichst schnell eine Ausweichroute für die betroffenen Busse.

G20 in Hamburg: Maßmann holte Busse aus Altona weg

Eine Sache, die ihm noch lange in Erinnerung bleiben wird, ist der G20-Gipfel, der 2017 in Hamburg stattfand: Damals kam es zu Gewaltexzessen auf den Straßen, für die sich Polizei und Demonstranten im Nachhinein gegenseitig verantwortlich machten, überall brannte es. „Das war wirklich eine absolute Ausnahmesituation“, erinnert sich Maßmann.

Das Hochbahn-Haus an der Steinstraße: Ganz oben unter dem Dach befindet sich die Leitstelle.
Florian Quandt

Das Hochbahn-Haus an der Steinstraße: Ganz oben unter dem Dach befindet sich die Leitstelle.

„Wir mussten alle paar Minuten die Busrouten ändern. Als sich der Demozug dann immer weiter in Richtung Altona bewegte, habe ich damals die Entscheidung getroffen, sämtliche Busse auch zur Sicherheit der Fahrerinnen und Fahrer vom Bahnhof Altona zu entfernen. Die Fahrgäste wurden über die Anzeigetafeln informiert.“ Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut: „Die Busse unseres Schwesterunternehmens, die teilweise vor Ort geblieben waren, wurden massiv zerstört.“

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Wer zögerlich sei, habe seiner Ansicht nach in der Bus-Leitstelle nichts zu suchen. „Wir haben maximal 30 Sekunden Zeit, um eine Entscheidung zu treffen“, so Maßmann. „Natürlich fragt man sich manchmal später, ob es nicht in dem Moment auch eine bessere Lösung gegeben hätte – aber das gehört eben zu unserem Job.“

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