Nawalny musste in Haft jeden Tag unter Putin-Porträt sitzen

RMAG news

Alexej Nawalnys posthum erschienene Memoiren zeichnen ein bedrückendes Bild seines Lebens im russischen Straflager. So musste der Oppositionelle mehrere Stunden am Tag unter einem Porträt Putins sitzen. Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny hat Auszügen aus seinen posthum zusammengestellten Memoiren zufolge mit seinem Tod in Haft gerechnet. “Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen und hier sterben”, schrieb Nawalny während seiner Haft im März 2022 in sein Tagebuch, wie aus am Freitag im “New Yorker” veröffentlichten Auszügen hervorgeht. “Es wird niemand zum Verabschieden da sein”, schrieb Nawalny. “Alle Jubiläen werden ohne mich gefeiert werden. Ich werde niemals meinen Enkelkindern begegnen.” Nawalny, der prominenteste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin , war am 16. Februar im Alter von 47 Jahren in einem russischen Straflager in der Arktis gestorben, wo er eine 19-jährige Haftstrafe verbüßen sollte. Nawalnys Anhänger und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung für den Tod des Oppositionellen verantwortlich. Das neue Buch mit dem Titel “Patriot” stützt sich auf Tagebucheinträge Nawalnys aus der Haft und der Zeit davor. Veröffentlicht wird es am 22. Oktober vom US-Verlag Knopf, der auch eine russische Version plant. Tagesablauf in russischem Straflager In einem Eintrag vom 1. Juli 2022 fasst Nawalny einen typischen Tagesablauf zusammen: Aufwachen um 06.00 Uhr, Frühstück um 06.20 Uhr und Arbeitsbeginn um 06.40 Uhr. “Bei der Arbeit sitzt man sieben Stunden an der Nähmaschine auf einem Hocker unter Kniehöhe”, erläutert er. “Nach der Arbeit sitzt man einige Stunden auf einer Holzbank unter einem Porträt Putins. Das nennen sie ‘disziplinarische Tätigkeit’.” Mit dem Schreiben seiner Memoiren hatte der Kremlkritiker nach einem Giftanschlag im Jahr 2020 begonnen, in dessen Folge er mehrere Monate lang in einem Krankenhaus in Berlin behandelt wurde. Im Jahr darauf kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er festgenommen und zu 19 Jahren Haft verurteilt wurde. Laut dem “New Yorker”-Chefredakteur David Remnick sind Nawalnys Tagebuchnotizen auch Ausdruck seiner inneren Stärke. Es sei “unmöglich”, sie zu lesen, “ohne über die Tragik seines Leidens und seines Todes empört zu sein”, sagte Remnick unter anderem mit Verweis auf Nawalnys Beschreibungen seines Hungerstreik im April 2021, bei dem der damals 45-Jährige jeden Tag ein Kilogramm Gewicht verlor. Die Tür zur Gefängnisküche, in der Hühnchen gekocht und Brot gebacken werden, werde “absichtlich offen gelassen”, damit der Geruch zu ihm gelange, schrieb Nawalny. Am 11. April 2021 beschrieb er seinen Gemütszustand als desolat. Er sei “zum ersten Mal emotional und moralisch am Boden”, hieß es in einem Eintrag. Doch bereits wenige Tage später schöpfte Nawalny neue Kraft – dank der internationalen Unterstützung, “darunter fünf Nobelpreisträger” und sogar Autorin “JK Rowling”. In einem Eintrag vom 17. Januar 2022 schreibt Nawalny: “Das Einzige, was wir fürchten sollten, ist, dass wir unsere Heimat aufgeben, um sie von einer Bande von Lügnern, Dieben und Heuchlern ausplündern zu lassen.” Nawalny behält sich auch in Haft Humor Auch Nawalnys ungebrochener Humor schimmert trotz der Einsamkeit und der Isolation immer wieder durch die Zeilen durch. Hinsichtlich der Motivation für seine Tagebuchnotizen erklärt Nawalny etwa: “Wenn sie mich umbringen, erhält meine Familie den Vorschuss und die Autorenrechte, die es hoffentlich geben wird.” Mit Blick auf den 2020 auf ihn verübten Giftanschlag fügt Nawalny hinzu: “Seien wir ehrlich: Wenn ein undurchsichtiger Mordversuch mit einer chemischen Waffe, gefolgt von einem tragischen Tod im Gefängnis den Buchverkauf nicht ankurbeln kann – was dann? Der Autor des Buches wurde von einem berüchtigten Präsidenten ermordet. Was könnte der Marketingabteilung Besseres passieren?” Der letzte vom “New Yorker” vorveröffentlichte Tagebucheintrag stammt vom 17. Januar 2024. Darin beantwortet Nawalny die Frage von Mitinsassen und Gefängniswärtern, warum er nach Russland zurückgekehrt sei. “Ich wollte mein Land nicht aufgeben oder es verraten. Wenn unsere Überzeugungen etwas bedeuten sollen, muss man bereit sein, für sie einzustehen und, wenn nötig, Opfer zu bringen.” Über die Folgen eines möglichen Anschlags auf ihn spekulierend, erklärte Nawalny, seine Memoiren würden sein “Denkmal” sein.

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