Politische Shootingstars ziehen in Hamburgs Bezirksparlamente ein: Was will Volt?

Politische Shootingstars ziehen in Hamburgs Bezirksparlamente ein: Was will Volt?

Ihre lila Wahlplakate mit den seltsamen Slogans waren im Hamburger Stadtbild nicht zu übersehen: „Für mehr Eis“, stand darauf. Oder „Sei kein Arschloch“. Oder „Wählen rettet Leben“. „Volt“ heißt die Kleinstpartei, die als politischer Shootingstar bei der EU-Wahl sechs Prozent der Hamburger Stimmen holte – und der es aus dem Stand gelang, in Mitte, Altona, Eimsbüttel und Nord in die Bezirksversammlungen einzuziehen. Was wollen die ausgewiesenen Europa-Freunde dort erreichen? Die MOPO sprach mit der Co-Vorsitzendes von Volt Hamburg und mit einem Schulleiter, der als Volt-Abgeordneter in die Bezirksversammlung Altona einziehen wird.

In Frankfurt/Main und Köln, in München, in Halle und Jena sitzen Volt-Abgeordnete bereits in den Stadtparlamenten, und nun also auch in vier Hamburger Bezirksversammlungen. Seit 2018 gibt es die Partei, die schon als „spannendste Gründung seit den Grünen“ bezeichnet wurde. Volt versteht sich als erste echte europäische Partei, die in Deutschland, Italien und Frankreich gleichzeitig gegründet wurde und inzwischen in 31 Ländern aktiv ist. Zwei Jahre vor der Volt-Gründung hatten die Briten für den Brexit gestimmt, die Partei ist aus dem Schock geboren: „Volt ist als Pro-Europa-Bewegung gedacht“, sagt Patrick Fischer, Schulleiter des Gymnasiums Süderelbe und Volt-Spitzenkandidat in Altona: „Als Gegengewicht zu Nationalismus und Populismus.“ Als kürzlich das Sylter-Gröl-Video auftauchte, konterte Nela Rieh, die deutsche Volt-Spitzenkandidatin für die EU-Wahl, trocken mit einem der Plakat-Slogans:„Ich appelliere laut und deutlich an alle Wahlberechtigten: Sei kein Arschloch!“

Volt Hamburg hat knapp 200 Mitglieder

Kein Arschloch sein und mehr Macht für die EU also. Darüberhinaus vereint die junge Partei, die in Hamburg knapp 200 Mitglieder zählt, einzelne Ziele der Alten. Wie die Grünen wollen sie fossile Brennstoffe bis 2035 verbieten (der Slogan „Für mehr Eis“ bezieht sich auf die Gletscher und nicht auf Erdbeer und Vanille) und befürworten, wie FDP-Chef Lindner, die Atomkraft als Übergangstechnik. Wie die Linken will Volt die Seenotrettung entkriminalisieren, wie die SPD eine europäische Armee einführen und wie ihre Shootingstar-Vorgänger, die Piraten, die digitale Verwaltung voranbringen. Und in der Lokalpolitik? Mit wem wird Volt stimmen? „Pragmatisch“ wolle er als Bezirkspolitiker in Altona arbeiten, sagt Patrick Fischer: „Mir geht es darum, unsere Nachbarschaften noch lebenswerter zu machen.“

Violettes Wahlplakat der kleinen Partei Volt: „Sei kein Arschloch“
imago images / Revierfoto

Violettes Wahlplakat der kleinen Partei Volt: „Sei kein Arschloch“

Mehr Grün, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger in Altona, mehr bezahlbaren Wohnraum, die Bürger und Bürgerinnen mitnehmen – klingt nach einem Grünen-Abklatsch. „Wir haben einen anderen politischen Ansatz als die Grünen“, sagt Fischer: „Wir denken bei allen Themen die europäische Ebene mit.“ Außerdem, räumt er ein, habe eine so junge Partei ja noch keine Kompromisse eingehen müssen: „Wir können mutigere Forderungen stellen und als unverbrauchte Kraft zwischen anderen Fraktionen vermitteln.“ Der knochenharte Straßenwahlkampf für ein vereintes Europa hat gewirkt: In Altona bekam Volt 5,6 Prozent der Stimmen (knapp 37.700 Altonaer wählten die Partei), in Mitte 5,1 Prozent (25.380 Wähler) in Nord 6,1 Prozent (knapp 47.000 Stimmen), in Eimsbüttel 5,3 Prozent (gut 36.000 Stimmen) – das hat sonst keine der zahlreichen Winz-Parteien auf den Wahlzetteln geschafft.

Hamburger Volt-Co-Vorsitzende Kira Junge
Jannik Hildebrand/hfr

Hamburger Volt-Co-Vorsitzende Kira Junge

„Überwältigend“, nennt Kira Junge (30), Co-Vorsitzende des Volt-Landesverbandes Hamburg, den Wahlerfolg. Zwei Abgeordnete stellt Volt jeweils in Altona, Mitte, Nord und Eimsbüttel. Natürlich seien wie bei allen Parteien auch die Volt-Mitglieder von Pöbeleien an den Infoständen nicht verschont geblieben, aber: „Wir haben auch viel Sympathie und Freude über die Erweiterung des Parteienspektrums erlebt“, sagt die Prozessingenieurin: „Viele Menschen machen sich Sorgen um Europa und wollen den europäischen Gedanken gestärkt sehen.“

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